Am 05.03.2022 um 14:30 schrieb Rat Frag via Philweb:
[Philweb]
Hallo,
vielleicht sollten wir die Liste ein bisschen wiederbeleben?
Ich dachte, dass wir vielleicht gemeinsam einen Text lesen und
besprechen könnten.
Als Text würde ich, aus gegebenen Anlass, eine Schrift von Kant
vorschlagen, "Zum Ewigen Frieden":
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zum_ewigen_Frieden&oldid=220…
Was denkt ihr?
Das Denken scheint blockiert angesichts der unfriedlichen Ereignisse
dieser Tage und so stellt sich die Frage, ob man augenblicklich
überhaupt ohne die Basis eines diesbezüglich klar zu umreißenden
Denkansatzes hier schreiben kann oder soll.
Den benannten Artikel habe ich bei wikip gelesen und denke, dass man die
Ansicht von Karl-Otto Apel teilen kann, dass Kants Friedensschrift
nichts an „weltgeschichtlicher Aktualität“ verloren hat. Liest man die
Hinweise zur Rezeption, erscheint Ernst-Otto Czempiels diesbezügliche
Einschätzung hinsichtlich der aktuellen politischen Geschichte als
tragischer Trugschluss:
„Die Demokratisierungsprozesse in Osteuropa und der GUS folgten genau
dem Kantischen Script: Die Demokratie breitet sich von selbst aus, weil
sie das Herrschaftssystem ist, das die gesellschaftlichen Anforderungen
nach wirtschaftlicher Wohlfahrt und herrschaftlicher Partizipation,
natürlich auch nach Frieden, optimal, wenn auch nicht maximal, erfüllt.“
Schlichter Trugschluss oder unrealistischer Wunschtraum; es bleibt ein
unerreichbares Ideal, allenfalls ein Appell an die Vernunft, der von den
einen beachtet und von den anderen missachtet wird. Letzteren ist es
gleichgültig, ob Kants Friedensschrift Grundlage für
Völkerrechtsordnungen ist. Es gilt – wie immer – das Recht des
Stärkeren, wobei nicht geistige sondern physische Stärke ausschlaggebend
ist. Alles diesbezüglich hehre Schriftgut verliert seine Wirkung, wenn
Ideologie (allem voran religiös oder völkisch motivierte) das
gesellschafts- und letztlich militärpolitische Denken und Handeln prägt.
Punkt!
Ob diese Lebenswelt nun durch drastische klimatische Veränderungen oder
durch nukleare Kriegsführung eine „bisher nie gekannte Erfahrung“
(Originalton) macht, bleibt sich im Grunde genommen gleich: Die
Geschichte von der Arche Noah wird Realität und wer auch immer auf
dieser letzte Zuflucht findet, wird zu einem Neuanfang gezwungen sein.
Aber auch dann wird sich – trotz einiger Ernüchterung – die Wesensart
des Menschen nicht schlagartig geändert haben bzw. nicht verändert sein.
So bliebe zumindest die Hoffnung auf eine „Weltregierung“, wie man sie
nach WK2 mit der Schaffung der UN umsetzen wollte.
Man sollte sich dann erinnern bzw. gelernt haben, dass ein weltweit
gesellschaftlicher Verbund als Vereinte Nationen nicht von wenigen
Staaten mit Vetorecht dominiert sein kann. Bleibt man beim Begriff der
Hoffnung, so ist zu hoffen, dass sich das Häuflein Menschen auf der
Arche darauf einigen wird, keiner einzigen Weltregion, keinem einzigen
Land eine militärische Ausrüstung zu erlauben. Einzig eine neu
geschaffene Weltregierung wird Militär (eigentlich ganz im Sinne
heutiger UN_Blauhelme) haben, das sich aus allen Regionen und
föderalistisch fungierenden Ländern der Welt konstituiert. Wo immer sich
dann ein Führender anschickt, Macht an sich zu reißen, wird dieses
Ansinnen im Keim erstickt. Garant dafür wird immer das mehrheitliche
Votum einer künftigen UN sein, kein Veto wird dies verhindern können.
Das war nun die Schilderung von drei Träumen. Welche davon Realität und
welche Wunsch sein werden, wir die Zeit zeigen.
Apropos Zeit! Darüber wollte ich eigentlich hier schreiben; doch – wie
gesagt – selbst darüber nachzudenken, das haben mir die Teufel dieser
Zeit gegenwärtig verleidet. Doch was ist schon Gegenwart!? Im Minimum
wohl 5.391247(60)10^-44 s, gefühlt könnte sie Stunden, Tage, Wochen
andauern. Eine Gegenwart voller Abscheu und voller Mitgefühl.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
Gruß
Der, wie immer, Ratfragende
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