Am 03.04.2024 um 15:17 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 03.04.24 um 14:14 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb
weitere Ausführungen zur Sache, gut gemacht. Wenn ich mit diesen weiterfahren würde,
würde sich das von IT so genannte Schwafeln beginnen, deswegen nur wenige Stellen, kurz
beantwortet.
"Handlungspraxis": Es scheint so, als wolltest du diesem Wort eine höhere
Wichtigkeit verleihen als seine Häufigkeit hergibt. Zudem ist es mehrdeutig.
.
...
scheust Dich
aber vor Vereinnahmungen, Gemeinsamkeiten, Zusammenfassungen.
Das wusste ich nicht.
Da muss ich nun auch lachen, Joseph. Denn ich weiß (wie alle, die hier mitmachen), dass Du
Vereinnahmungen jeglicher Art nicht nur scheust, sondern Dich sogleich dagegen verwahrst.
Denn Du willst (und sollst) wirklich Dein eigenes Selbstsein leben und auch zeigen. Was
wäre philweb ohne Dich?
Damit wären wir schon beim Zeigen und in diesem Kontext, also dem zeichenhaften
sprachlichen Ausdruck, der selbstredend „weit über der Tierebene“ als menschliche
Kommunikation stattfindet. Doch wie hat sich die menschliche Sprache im Verlauf der
kulturgeschichtlichen Evolution entwickelt? Das scheint nach wie vor eine nicht endgültig
geklärte Frage zu sein. Mit Sicherheit jedoch wird man von einer stufenweisen,
stammesgeschichtlichen Entwicklung, beginnend mit rudimentären Laut-/Zeichensprachen (also
einer nonverbalen Kommunikation), hin bis zu heutigen Sprachformen ausgehen können. Es
soll derzeit fast 8000 unterschiedliche Sprachen/Dialekte geben, nun gut - mir sollten
deren Drei hinreichen.
Mir erscheint die Vorstellung einer sog. „Sprachrevolution“ nicht plausibel, zumindest
nicht im Sinne eines plötzlich revolutionären Entwicklungsschritts. Wenn Ingo (it)
schreibt, Wörter würden dem Sprechen entstammen, kann man das sicher im Kontext eben aus
einer schrittweisen Entstehung von Wortformen annehmen, die sich aus einer Reihe von
„Urlauten“ in Form spezifischer Lautäußerungen herausgebildet haben.
Waldemar wird es freuen, wenn ich nun davon schreibe, dass „sprachliche“ Syntax sich nicht
erst mit menschlicher Sprache, sondern sich - wenngleich nicht in elaborierter Form -
offenbar aus der Tierkommunikation entwickelt hat. Potzblitz! Wie oft musste ich, seither
ich Affe war, wieder geboren werden, um dieses denken und schreiben zu können?
Nun geht es hier ja nicht um wissenschaftliche Etymologie, sondern um heutige Sprachfomen
und den Gebrauch von Worten sowie deren Semantik. Gebrauch von Sprache im Sinne von
„Handlungspraxis“ wie Ingo es benannte. Er bezog sich auf Lorenzen und ich habe mir eben
sein Büchlein (mit Co-Autor Kamlah) „Logische Propädeutik“ hervorgezogen (war einst
Pflichtlektüre in PHIL).
Dort wird in Absatz 2 auf den wesentlichen Unterschied zwischen den Wörtern „Sprache“ und
„Rede“ hingewiesen, der gleichermaßen für die Umgangssprache, wie für die Logik und somit
eben die Linguistik schlechthin, bedeutsam ist.
Lorenzen/Kamlah sprechen davon, dass es in der Welt selbst die Wiederkehr des Gleichen
gibt, (das läßt an Nietzsche denken). Dinge also, die immer wieder vorkommen, Vorgänge,
die immer wieder stattfinden, so eben auch die menschlichen Handlungen als aktuelle
Abwandlungen von Handlungs-Gewohnheiten. Und Sprache, als einzigartig dem Menschen
verfügbare Fähigkeit, um die über die Natur vorgezeichneten (sic!) Handlungen als zeitlich
ablaufendes, zumeist aktuell flüchtiges Sprechen, eben als Rede ausdrücken zu können,
wodurch Handlungsgewohnheiten zu Sprechgewohnheiten wurden und werden. Diese
Verschiedenheit von Sprache und Rede steht im Kontext der von Lorenzen/Kamlah definierten
sprachlichen Handlungsschemata, was m.E. der „sprachlichen Handlungspraxis“ (wie von Ingo
benannt) gleichkommt.
