Am 16.12.2017 um 15:24 schrieb Rat Frag via Philweb:
[Philweb]
Am 11. Dezember 2017 um 10:01 schrieb Ingo Tessmann <tessmann(a)tu-harburg.de>
:
Doch was
nützt es mir, wenn ich im Recht bin und der Rest meiner
Gesellschaft mir nicht recht gibt?
Das unterscheidet halt Demokratie von
Wissenschaft und Du kannst nur auf
Toleranz und Minderheitenschutz hoffen.
*Wenn* wir davon ausgehen, dass es den Unterschied zwischen richtig und
falsch auch im Bereichen der Ethik usw. gibt, *dann* ist das nicht so. Es
mag die Mehrheit der gesellschaft fundamental andere Auffassungen
vertreten, am Ende kann die Wahrheit jederzeit gefunden werden und kommt
bei hinreichender Nachforschung ans Licht.
Da ist also überhaupt kein Unterschied mehr zu den Naturwissenschaften.
/it:
"meine Oma zitierte gerne den Spruch: "Der Mann, der das Wenn und
Aber erdacht, hätt’ sicher aus Häcksel Gold schon gemacht." /
Mit Ingo's lustigem Seitenhieb auf die Sinnlosigkeit von
Kontrafaktiziät scheint die Diskussion zum Thema in‘s Stocken zu geraten:
/
/
/Rat: „Doch was nützt es mir, wenn ich im Recht bin und der Rest meiner
Gesellschaft mir nicht recht gibt?“/
Wenn also von Regeln der Argumentation die Rede ist, so ergibt sich mit
dieser Frage das Problem, dass eine subjektiv deskriptive Aussage mit
dem Anspruch einer normativ ethischen Aussage formuliert wird.
//
/It : Das unterscheidet halt Demokratie von Wissenschaft und Du kannst
nur auf Toleranz und Minderheitenschutz hoffen.“/
/Rat: "*Wenn* wir davon ausgehen, dass es den Unterschied zwischen
richtig und falsch auch im Bereichen der Ethik usw. gibt, *dann* ist das
nicht so. Es mag die Mehrheit der gesellschaft fundamental andere
Auffassungen vertreten, am Ende kann die Wahrheit jederzeit gefunden
werden und kommt bei hinreichender Nachforschung ans Licht."/
Mit dieser Auffassung verhält es sich ähnlich, denke ich: Wenn Ethik als
ein oberstes Prinzip (Premisse mit hohem Allgemeinheitsgrad) anzunehmen
ist, kann es (dieses Prinzip betreffend) kein „richtig und falsch“ geben
(So ist obige Aussage vermutlich aber auch nicht intendiert).
/
/
/Rat: „Da ist also überhaupt kein Unterschied mehr zu den
Naturwissenschaften.“/
Auf den Kern gebracht, sollte es keinen Unterschied geben, dennoch gibt
es ihn:
In den Naturwissenschaften kann bei stringenter Anwendung von Regeln die
„Wahrheit“, also das Faktum innerhalb eines klar definierten
Wertebereichs ermittelt werden; im Unterschied zur gesellschaftlichen
Lebenspraxis, wo Wahrheitsfindung schon allein bei der Beurteilung von
Aussagen höchst problematisch ist. Natürlich gibt es den „wahren“
Sachverhalt, den real vollzogenen Tatbestand und oft kommt man ihm auf
die Spur. Aber eben nicht immer, trotz intensiver Nachforschung.
Offenbar liegt das Problem hierbei darin, dass deskriptive Aussagen
(empirisch erkannter Ist-Stand) ohne klar normativen Bezug (SOLL), also
normative Schlussfolgerungen, formuliert und (bedauerlicherweise)
oftmals oktroyiert werden (Religionen, Ideologien, Sozialutopien usf.).
Um typische (naturalistische) Fehlschlüssen zu vermeiden, bedarf es
einer strikt logischen Unterscheidung zwischen IST (z.B. gelebte Moral)
und SOLL (Wertekodex, man soll...), die aber offensichtlich in der
gesellschaftlichen Praxis kaum durchführbar ist. Moralische Appelle
gründen meist nicht auf dem Ideal streng deduktiven Argumentierens (also
bestenfalls aus einem obersten normativen Prinzip logisch erschlossen).
Es bleibt vermutlich eine „eschatologische Lücke“ zwischen
Wissenschaftstheorie und Ethik.
Nun möchte ich hier allen ein frohes Weihnachtsfest und gutes
Hinüberkommen in‘s Neue Jahr wünschen!
Bester Gruß!
Karl