Oh ja, lieber Karl,
ich lese weiter eifrig mit, war aber gerade mit dem Verfassen eines Aufsatzes zum
biopsychosozialen Modell befasst, und konnte daher nicht…..
In diesem Aufsatz gehe ich auf den Form-Aspekt ein, der von Dir hier auch angesprochen
wird - der Einfachheit halber schicke ich die entsprechenden Kapitel hier gleich mit - die
etwas verschraubte Sprache bitte ich zuu entschuldigen - ich habe jetzt 8 Jahre nur auf
englisch publiziert, und muss mich regelrecht wieder darin üben, die Geschmeidigkeit der
deutschen Sprache zu nutzen.
Liebe Grüße in die Runde und an Dich,
Thomas
Subjekt und Objekt
Die Subjekt- und die Objekt-Ebene sind also, was Zeit, Raum und Energetisierung angeht
ganz unterschiedlich strukturiert. Im Eigenfall werden Raum- und Zeitcharakteristika
ebenso wie die Energetisierung individuell mitgeschöpft, im Allgemeinfall dagegen werden
zumindest Raum und Zeit als von außen bedingungs- und unterschiedslos vorgegeben
angenommen. Sie sind dann als von außen bedingungslos gegebenes raumzeitlich-energetisches
Kontinuum zur Stelle, im anderen, dem Eigenfall muss, wie gesagt, das je eigene Zeiten und
Räumen mitsamt der Schöpfungsenergie in je eigener Kraft und Strukturierung mitgeschöpft
und mit aufgebracht werden.
Diese raumzeitliche Individualisierung von jeweiligem Zusammenhängen verlangt also nach
einem ins Jeweilige aufgelösten, zu Jeweiligem machenden, verschieden-besondere Eigenheit
anerkennenden Weltbild, einem Weltbild, das demjenigen beigesellt ist, das sich ergibt,
wenn man vom je Eigenen zu Gunsten des mit anderen, dann nicht mehr zwingend Eigenen,
sondern Mehrfachen Geteilten absieht. Die dem Nicht-Eigenen alias Allgemeinen gewidmeten
Kategorien sind somit grundsätzlich von außen vorgegeben. Das in ihnen mitgedachte Konzept
des binnen-homogenen Raumes und der vermeintlich von selbst ununterbrochen und für alles
und jedes voranschreitenden Zeit ist auf Grund seiner Struktur nicht imstande, genuin
Eigenes in seiner Verschiedenheit zu greifen und zu begreifen – es erreicht es einfach
nicht mehr. Seine Kategorien sind für das Allgemeine, mit vielen Geteilte gemacht, und
nicht für das Einmalige, Besondere.
Eine skurrile Auffassung von Raum und Zeit
Dieser Befund mag befremdend sein. Er lässt sich aber leicht im Alltag umsetzen, wenn man
jeder üblichen angewandten Außenperspektive eine zu unterstellende Innenperspektive
beigesellt. Dem Blick auf den Zusammenhang und das Zusammenhängende von außen wird mit
gleichem Recht der Blick vom Innen dieses Zusammenhängenden hinzugefügt. Der Blick vom
Innen eines Zusammenhängenden ist dann einer aus einem bestimmten, eigenen Ort, und aus
einem bestimmten, eigenen Augenblick. Er ist getrieben von einer bestimmten, eigenen
Kraft, und er gehorcht einer bestimmten, im Eigenen wurzelnden Geometrie, nämlich der des
Horizonts: Denn was um ein gedachtes Innen liegt, liegt dort nicht rechtwinklig als
orthogonales Gitter und Ensemble. Es umgibt stattdessen das Eigene als gekrümmter Raum,
als gekrümmte, zentrierte Zeit, es ist dessen Sphäre, sein rings um es gelegter Kontext.
Diese Geometrie ist zentriert, und mit ihrem Zentrum gibt sie den Ausgangspunkt und
Gesichtspunkt ihrer jeweiligen Perspektive an. Auch die Energie entströmt einer Quelle,
wie oben beschrieben, und ergießt sich nicht rechtwinklig, sondern gemäß der kreis- und
kugelförmigen Geometrie.
