Nun, wie schon gesagt, haben wir hier in philweb einen sehr erfreulich
regen Austausch. Da ballt sich inzwischen eine Menge von Argumentation
zusammen (notwendigerweise aus verschiedensten Blickwinkeln), die auf
Anhieb gar nicht so leicht zu entflechten ist. So fasse ich hier einfach
mal ein paar angeschnittene Punkte zum Thema zusammen und versuche eine
Antwort darauf zu geben bzw. will ich mich dazu äußern.
Vielleicht zunächst zu den notwendigerweise unterschiedlichen
Sichtweisen in der jeweiligen Argumentation:
Papst Benedikt (nicht erschrecken, ihr lieben Religiophoben!) sagte bei
einer in Latein abgefassten Antrittsrede (denn seine Amtsgenossen
sollten ihn ja weltweit verstehen können) sinngemäß etwa: Controversia
est populus vivere [...]
Lebensspraktisch (was ja nicht seine Stärke war) habe ich es mir so
übersetzt und eingeprägt: Die Menschen müssen notwendigerweise im Disput
leben, da jeder einzelne von einem anderen Standort aus die Welt sieht.
So ist der Disput quasi vorprogrammiert: Zwei stehen in einer hellen
Mondnacht unweit voneinander entfernt. Einer der beiden hat freie Sicht
auf den Mond, hingegen der Zweite diesen , hinter einem Baum stehend,
nicht sehen kann und er deshalb die Existenz desselben vehement leugnet;
er sieht den Mond nicht – also gibt’s diesen nicht.
Wh_ ich weiß ja, dass es im bereich metaphysik keinerlei harte beweise
geben kann, aber ich möchte erklärt haben, dass und WIE es bei "seele",
"kosmischem bewusstsein" usw. um dinge geht,die wenigstens ein minimum
an wahrscheinlichkeit haben, zu existieren ...
Meiner Meinung nach gibt es aber (wie schon gesagt) keine Erklärung (in
streng naturwissenschaflicher Diktion) für Seele, Geist, (kollektives)
Bewusstsein etc., da es trotz unzähliger Erklärungsversuche bzw.
religiös dogmatischer Festsetzung oder apologetisch theologischer
Diktion letztlich und einzig von persönlichem Erleben/Erspüren abhängt,
ob man zuinnerst für derartige Begrifflichkeit zugänglich ist. Ein (wie
auch immer) überzeugter Atheist/Materialist wird aus seiner Perspektive
schlichtweg keinen Zugang zu metaphysischen Phänomenen finden. Womöglich
drückt sich das auch in Kants Annahme aus, dass der Mensch die von ihm
erlebte Natur nur durch subjektive Anschauung wahrnimmt, deren wirkliche
Seinsform ihm jedoch unzugänglich bleibt.
Das bedeutet also für Dich Waldemar, dass die von Dir geforderte
Erklärung von keinem anderen als von Dir selbst gegeben werden kann. Und
wenn ich Deine von Dir geschilderte Weltsicht zugrunde lege, bin ich
überzeugt, wirst Du solange keine Erklärung haben, bis Dir ggf.
irgendwelche radikal veränderten Lebensumstände einen
Perspektivenwechsel aufzwingen. Wie ich hier kürzlich geschrieben habe,
sollten die (notwendig und sinnvollerweise) unterschiedlichen
Sichtweisen auf die Welt kein Problem sein, sofern nicht versucht wird,
diese dogmatisch zu vergesellschaften. Du lebst offenbar vorzüglich in
Deiner WW-Welt, deren Beschreibung mir (und sicher vielen anderen hier
auch) wertvolle Kenntnisse dieser Zusammenhänge vermitteln. Meine Welt
ist auch die der Wechselwirkungen, nur eben sind mir die
autonom-elementar ablaufenden WW-Prozesse meiner Körperlichkeit
lediglich nachrangig bedeutsam, allenfalls ich auf ein intaktes
Immunsystem hoffe. Wirklich bedeutsam sind mir ein ganzheitliches, immer
wieder den “Altgoldglanz” wahrnemendes Welterleben (wie von Dir so schön
beschrieben). Und zudem: Ein seelenloser, auf “Kappes und Kartoffeln”
reduzierter Molekularhaufen sein zu sollen, ist mir zu armselig.
Vielleicht solltest Du doch auch mal wieder Nietzsche lesen :-))
Nun grade hier noch zu einer Frage von Dir Claus, die (zwar in diesem
Kontext) schon etwas zurückliegt:
cz: Ich vermute, bei Buber geht es darum, welche Gestalt man durch die
Begegnung mit anderen Menschen annimmt. Mir ging es darum, wie man
überhaupt zu einer Gestalt wird.
Du meintest also die pure Körperlichkeit des Individuums als ICH,
während ich auf die psychische Identität des ICH an Bubers „Der Mensch
wird am Du zum ICH“ anlehnte; Soweit ich diese Darlegung verstehe, würde
der Mensch in der zwischenmenschlichen „ICH-DU“-Beziehung zum
eigentlichen ICH finden/werden.
