Lieber Ingo,
herrlich, Deine Schilderung der Groß-Werke mit ihrem erschreckenden Seitenumfang! Das
Problem der „attuned“ Interaktion - gesehen in einer Prozess-Ontologie wird meines Wissens
bei Sloterdijk nicht systematisch angegangen, und bei Schmitz unter dem Terminus der
Einleibung nur auf menschliches Interagieren beschränkt. Gleichfalls nicht systematische
Anmerkungen dazu gibt es zum Begriff Resonanz - Hartmut Rosa.
Tatsächlich braucht man ein Konzept der adaptativen Annäherung semantischer Achsen - und
eine behelfsmäßige Veranschaulichung parallel und sequentiell kohärenten Prozessierens,
das durch Einschwingen imstande ist, mit anderem Vorgehen ein gemeinsames Vorgehen zu
verwirklichen.
Und hierzu haben wir das von Dir vorgeschlagene Bild des Wirbels genutzt, indem wir sagen,
ein Prozess winde sich spiralig um seine semantische Achse….
Es geht dann um dadurch gebildete semantische Volumina, die sich durch Konvergenz der
Achsen schließlich zu größeren Volumina vereinen können.
Den ganze Kram haben wir im dritten Teil der Trilogie unter dem Begriff semantic space
dargestellt.
Also, Kugel und Wirbel - das passt!
Viele Grüße,
Thomas
Am 20.01.2021 um 16:49 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 20.01.2021 um 08:22 schrieb Dr. Dr. Thomas
Fröhlich <dr.thomas.froehlich(a)t-online.de>de>:
Damit gibt es, - jetzt wird es schräg - auch keine „Einleibung“ (neue Phänomenologie,
Hermann Schmitz) in ein Innen, im Sinn nicht einer bloßen Addition, sondern einer
Wechselwirkungs-basierten Anpassung, Abstimmung, Konformationsänderung etc. Die
betrachteten Elemente bleiben unbewegt, das Innen wird nicht als Potential und Quelle
aufgefasst, es strömt nichts….
Die Sphären-Trilogie von Sloterdijk benennt immerhin Volumina statt Punkten, und bietet
eine Fülle von Stoff, aber eine stringente Systematik, z. B. wie es zur (in meinen Augen
richtig gesehenen) „Kugelförmigkeit" der gefüllten Volumina, zu einer zentrischen
Geometrie komme ist nicht das Ziel des Autors, insofern ist es ein Schritt in die richtige
Richtung, nur geht es halt nicht weiter….
Hi Thomas,
schon die über 2500 Seiten vagen Umfangs Sloterdijks haben mich verschreckt, wie sollte
es mir da mit dem mehr als 5000 Seiten umfassenden System der Philosophie Schmitzens
ergehen!? Das Schwelgen in (Atmos)phären, als Blase über Globen in Schäumen aufzugehen:
das scheint mir eher Literatur als Philosophie zu sein. Aber wie halten die beiden Autoren
es denn mit den Paaren? Sphärische Blasen und neuphänomenologische Leiber sind ja noch
„Monaden", reproduktionsfähig sind aber nur menschliche Dyaden (jedenfalls solange
die Parthenogenese noch keine wählbare Alternative für Frauen ist).
Die Kugelförmigkeit der Viren und Zellen, der Seifenblasen und Globen folgt ja
physikalisch der Energieminimierung und mathematisch der Symmetrie, wobei nach der von
Perelman bewiesenen Vermutung Poincares jede dreidimensionale glatte, kompakte
Mannigfaltigkeit ohne Rand einfach zusammenhängend, homöomorph zur 3-Sphäre ist. Insofern
ist die „Kugelförmigkeit“ naheliegend (zumal der Satz auch für andere Dimensionen gilt).
Ist die „Kugelförmigkeit“ damit nicht fast so zwingend wie der „Wirbel" im
Haarschopf, über den ich mich als Knirps häufig ärgerte - bis ich später erfuhr, dass er
gemäß „Igelsatz" mathematisch beweisbar, physikalisch notwendig und folglich
unvermeidlich ist. Punkte, Wirbel und Sphären gehören jedenfalls innig zusammen und böten
sich auch für eine an der Natur orientierten Philosophie an.
Es grüßt,
Ingo