Geometrie wird hier durch Kursivschrift in Anführungszeichen gesetzt, weil wir es im Fall
der Innenräume und Innenzeiten ja nicht mit einem von außen vorgesetzten, als
allgemeingültig angenommenen geometrischen Kontinuum zu tun haben, sondern stattdessen
Räumen und Zeiten in jeweils eigenes und verschiedenes Räumen und Zeiten gegliedert ist.
Jenseits dieser je selbst erzeugten Eigenräume und Eigenzeiten sind andere solche selbst
erzeugte Eigenräume und Eigenzeiten. Sie können mit dem eigenen Vorgehen in stimmigen
Kontakt treten, oder sind sinngemäß für das Eigene inexistent. „Der Raum“ und „die Zeit“
sind dann nicht nur leer, es gibt sie einfach nicht, schon gar nicht von selbst und
automatisch. Raum und Zeit im herkömmlichen Sinn lösen sich in Eigenräume und Eigenzeiten
auf, jeweilige Vergemeinschaftungen zu geteilten Räumen und Zeiten müssen kommunikativ
erstellt werden und sind nicht einfach und schon im Voraus gegeben. Der Kommunikation
wiederum müssen je eigene Zeit, Stoff und Raum sowie Eigen-Energie gewidmet werden, um sie
wirksam und wirklich werden zu lassen. Alles hängt hier von den beteiligten Eigenen ab,
nichts gibt es umsonst, von selbst, und automatisch.
Zwei Welten
Die Schwierigkeit, ein biopsychosoziales Modell der Medizin zu entwickeln liegt also
darin, dass es buchstäblich zwei unterschiedliche Welten sind, die hier zusammen und
miteinander in Verbindung gebracht werden müssen. Zum einen die gewohnte, in der ein auch
als leer gedachter Raum und eine äußerliche Zeitdimension als scheinbare, hypothetische
Kontinua von außen vorgegeben sind, und zum anderen, und zugleich eine Welt, die
verschiedenen Wurzeln entspringt und in der Raum und Zeit - je einzeln und besonders –
mitgeschöpft werden. Erst das das verschieden Eigene übergreifende Zusammenhängen erzeugt
dann einen geteilten, gemeinsam genutzten, insofern erweiterten Eigenraum; dies geschieht
in einer geteilten, insoweit erweiterten Eigenzeit, die, ebenso wie der Eigenraum im
einzelnen Austausch individuell erstellt wird.
Für dieses Erstellen und Erzeugen nun ist ein gegliederter, strukturierter und
strukturierender, je im Eigenen begründeter Austausch nötig. Die entsprechende
Kommunikation überträgt Wissen um das je Eigene auf ein anderes, verschieden Eigenes so,
dass dieses das Wissen ins eigene Tun aufnehmen, es sich zu eigen machen kann. Fremde Form
und fremdes Formen werden als Information in die eigene Form und das eigene Formen
integriert, das jeweilige Innen macht sich das Wissen um das andere Innen zu eigen. Beide
Innen, indem sie vom anderen etwas in sich aufgenommen haben bilden dann ein gemeinsames
Innen, ein zumindest zeitweiliges Zusammengehen, das das je Eigene erfolgreich und stimmig
gemeinsam fortschreibt. Das Informieren gelang.
Die Welt, die aus solchen Kooperationen entsteht und besteht, ist also die des
Zusammenklangs, ein Kosmos aus kooperierenden Welten. Dem vermeintlich bereits als homogen
gegebenen Kosmos der metrischen, in allgemeine Begriffe gefassten Welt liegt dieser Kosmos
der vielen Welten zu Grunde. In ihm entsteht die Binnen-Homogenität der jeweiligen Welten
erst durch erfolgreich einigende Kommunikation. Der in der Biologie und deren
Grundwissenschaften, der Chemie und Physik beschriebenen subjektfreien Gegenstandswelt
liegen somit Subjektwelten zu Grunde, deren jeweilige Einheit im Kontext anderer Welten
erst erstellt werden muss.