Cz: Kann sich schon der Fötus im Mutterleib so sehen?
Offen gestanden, ich weiß es nicht; sollte also beim nächsten Mal
(wieder in einem Mutterleib) darauf achten und es mir dann aber auch
über die postnatale Lebensphase hinaus bis zum Spracherwerb merken
(falls mich dann einer fragt) :-))
cz: Da pocht etwas, die Geräuschkulisse verändert sich, Geschaukel
findetstatt. Kann es diese Erfahrungen jemandem zuordnen? Wem denn? Wer
ist denn da? Kennt es durch Erfahrung etwas anderes als
Geräusche,Geschaukel und Ähnliches?
Allein an diesen Fragen sieht man, wie wenig wir noch über dieses
Geschehen wissen. Allerdings erhebt sich damit wiederum die Frage, ob
wir das (zu unserem Glück) wissen müssen.
Nun nochmal ein Sprung zu Waldemar:
wh: wer heute noch daran glaubt, die erde sei eine scheibe, und sei es
aus kulturellen gründen, aus gründen der überlieferung, oder aus
tradition, der darf das zwar glauben,wir leben schließlich in einem
freien land, meinungsfreiheit usw, aber es ist auch und ebenfalls dann
durchaus opportun, ihn als trottel, dummkopf, oder ähnlich zu
bezeichnen, und dasselbe sehe ich für götter, seelen, astrologie,
homöopathie, usw, es sind, bei allem verständnis für traditionen,
prägungen, persönliche lebensumstände, usw. schlicht und ergreifend
mindestens dummköpfe, die heute noch sowas glauben können, dummköpfe
genau wie corona-leugner, impfgegner, schicksalgläubige, kreationisten, etc
Ja nun, was soll man dazu sagen?! Zumindest volle Zustimmung, dass
einige der genannten naiven Weltsichten nach wie vor weltweit verbreitet
und dabei höchst kritisch zu hinterfragen sind. Du wirfst jedoch in
Deiner Emotion reflexartig alles gegen Deine persönliche Überzeugungen
Stehende in einen Topf (ähnlich wie in der von Dir kürzlich hier geübten
vernichtenden Kritik an klerikalen Strukturen und Einrichtungen,
obgleich in weiten Teilen berechtigt). Also mit Verlaub, lieber
Waldemar: Das ist mir zu unspezifisch und gebärdet sich nahezu
(bezüglich Wortwahl und Furor) in gleichem Ausdruck, der dem von Dir
kritisierten Clientel (etwa Querdenkende oder Religions-Fanatiker) zu
eigen ist.
Nun nehme ich mir noch die Zeit und greife die Astrologie aus Deinem
„Paket“ heraus. Mit dieser habe ich mich vor Jahrzehnten intensiv
auseinander gesetzt und zwar ausgehend von absoluter Skepsis ihr
gegenüber. Zunächst allen Hokuspokus im Zusammenhang mit sog.
Stundenhoroskopen beiseite lassend, bringt die Vertiefung in diese
Materie interessante historische Details über die Ausübung dieser
„Wissenschaft“ in vorchristlichen Kulturen zutage. Auf die Jetztzeit
bezogen, haben mich diesbezüglich nicht irgendwelche
Sternenkonstellationen interessiert, sondern eher eine daraus ableitbare
Typisierung in Anlehnung an die vier Temperamente der Griechen
(Sanguiniker. Phlegmatiker usf.) oder die Typenlehre des Sufismus
(Enneagramm). Eine Aufmunterung zu weiterer Beschäftigung damit kam von
C.G. Jung, der (ebenso wegen seiner Affiniät zur A. angegriffen)
schlichtweg den Vergleich mit Weinkultur brachte: Jeder Wein erhält sein
spezifisches Charakteristikum durch Ort und Zeit des Anbaus und seiner
Ernte. Und wer nun leugnet, dass es einerlei sei, in Hamburg oder
München, im Winter oder Sommer geboren zu sein, versteht den
Zusammenhang dieser Thematik nicht. Davon abgesehen, dass mittlerweile
beliebige Hamburger in München und vice versa wohnen, bleibt doch die
eingeborene Charakteristik des jeweiligen „Landstrichs“ erhalten sowie
sich eben auch das „Sommerkind“ vom „Winterkind“ unterscheidet. So
stehen also die 12 Sternzeichen für eben 12 Zeitabschnitte im
Jahreskreis, denen man (zusammen mit dem Ortsbezug) eine
dementsprechende Charakteristik zuordnet. Wissenschaft ist das natürlich
aus unserer heutigen Sicht nicht, ebenso wenig Hokuspokus; dennoch aber
jene, die sich in hier beschriebener Weise damit beschäftigen als
„Trottel“ oder „mindestens Dummkopf“ zu bezeichnen, ist m.E. schlicht
unfair. Man sollte schon zugestehen, dass Menschen sich mit vielerlei
Interessensgebieten beschäftigen wollen und sich nicht nur als aus
„Kappes und Kartoffel“ bestehend, seelenlos-sinnfreie „Zombies“ sehen
wollen :-))
Bester Gruß in die Runde!- Karl