Am 31.05.2024 um 05:55 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Freiheit in den Geschlechterbeziehungen haben wir doch bereits mehr als hinreichend,
sog. binär, nonbinär, undefiniert etc. Was willst Du mit noch mehr Freiheit auf diesem
Gebiet?
Moin Karl,
solange Abtreibungen (§ 218), Inzest (§ 173) und Pornographie (§ 184) verboten sind, wird
die Freiheit in den Geschlechterbeziehungen unnötig eingeschränkt. Als ob Jugendliche an
Pornographie Schaden nehmen könnten. Es ist doch absurd, wenn in der Schule im
Geschichtsunterricht Kriegsfilme, aber in der Sexualkunde keine Pornofilme gezeigt werden
dürfen.
Klonen als Ausdruck von Freiheit in den
Reproduktionsverhältnissen heißt für mich, dass der Mensch sich nun anmaßt, in die seit
Millionen Jahren sich durch Evolution entwickelten und durchaus bewährten Menchanismen
einzugreifen. Das will gekonnt sein und eben dieses Vermögen spreche ich dem Menschen der
Jetztzeit ab. Damit will ich nicht sagen, dass Forschungen, wie sie beispielsweise in der
mRNA-Technik etwa zur Entwicklung von Impfstoff dienten, nicht sinnvoll sind. Die
Forschenden sollten nur sicher ihres Tuns sicher sein, inwieweit sie in entwickelte
Bio-Systeme eingreifen können und vor allem sollten. Du, der die Natur über alles stellt,
mutest hier dem Menschen diese eigentlich nicht zu verantwortenden Eingriffe zu?
Was soll diese Scheinheiligkeit? Menschen greifen seit Jahrhunderten in die äußere Natur
ein und werden sich dadurch womöglich noch selbst ausrotten. Aber wird deshalb der
Individualverkehr durch den Gemeinschaftsverkehr oder der Massenverzehr von Tieren durch
Pflanzenverzehr ersetzt? Beim Klonen geht es um die innere Natur und über die sollte
selbst bestimmt werden können. Säugetiere werden seit 1996 geklont. Welche medizinischen
Zusatzprobleme siehst Du denn beim Menschenklonen? In Gegensatz zu homozygoten Zwillingen
wären sie nicht gleichaltrig,— ja und?
Mehr Freiheit fordern, erfordert das Wissen darüber,
was sie eigentlich bedeutet. Was ist Freiheit? Ich hatte dazu vor Jahren hier eine Stelle
in den Apokyphen angeführt, wo Jesus am Sabbath einen arbeitenden Menschen antraf und
diesem zu Tode erschrocken „Sünder“ sagte: Wenn du genau weißt, was du tust, bist du
gesegnet, wenn du es nicht weißt, bist du verflucht.
Wirkliche Freiheit hat nur derjenige, der also genau weiß, was er tut. Alles andere ist
nichts anderes, als sich die Freiheit nehmen und mündet allenfalls in Versuch und Irrtum.
Letzter könnte in Bezug auf Klonen fatale Auswirkung haben.
Niemand weiß genau was er tut, es geht stets nur um mehr oder weniger wahrscheinliche
Abschätzungen der Folgen des Tuns. Anstatt auf Jesus beziehe ich mich lieber auf Sokrates;
denn an Wanderprediger orientiere ich mich nicht, wohl aber an Freunde der Weisheit: „Es
gehört noch mehr dazu, wirklich frei zu Handeln, als die bloße Einsicht in die
Bedingtheit allen menschlichen Tuns: Man muss mitdenken, wenn man etwas tut, gewissenhaft
sein. Der Gewissenhafte stellt sich handelnd die Frage danach, wer er selbst sein und in
was für einer Gemeinschaft bzw. Welt er leben will. Gradmesser dabei ist jeweils die
Möglichkeit der Entfaltung seiner selbst und aller anderen Menschen als selbstbestimmter
Personen in einer die Freiheit nachhaltig befördernden staatlichen Gemeinschaft.
Für Platon und Sokrates besteht sittliche Freiheit im vollendeten Wissen um das Beste,
wozu es einer Art „Messkunst der Seele“ bedarf. Damit haben wir zugleich die eigentliche
Bedeutung der Formel, dass Freiheit Einsicht in die Notwendigkeit ist, gewonnen: `Der
sittliche Mensch ist sich des Inhalts seines Tuns als eines Notwendigen, an und für sich
Gültigen bewusst und leidet dadurch so wenig Abbruch an seiner Freiheit, dass diese
vielmehr erst durch dieses Bewusstsein zur wirklichen und inhaltsvollen Freiheit wird, im
Unterschied von der Willkür als der noch inhaltslosen und bloß möglichen Freiheit’.“ Ein
Zitat aus Hegels Ezkl., § 158. Quelle: PHILOKLES Zeitschrift für populäre Philosophie,
Die Möglichkeit von Freiheit, Heft 1/2 2007, S. 28.
Sokrates folgte zeitlebens dem LOGOS, der sich ihm in der Untersuchung als der Beste
erwies. Und Hegel sah Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit. Beiden folge ich als
säkularer Ökoliberaler. Warum soll das die Naturnotwendigkeit variierende Klonen von
Tieren bei Menschen Probleme nach sich ziehen, die nicht gesellschaftlich lösbar wären?
Dir ist hoffentlich schon bekannt, dass Parthenogenese
im Fall diploider Keimbahnzellen keine Rekombination der Gene erfolgt und damit hast Du
also Deine Klone, damit ist Dein Anliegen, wie Dein Geschlecht aber dem Aussterben anheim
gefallen. Selten habe ich so eine wenig durchdachte Argumentation wahrgenommen! Kann
eigentlich nur Provokation sein, bei Deinem Wissen.
Dass bei der Parthenogenese Frauen sich nur noch selbst reproduzieren und es
verallgemeinert auf eine reine Frauengesellschaft hinausliefe, macht für mich gerade ihren
Reiz aus. Endlich gäbe es all das, was Männer sich, der Natur und den Frauen antun, nicht
mehr.
Wenn ich die
Kleinfamilie voraussetze, dann orientieren sich die Kinder hauptsächlich an den Eltern.
Wenn ich das Aktuell-Unendliche voraussetze, dann sind reelle Zahlen überabzählbar.
Diese Analogie übersteigt im Moment mein Vermögen, sie zu verstehen. Inwieweit sollten
Großfamilien irgendeinen Bezug auf das Aktual-Unendliche haben?
Zum zweiten Mal verweigerst Du Dich!? Ich hatte von einer Analogie zum mathematischen
Denken geschrieben, die Analogie also formal und nicht inhaltlich gemeint. Wieso siehst Du
das nicht? Es ging mir um die zweifelhafte Logik, um wünschenswertes Beweisen zu können,
bereits wünschenswertes vorauszusetzen.
Intuition als Möglichkeit, spontaner Eingebung, resp.
Einfühlung in nicht in Worte zu fassende „Secrets“ der Natur dieses Kosmos - meinst Du es
so? Dann wären wir diesbezüglich beieinander.
Mit dem Bezug auf die sich in die Erfahrung einfühlende Intuition hatte ich mich auf
Einstein bezogen und es auch in seinem Sinn gemeint. Der folgte bekanntlich einem
Lichtstrahl mit Lichtgeschwindigkeit oder sah einen Handwerker frei unendlich weit vom
Dach fallen. Seine Intuition folgte dabei seiner bereits weitgehend invarianten
Persönlichkeit. Und siehe da, sie funktionierte auch in der Natur.
IT