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Am 02.12.2020 um 20:11 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am
02.12.2020 um 18:42 schrieb K. Janssen <janssen.kja(a)online.de>de>:
Wittgenstein hat einstmals (in den Phil. Unters.) angemerkt: "Wo unsere Sprache uns
einen Körper vermuten lässt, und kein Körper ist, dort, so möchten wir sagen, sei ein
Geist.“ Warum soll etwas sein wo nichts ist?
Wittgenstein (so hänge ich mich an
Dein Zitat, Ingo) hat damit doch nicht gesagt, dass ein "nichts" ist, wo kein
Körper ist! Sondern da "möchten wir sagen", es sei dort Geist.
So glaube ich zumindest, es dieser seiner Aussage entnehmen zu können.
Das ist doch genau unser Verständnisproblem untereinander: Wer grundsätzlich jenseits
(abseits, wie auch immer man das benennen mag) der Körperlichkeit ein "Nichts"
annimmt, bzw. davon überzeugt ist, der kann unmöglich verstehen, was Wittgenstein mit
dieser Aussage ausdrücken will. Soweit ich mich an seine Biographie erinnere, war er
gottgläubig und nur insoweit wird m.E. sein o. zititierter Satz verständlich.
Hi Karl,
Wittgenstein II gilt ja als „Umgangssprachler“ und genau das, was die Umgangssprache in
ihrer Vagheit nahelegt, vielfach von Dingen zu handeln, die es gar nicht gibt, wollte er
zustimmend zum Ausdruck bringen.
Das ist nun Deine Auslegung der von Dir zitierten Wittgensetein-Passage.
Umgangssprachler oder nicht, zunächst gilt er als eine in sich gespaltene Persönlichkeit:
einerseits Leben und Welt rigoros auf pure Logik reduzierend, andererseits eine
unverkennbare Hinwendung zur Mystik. Eines hat er mit Dir und mir gemeinsam: er kam über
die Technik (Maschinenbauingenieur) zur Philosophie (von Haus aus ein guter Weg :-))
Als Sprachlogiker (wenn ich das so nennen kann) war er sehr stringent in seinen Aussagen
und so glaube ich zu erkennen, dass er mit dem o. zitierten Satz (entgegen seiner eigenen
Prinzipien) eine für ihn ansonsten unübliche Satzfügung gewählt hat.
Die von Dir beschriebene umgangssprachlich bedingte Vagheit zeigt sich zweifach:
Wo wir nur vermuten es sei ein Körper (also vage Vermutung)
Dort aber kein Körper existiert,(einziges Faktum)
Dort möchte man sagen, sei ein Geist (Vermutung).
Ich kenne den Kontext des Satzes nicht und insoweit kann ich mich nicht auf eine
Interpretation fixieren.
Zudem ich nochmal betonen sollte, wie ich‘s in meiner Antwort auf Josephs Satzkritik schon
angemerkt habe: Für spitzfindige Satzanalyse oder gar „Wortglauberei“ fehlt mir das
Talent.
So liegt es mir näher, hinsichtlich Wittgensteins o.a . Satz, die mir eingängigeren
Aussagen in W. Tractatus herbeizuziehen.
„Die Welt ist alles, was der Fall ist“
„Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.“
Was also Sprache nur vermuten läßt, was demnach nicht der Fall ist, das kann kein Faktum
der Welt sein.
Wo kein Körper ist, ist keine Welt.
Wo keine Welt ist, (so möchte man sagen) dort sei Geist.
Das würde auf eine dualistische Deutung hinweisen: hier Welt dort Geist oder plump: hier
Welt dort „Himmel“.
Aber wie gesagt, diese Satzspiele sind nicht meine „Welt“. Für mich ist „Geist“ (nicht
Waldemars Geisterlein!) in der Welt und da ich ich eher mit Everetts Theorie der „vielen
Welten“ sympathisiere, ist Geist auch in diesen.
Doch was heißt überhaupt das Wort Geist? Wie undefiniert, wie vieldeutig es hinsichtlich
seiner Begrifflichkeit doch ist! Damit hatte auch Wittgenstein beliebige Probleme und wir
hier offensichtlich auch (bis zum Exzess).
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
Für mich ist das natürlich ein Stein des Anstoßes und
selbstredend ist mir die ironische Rede Ryles sympathischer. Der war ja auch
„Umgangssprachler“, ohne aber gläubig gewesen zu sein. Wobei Philosoph und Philosophie
nicht unbedingt konform gehen müssen.
Es grüßt,
Ingo