Am 10.08.25 um 12:00 schrieb Rat Frag über PhilWeb:
einiges in Bezug auf Empirie, auch in Bezug auf Empirie vs. Ratio.
Hierbei trat die Frage auf, ob das was sich ständig wiederholt, sich
immer wiederholen muss. Das Wort "ständig", von mir unbedacht
geschrieben, zeigt auf das Problem hin: Ist ständig dasselbe wie
"immer"? Genügt auch das "oft"? Wie ist es mit dem "muss"?
Auch die Gerichte urteilen angeblich nicht nach Wahrscheinlichkeit, sie
betonen ihre Wendung "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit"
als Stütze für ihre Urteile.
Das Denken der Empirie genügt nicht. Wenn eine Sache gesehen, gehört,
gespürt usw. wird, erhöht das die Wahrscheinlichkeit der Annahme, dass
sie vorliegt. Es müssen also verschiedene Quellen vorhanden sein.
Zudem muss die Sache zum Wort "subjektiv" immer mitgedacht werden. Denn
eine Sache liegt einer anderen vor, etwa einer Person. Wenn demnach ein
Betrachter Personen vor sich hat, von denen viele oder alle dieselbe
Sache denken können, dann erhöht das die Wahrscheinlichkeit bei ihm,
dass sie alle richtig die Adäquation der Wahrheit praktizieren. Bei
einer Theorie im wissenschaftlichen Sinn ist die Wahrheit "höher"
vorhanden, jedoch nicht, weil sie außerhalb der Empirie gedacht wird
oder von Personen "nur" konstruiert wurde, oder weil sie "schön"
anzusehen ist. Umgekehrt kann der Mangel an Empirie etwa dem Immanuel
Kant vorgeworfen werden, der "die Vernunft" mit höchsten geistigen
Kräften als sicher zu beschreiben versuchte, wobei die anderen Instanzen
zu kurz kamen.
Am Di., 11. Feb. 2025 um 20:37 Uhr schrieb Joseph Hipp
über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
(c) Vaihingerfiktionen. Dies sind unsichere
Sachen, mit Wörtern oder Sätzen als Annahmen gedacht, die aber
nicht bewiesen werden brauchen, können, und trotzdem gebraucht werden. Sie sind so wie
ein Katalysator, der
nach der Reaktion nicht mehr gebraucht wird. So etwa die Willensfreiheit für Gerichte,
die ihre
Bestrafung nicht ohne diese Vaihingerfiktion fertig bringen.
Katalysatoren sind
chemische Stoffe, die an einer Reaktion teilnehmen,
aber nicht ins Ergebnis eingehen.
Sie können beschleunigend, hemmend oder ermöglichend wirken.
Frage:
Ist die Existenz von Atomen eine Vaihingerfiktion?
Es muss sofort aus dem Denken getilgt werden, das Wort "Fiktion" bei
Vaihinger mit demjenigen aus dem Bereich der "science fiction" zu
verbinden. Für Vaihinger waren "seine" Fiktionen keine
Phantasieprodukte, sondern wertvolle Sachen. .
Den Katalysator kannte Vaihinger, und mit Atomen beschäftigte er sich
oft, auf Seite 74 schreibt er:
Dass auch das Atom eine Fiktion sei, in jeglicher Gestalt, anti-
zipieren wir, um einen wichtigen Gedanken hier schon aussprechen
zu können: die Reduktion alles Geschehenden auf Atombewegungen
im Räume, das Ziel aller Wissenschaft, ist faktisch das Bestreben,
alles Geschehen und Sein auf Vorstellungsgebäude zu reduzieren,
welche rein fiktiver Natur sind.
https://dn790009.ca.archive.org/0/items/DiePhilosophieDesAlsOb/HansVaihinge…
und auf Seite 104 unten, als Abschluss des Kapitels 15 "Das Atom als
Fiktion" zusammenfassend:
"Das Atom ist also eine der wichtigsten Fiktionen oder eigentlich
die Haupt- und Grundfiktion der mathematischen Physik, ohne
welche eine feinere und höhere Ausbildung dieser Wissenschaft
ganz unmöglich ist. Wir bemerkten, dass die Atomfiktion der
der Differentiale in der höheren Mathematik entspreche: dieser
Parallelismus zwischen Mathematik und Physik macht sich auch
sonst sehr lebhaft bemerkbar; natürlich: die mathematische Physik
ist ja eine Anwendung der Mathematik."
Das ist also die Antwort von Vaihinger auf die Frage. Die Sache, die mit
dem Wort "Atom" gedacht werden soll, kann vermutlich sowohl als Fiktion
als auch als Annahme gedacht werden. Fiktion, wenn die Sache nur in
einem zeitlich begrenzten Denkabschnitt vorkommt, um eine andere Sache
zu beweisen, und sie dann aus der Rechnung herausfallen kann. Annahme,
wenn die Sache ständig als existent behauptet wird. So gesehen geht
Fiktion in Annahme über. Hier sehe ich eine Analogie zu den
Sonntagsgottesanbetern: sie gehen gestärkt durch Gott als Fiktion nach
der Messe nach Hause, weder die Fiktion noch die Annahme begleiten sie
kurz nach der Messe und die ganze Woche. Hoffentlich habe ich das
Streitpotenzial jetzt nicht geweckt, denn Philweb hat ein hohes
Interesse an Geistsachen.
JH