Ich möchte religiöse Dichtung gar nicht ins Lächerliche ziehen, so fern sie mir auch ist.
Aber ihre Personalisierung, Politisierung, Instrumentalisierung, Banalisierung,
Verflachung kommt mir so lächerlich vor wie auf dem Schulhof "Ich bin Messi, du bist
Ronaldo". Und leider gefährlicher.
Claus
Am 1. August 2025 15:51:18 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 01.08.2025 um 04:01 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Wenn man nicht eine bestimmte Form des Katholizismus in den Knochen hat (was auf Carl
Schmitt nach eigener Aussage zutraf, wenn ich mich nicht irre), ist das ganz schwer zu
verstehen.
Maßgeblich für das eigene Denken und Handeln und zwar, und da wird es m.E. bedenklich,
auch in der Politik, sind dann nicht eigene Erfahrungen und Überzeugungen, sondern
Glaubensinhalte, z.B. Prophezeiungen. Bedenklich finde ich es, weil man zwar zu eigenen
Überzeugungen steht, sie aber nicht unbedingt für das letzte Wort halten muss. Im
Gegensatz zu dem, was einem von ganz oben mitgeteilt wird.
Ist politische Theologie nicht das Gegenteil von "mein Reich ist nicht von dieser
Welt". (Ausserdem: wurden die Finanzdienstleister nicht von einem gewissen Jesus aus
dem Tempel geschmissen?)
Über das Katechon als biblisches Konzept des Weltuntergangs kann man sich bei Wikipedia
unterrichten. Daran schliesst sich vielleicht die Frage an, was das für unsere Zeit
bedeutet. Wer ist der Höllenfürst, wer will ihn aufhalten?
Die Abneigung gegen Steuern könnte man auf Maria und Josef zurückführen, die es
bekanntlich auf der Flucht vorm Finanzamt bis nach Ägypten verschlagen hat.
Damit hast Du mich zum Lachen gebracht! Thiel würde wohl auch darüber lachen
können, aber Vance? Politische Religion betreiben Amerikaner ja schon seit der
Unabhängigkeitserklärung. In deren Präambel heißt es ja: “We hold these truths to be
self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with
certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of
Happiness.“ In der US-Verfassung gibt es keinen Hinweis auf einen Schöpfer mehr, aber
hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit fühlen sich Amerikaner geradezu gemacht zum Streben nach
Glück durch Reichtum.
Tempel waren auch Banken im göttlichen Auftrag. Davon wollte schon Jesus sich unabhängig
machen — und Thiel/Musk folgten ihm mit Paypal. Anstatt nach Ägypten zieht es sie mit
Seesteading aufs Meer hinaus. „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“
sind ja schon von Weber zusammengebracht worden und Sombart führte den Kapitalismus aus
dem Absolutismus heraus auf den Luxus zurück, womit wieder der Katholizismus ins Spiel
kam.
Was Amerikanern das Christentum scheint Asiaten der Buddhismus zu sein. JH hat ja auf den
japanischen Mathematiker Goro Kato hingewiesen, der an einer Garbentheorie des
Bewusstseins arbeitet: "A Sheaf Theoretic Approach to Consciousness. Abstract: A new
fundamental mathematical model of consciousness based on category theory is presented. The
model is based on two philosophical-theological assumptions: a) the universe is a sea of
consciousness, and b) time is multi-dimensional and non-linear.“ Da Du es weniger abstrakt
und mehr rhetorisch magst, verweise ich auf Rachel Kushners Roman „See der Schöpfung“, der
mir zu Goro Kato zu passen scheint. Und zum Seesteading gibt es ebenfalls einen
lesenswerten Roman: „Das große Spiel“ von Richard Powers.
IT