Was die Geltung der zergliedernden, beschreibenden und messenden Zugangsweise angeht, so
wird diese nicht bestritten. Es wird verdeutlicht, dass sie von der Gültigkeit der Annahme
eines Allem vorgegebenen Außenraums und einer Allem vorgegebenen Außenzeit ausgeht,
während die Welt-Konzeption der verschieden eigenen Welten diese Annahme nicht nutzt. Sie
nimmt stattdessen an, dass jeweilige Kohärenz erst durch Arbeit, Kommunikation und
Hereinnahme von Einigungs-tauglichen Aspekten des je anders Zusammenhängenden geformt
werden muss. Nachweisliches Zusammenhängen steht somit unter Bedingungen und ist nicht
selbstverständlich. Diesem Konzept entspricht der Blick vom Innen einer Kohärenz auf das,
was noch zu tun ist, bevor ein zeitweises Zusammengehen mit einer anderen Kohärenz möglich
wird. Der Blick vom außen aller als bereits gegeben angesehenen Kohärenzen sieht auch
deren stimmiges Zusammengehen als bedingungslos gegeben an, er neigt daher dazu, die
formende, informierende Arbeit, die vor einem Zusammenschluss zu größeren Einheiten zu
leisten ist zu übersehen, oder sie zumindest nicht zu thematisieren.
Das ist ein legitimer und durch Erfolg bestätigter pragmatischer Ansatz, der
Zusammenhängendes als zusammenhängend hinnimmt, ohne Fragen zu stellen. Der höher
auflösende Ansatz stellt sich die Frage nach den Bedingungen jeweils erzeugten
Zusammenhängens und jeweils erreichter Einheit; er ist der, der – um es pathetisch
auszudrücken – dem Geheimnis erfolgreicher, der Einigung vorausgehender oder mit ihr
einhergehender Kommunikation auf die Schliche zu kommen versucht. Wir können daher sagen,
dass der Subjekt-orientierte Ansatz der Kommunikations- und Informations-orientierte ist,
wenn mit Information Einformung gemeint ist. Die objektivierende, vergegenständlichende
Zugangsweise nimmt dagegen in sich zusammenhängendes Sein, etwa als Gegenstand und aus dem
Zusammenhang gelöstes Ding zunächst hin, ohne die Gründe und die Qualität von dessen
In-sich-und-mit-anderem Zusammenhängen weiter zu hinterfragen.
Am 26.04.2022 um 15:38 schrieb Karl Janssen via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
[Philweb]
Mir kommt eben in den Sinn, ob Thomas - abseits von „Sternenstaub“ - etwas zu diesem
Themenkomplex beitragen möchte. Bist Du denn, Thomas, noch online auf diesem „Kanal“ ?
Beste Grüße! - Karl
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Am 26.04.2022 um 13:46 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Die Brücke zu biochemischer Formgebung vermag ich nicht zu schlagen. Biologie ist ein
„blinder Fleck“ in meinen Erfahrungsmustern.
Soweit dieser Zusatz zu unten stehender Ausführung. Vielleicht findet sich in diesem
Forum eine diesbezüglich bewanderte Person und könnte somit weiteren Aufschluss geben.
Beste Grüße! - Karl
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> Am 26.04.2022 um 13:35 schrieb Karl Janssen <janssen.kja(a)online.de>de>:
>
> In Ergänzung zu meiner Antwort auf Deine Frage, Waldemar, wie sich Materie
(Planckpunkte) formt, möchte ich kurz (da ich z. Zt. nur sehr eingeschränkt online bin)
einen anderen Aspekt als den eher philosophischen (Platos Ideen, Aristoteles‘ Zwecklehre)
einbringen.
>
> Hinsichtlich meiner Überzeugung (its all about information) und meiner
diesbezüglichen Vorstellung von „Informationsfeldern“ d.h. informationstragenden Feldern
(man kann hier auch an Sheldrakes Morpho-Felder denken) gerät damit die eigentlich
granulare raumzeitliche Struktur von Materie in den Hintergrund.
