Am 12.11.21 um 15:21 schrieb K. Janssen
vieles, dem ich nur zustimmen kann. Was
Auguste_de_Villiers_de_L’Isle-Adam anbelangt: Er war genau Zeitgenosse
von Nietzsche. Beide konnten hochstilisieren was sie so erlebten.
Sottise war für ihn so etwas wie das städtische, vornehme, überhebliche
Besserwissen, und betise die urwüchsige Dummheit, die es nur auf dem
Land gab. Er entlarvte die sottise und betise gerne bei Männern wie
Frauen, bei Technikgläubigen, bei Reichen und Konservativen. Das nur
nebenbei bemerkt.
„Hamsterrad der Gegenreden“
Dieses „sich miteinander auseinander zu setzen“
(wie sollte Dich, Joseph, dieses Wortspiel entzücken
oder doch eher
verstören?)
Beides könnte es mich. Aber es ist weder noch. Und auch nicht:
hat neben dem Reiz eines „Spiels“ doch auch einen
klaren Mehrwert.
Also dreimal nein und damit Gegenrede und oder Belehrung, du hast die
Wahl. Kennst du etwa nicht, was dein Freund, unser Freund Schopenhauer
dazu sagte. Er wusste schon ziemlich alles dazu: "das Gespräch zwischen
Narren" (Hamsterrad). Seine Auffassung von Meinungsaustausch dürfte dir
bekannt sein: A streitet mit B, A sagt Meinung a, B sagt Meinung b. Zu
Hause angekommen nimmt A die Meinung des b an, und umgekehrt. Spiel ja,
aber du kennst ja das Problem: Dann könnte es geschriebene oder
ungeschriebene Regeln geben, die eingehalten werden oder nicht. Eine
andere Frage entsteht bei der Person vor dem Zufallsgenerator: Auch das
ist kein gutes Sich-Auseinandersetzen, da kommt nur Zufälliges an. Dann
das Sich-Hineinversetzen in das Denken des anderen, wenn es dazu kommt,
dann kommt etwa das Stegmüller-Verstehen hinzu.
Sofern man nicht lediglich an plumper Gegenrede im
Sinne
selbstwertsteigernder Intervention interessiert ist,
Das gibt es auch.
sondern am Thema orientiert auch an dessen
zugrundeliegenden Fakten,
wird/kann die solchermaßen erzwungene, tiefer gehende
Beschäftigung
damit zu einem Zuwachs an Wissen und Erfahrung führen.
Das kann sein. Aber wenn die Stegmüller-Verstehen ungenügend ist, dann
kann es keinen Zuwachs geben, gerade weil das Beschäftigen mit allzu
Fremdem sich an das Zuhören des Zufallsgenerators angrenzt.
Von dieser Art quasi rekursiv aufwachsenden Wissens,
wird jeder aktiv
oder gewesene Lehrende wissen.
Das verstehe ich nicht, ich war ja noch nie aktiv Lehrender.
In der mir typischen Weise (wie diese offensichtlich
nicht rezipiert
will) hatte ich wiederholt vom Update resp. einer möglichen Korrektur
der eigenen Einstellungen bzw. Überzeugungen (ggf. „false beliefs“)
durch einen a-priori und a-posteriori – Abgleich mit anderen und vor
allem gegensätzlichen Meinungen/Überzeugungen gesprochen, der zur
Abänderung der persönlicher Konditionierung (also Fixierung auf ggf.
„false beliefs“) führen kann
Das ist ok, aber wenn der Kern unangreifbar gemacht wird, dann ist das
Hinzulernen begrenzt, diese Frage gab es schon hier.
bzw. sollte.
Ja dann mach mal! (kein tu quoke, weil ich die Vorschrift nicht mache,
sondern du.)
Nochmal, bezogen auf Dein „Argumentum ad verecundiam“, würde der
Vorteil eines durchaus kontrovers geführten Disputs eben darin liegen,
durch diesbezüglich zunehmende eigene Kompetenz, sich von vorgegebenen
Thesen, Hypothesen aus Fachkreisen lösen, also gewissermaßen sich
davon emanzipieren zu können.
Nicht der Disput kann emanzipieren, sondern auch das eigene Lernen und
das Finden von Goldgruben. Viele meinen, dass sie welche haben, die
Lösung für Rätsel, aber auch der Glaube an Rätsel hilft nicht viel.
Ideale denken und aufbauen ist das Gegenstück zu der Fehlersuche. Diesen
Satz habe ich immer wieder vor mir. Es gibt noch ein Drittes, mir ist
jetzt der Gedanke dazu abhanden gekommen.
Damit relativiert sich der von mir beschriebene
Unterschied zwischen
Fachkraft und Laie für den eigenen Wahrnehmungshorizont, wie Du dieses
offenbar damit ausdrücken willst:
/
//jh: „Also ich bin gerne unter Dilettanten, Schwaflern, Laien,
Schwadronierern. Hier gehe ich mit Villiers de L'Isle-Adam, dem doch
eine "femme bête" lieber gewesen wäre als eine femme sotte. Er
kritisierte die Gelehrsamkeit gegenüber der naiven Ehrlichkeit.“/
So ungefähr.