Nun muss ich sagen, dass Sprachwissenschaften wahrlich nicht zu meinen besonderen
Interessengebieten gehören. Zudem ich mich innerlich immer gegen eine „Wortglauberei“
sträube. Selbstredend muss man zwischen Sprachformen des Alltags und der Wissenschaften
unterscheiden und diese entsprechend zum Einsatz bringen, wenn es darum geht, Sachverhalte
klar und eindeutig in Worte zu fassen, um diese zumindest hinlänglich zu beschreiben,
resp. aufzuzeigen.
Das betrifft uns hier ja auch, weil wir immer wieder feststellen müssen, wie schwierig ein
sprachlicher Austausch bisweilen sein kann, solange (wenn überhaupt) keine hinreichend
taugliche sprachliche Verständigungsebene gegeben ist. Damit beziehe ich mich jedoch nicht
auf Syntax und Semantik, denn zumeist liegen ideelle Differenzen vor.
Inwieweit sich dieser Anspruch auf Literatur (als Schriftgut) bezieht, ist eine andere
Frage, z.B. in der Poesie, die sog. schöngeistige Literatur. Ist dort diese semantische
Schärfe, wie in der (natur-)wissenschaftlichen Literatur gefordert, oder existiert für
Schreibende aktiv und Lesende passiv ein Freiraum, eigene Bilder, resp. Zeichen in den
jeweils gegebenen literarischen Kontext einzuflechten zu können? Schließlich sollte dieses
dem Menschen leicht möglich sein, soweit man sein Gehirn auch als „Sinnmaschine“ deuten
kann. Denn (Vorsicht Waldemar!) das menschliche Gehirn verfügt über ein ausgeprägtes
Assoziationszentrum, wo alle kognitiven Prozesse, wie eben die Sprache bildenden
Funktionen, resp. Gedächtnis, Verarbeitung visueller, olfaktorischer Reize etc. ablaufen.
Längst sind noch nicht alle damit in Verbindung stehenden Funktionsabläufe erforscht. Kann
dieses dadurch erschwert sein, dass der Mensch letztlich als Mensch auf sich schaut und
daher in einer nicht zu entkommenden Subjektivität verfangen ist, bzw. zu keiner wirklich
objektiven Sicht auf sich im Stande ist?
Bezogen auf Literatur wird dann auch die Unterscheidung zwischen Sparten, wie
beispielsweise die schöngeistige und (natur-)wissenschaftliche Literatur relevant. Während
in ersterer ein Freiraum hinsichtlich getroffener Aussagen z.B. durch sog. künstlerische
oder dichterische Freiheit gegeben ist, ist dieser in der streng wissenschaftlichen
Literatur nicht vorhanden, zumindest, wenn es um eindeutig zu beschreibende Fakten geht.
Darauf bezogen hat Ingo (it) wohl Dirac (indirekt) zitiert: „In der Physik versuchen wir,
etwas, was vorher niemand gewußt hat, mit Zeichen zu sagen, die jeder versteht.“
Joseph fragt prompt: „jeder?“ Und da musste ich auch lachen, denn es ist tatsächlich nicht
in jedes Menschen Vermögen oder Interesse, z.B. die Theorie des „Dirac-Impulses“ zu
verstehen und das im Sinne von verinnerlichen. Ich habe mir den Dirac-Impuls auch lieber
am Oszilloskop angesehen und ausgemessen, als ihn zu berechnen. Und so hat man Diracs
Wunsch nach verständlicher Darstellung bis dato nicht gewusster Fakten (bezogen auf
Elektrodynamik etc.) vor allem auch mit technischen Mitteln abgeholfen.
Wer noch an den Gott des Donners und der Blitze glauben sollte, muss nur ins Münchener
„Deutsche Museum“ gehen, dort wird mit deutlich zischenden „Zeichen“ in Art gewaltiger
Dirac-Stöße demonstriert, wie Blitz und Donner Wirkung zeigen. Angewandte Elektrotechnik
und dennoch nichts als Mathematik und Physik, als instrumentalisierte Naturwissenschaft.
Das ist mein Beruf und nun soll ich Ansprechpartner für vergeistigte Liebe auf dem Weg in
die Philosophie sein, Joseph?
Ja natürlich, Philosophie ist meine erste Liebe, die (angewandte) Naturwissenschaft steht
nicht hinten an, denn mit ersterer (als Broterwerbsberuf) wäre ich samt Familie
verhungert, mit letzterem (NT/IT) ist gut leben.
Bester Gruß! - Karl
PS:
jh: "Hierfür ist Karl wohl der Ansprechpartner. Leider fällt mir der Name eines
Widersachers dieses Satzes nicht ein, Alois Alzheimer lässt grüßen.
Joseph, meinst Du den Antagonist als Widersacher? Aber welchen Satzes denn? Es lebe
Alzheimer - auch zum Lachen, wenn’s nur nicht so ernst wäre!