>
> Begibt man sich gedanklich jedoch in den Bereich der Mikrowelt, zumindest auf
Molekülebene, könnte man dem Problem irrig intuitiver Vorstellung, dass Raum resp. Volumen
eine fundamentale Grösse der Physik ist, dadurch begegnen, indem man Bekensteins Methode
bzgl. Volumeninformation schwarzer Löcher in Betracht zieht:
>
> Hätte man nach üblicher Schulmethode das Aufnahme-Volumen einer Badewanne zu
berechnen, würde man es zunächst mit vorgegebenem Formelwerk der Geometrie
bewerkstelligen. Wer nun mit derlei Rechnerei nicht zurecht kommt, könnte ebenso die
Wanne mit hinreichend kleinen Kügelchen ihm bekannter Grösse in die Wanne geben und eine
Strichliste führen, wo er deren Zahl vermerkt. Diese Liste ist also Träger der
Information, welches Volumen die Wanne bietet. Nebenbei: Maxwells Dämon braucht keine
Liste führen, er hat alles „im Kopf“. Er könnte auch eine Gestalt beliebiger Form als
Summe hinreichend kleiner Kreise (Planckpunkte) darstellen und diese - kraft seiner
Allwissenheit - wieder auf „Sternenstaub“ zurückführen. Wo kein Maxwellscher Dämon
herrscht, muss man geduldig warten, bis die Rückführung aller Formen einer Lebenswelt zu
„Sternenstaub“ durch den Prozess zunehmender Entropie erledigt sein wird.
>
> Für alle anderen Wesenheiten also bietet die schiere Zahl (Strichliste) als
quantitatives Mass der Kapazität eines Volumens resp. Raumes keine Information über eine
Form.
>
> Es zeigt sich somit, dass zur ganzheitlichen Wahrnehmung der Lebenswelt nicht die
isolierte Betrachtung von Raum-Dimensionen und Zeitdimension maßgeblich sein kann
(obgleich vom Gehirn nur als solche erfolgend), sondern die von Raumzeit und es damit um
jeweilige (Form-)Veränderung in der Zeit geht.
>
> Veränderung geht mit Wechselwirkung (Dein Dogma, Waldemar!), mit Ereignis, mit
prozesshaftem Geschehen schlechthin einher und nicht mit jeweiligem Wechsel eines statisch
ortsgebundenen Zustands. Dennoch bleibt auch hier die Frage nach individueller
Formgestaltung in Raumzeit(en).
>
> Hier kommt für mich die (bereits mehrfach erwähnte) Causal Set Theorie ins Spiel.
Form ist definitiv mit Geometrie verbunden und in diesem Fall ist es die
Lorentz-Geometrie. Sie ist mathematische Basis der ART (Allgemeine Relativitätstheorie)
und damit lassen sich Eigenschaften von Lorentzschen Mannigfaltigkeiten (sind das Deine
Eigenschaftensummen, Waldemar?) kausal in einem Konfigurationsraum resp. „Beobachterfeld“
verknüpfen und damit das „Geschwindigkeitsfeld“ des Materieinhalts des betrachteten
Raumzeitsegments darstellen.
>
> Raumzeit - als die Menge aller Orts-Zeit-Punkte von Ereignissen - wird modelliert
durch vierdimensionale Lorentz-Mannigfaltigkeit.
>
> Die allgemein ausgedrückte Einsteingleichung von Raumzeit(en) zeigt den Zusammenhang
von Krümmungsausdruck = Energie-Impuls-Tensor mit lichtartigen Weltlinien masseloser
Teilchen (wie Photonen) sowie mit zeitartigen Weltlinien massebehafteter Teilchen.
>
> Geometrisch, somit formgebend bzw. formbestimmend, ergibt sich für ein Beobachterfeld
eine Zeitorientierung, die sich physikalisch als Rotation, Scherung und Ausdehnung
(permanent - wenngleich bisweilen minimalste - räumliche Veränderung von Form in der Zeit)
des betrachteten Raumzeitmodells ausdrückt resp. interpretieren lässt.
>
> Der hier auch (separat) diskutierte Zeitbegriff findet seinen diesbezüglichen
Ausdruck im gerichteten Lichtkegel (Vergangenheit <- Gegenwart -> Zukunft), worin
sich Gegenwart eines „Beobachters“ im Verengungspunkt (im Minimum wohl ein Planckpunkt)
dieses Kegels als Hyperfläche aufspannt.
>
> Soweit für den Augenblick. Etwas mühsam derzeit für mich, von unterwegs auf diesem
Mobilteil zu tippen. Lesen ist einfacher und so warte ich auf Antworten, die mir zeigen,
inwieweit meine Vorstellung bzgl. der hiermit erörterten Thematik in die Nähe von
allgemeiner Gültigkeit kommt.
>
> Beste Grüße! - Karl
>
>
> transmitted from iPad-Client
>
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