Damit schließt Du Dich Waldemars Präferenz für das
„Tierische“ an,
warum auch nicht.
Stimmt, aber mein Tierisches ist ein wenig anders als das des Waldemar.
Ich hatte das Glück, anstatt einer Tier-Frau oder gar
einer dummen,
eine sehr kluge Frau als Lebenspartnerin zu haben. Sie ist wie ich
Ingenieur/in und hat – Gott sei es gedankt – keine absurd
konstruierten Hirngespinste, sondern durchaus sehr realistische
Ansichten von Leben und Welt.
Ich hatte bzw. habe diesbezüglich auch keine Probleme, aber gerade
deswegen hat sich in der Familie ein Machertum an die Spitze gestellt,
das unausstehlich ist. Vielleicht kennst du die "Grande Ecoles" in
Frankreich, dort wird das Machertum gerade gelehrt. Mit
Fortschrittsdenken kombiniert bin ich dann wieder bei der Sottise des
Villiers: Einige wohnten in der nach ihm benannten Straße, und kannten
ihn nicht, kennen ihn immer noch nicht.
... Verstand und Vernunft den realen Alltag der
Lebenswelt zu
bewältigen weiß.
Das genügt eben nicht, ich bin ein wenig strenger als du.
Und (meinerseits abschließend) noch einmal zum
Konstruktivismus:
/jh: "Wenn ich ja sage, darf ich fragen, wo denn der "normale"
Konstruktivismus aufhört, und der radikale Konstruktivismus anfängt.
Oder ich kann den Gehalt der sechs Kriterien des Konstruktivismus in
https://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivismus_(Philosophie) und der
vier Kriterien des r. K. in
https://de.wikipedia.org/wiki/Radikaler_Konstruktivismus prüfen, und
dann dazu streiten, korrekt streiten. Ich will wirklich nichts von
oben herab gesagt haben. Jedoch Punkt für Punkt bearbeiten wäre was.
Oder eben die Punkte anders besprechen. Das ist hier vermutlich nicht
möglich, aber ich sage trotzdem diese Möglichkeit. Hoffentlich habe
ich jetzt niemandem auf die Füße getreten."/
Damit trittst Du keinem auf die Füße, denn darüber "korrekt zu
streiten" ist schlichtweg und definitiv hier nicht möglich!
Warum nicht?
Ernst gemeint:
Dem Denken steht oft das Schubladendenken im Weg.
Warum wird die Schublade des
radikalen Konstruktivismus, des radikalen
Konstruktivisten überhaupt geöffnet? Um ihn hinein zu legen? Geht es
wirklich darum?
Descartes als Problem-Aufteiler
würde dem ganz sicher widersprechen und
folgendem:
...und somit sollte man diese seltsame "Konstruktion" eben auch in der
(wie immer benannten) Schublade belassen.
Auch Descartes hatte übrigens eine seltsame "Konstruktion", und viele
andere. Ich sehe keinen Mehrwert, das Wort Konstruktion zu verwenden,
ich denke bei diesem Wort eher: Was soll das? Was ist da konstruiert,
wer konstruiert da? Denn der Geist in der Maschine, an den glaubt doch
kein Tier mehr, wie könnte er überhaupt etwas konstruieren? Also das
Wort trägt gibt ein Problem zu denken. Wenn ich es verwenden würde,
könnte ich es genauso auf ziemlich alles anwenden, dann ist
systematischer Gottesglaube ein Konstruktivismus, Mathematik, weil da
viel konstruiert wird, Ingenieurkunst. Also als überall anwendbares Wort
könnte es den Typus Universalargument haben, und damit wertlos sein. Und
deswegen habe ich auf die Fragen hingewiesen, um weg zu kommen vom Wort.
Aber dann kann nicht mehr "gespielt" werden, der Ernst scheint nicht
ausgehalten zu werden. Hoffentlich bin ich für dich jetzt nicht
Weltuntergangsdenker, wenn ich auf den Ernst hinweise. Spiel ja, aber
möglichst vor der Arbeit! Die bekannte rhetorische Figur: Wenn der
andere ernst ist, lache ihn aus, und wenn er lacht, ermahne ihn und
sage, dass er sich schämen sollte. So auch mit den Schubladen:
Gottesglaube - Geisterglaube oder vs.-Guruglaube oder gar Anbeter von
Tieren. Mit den Wörtern Ideologie, Konstruktivismus, Kommunismus,
Kapitalismus, Mitu, Menschenrecht, Kommunikation hast du weitere
Schubladen, in die du deine Gegner reinlegen kannst, insbesondere wenn
du dich in die schönere Schublade legst. Und wenn du dann mitmachen
kannst, bist du ein guter Diskutant. Hoffentlich lachst du auch mal.
Dann bleibe ich ernst und sage: Mich interessieren nur die Fragen und
die Antworten darauf.
Joseph