Lieber Ingo,
vielen Dank für Deine anregenden und sehr fördernden Anmerkungen! Mit der
Projektbezeichnung als „Universalmorphologie“ hast Du genau unser Ziel getroffen. Das
Konzept der DCPs ist tatsächlich das Kernstück unseres Ansatzes.
Eine Topologie können wir dabei nicht erstellen, weil wir in unserem bottom-up-Ansatz
keine vorgegebene, zunächst leere Zeit und keinen vorgegebenen, zunächst leeren Raum in
jeweiliger, gleichfalls vorgegebener Binnenkontinuität vorfinden / annehmen.
Dass sich diskrete Ereignisse zu Vorgangslinen verbinden, ergibt sich bei uns nicht von
selbst, z. B. so, wie sich Punkte umstandslos zu einer Linie zusammenführen lassen,
sondern ist an wechselseitige Passung gebunden, die wiederum ein
Aufeinander-Orientiert-Sein der beteiligten Ereignisse voraussetzt.
Wir haben daher auch keine Vektorräume, wie in Beschreibungen zum semantischen Raum
angenommen, und keine durchgängigen Binnenkontinuitäten in Form von Vektoren, wie von dem
von Dir erwähnten Renè Thom im Sinn von Vektorbündeln über Mannigfalitgkeiten
thematisiert.
Das „magere" Analog zu einer echten Topologie ist in der Arbeit unseres Ko-Autors,
des Physikers Bevier beschrieben:
https://www.researchgate.net/publication/270283044_Grundlagen_der_Informati…
<https://www.researchgate.net/publication/270283044_Grundlagen_der_Informationsmathematik_An_attempt_to_describe_information_in_a_mathematical_way_because_information_is_usually_characterized_pragmatically_via_message_and_message_transfer>
Whiteheads Ereignis-zentrierte Philosophie hilft hier auch nur ein Stück weiter, wobei es
interessante Gesichtspunkte und Parallelen gibt - siehe hierzu die Arbeiten von Spyridon
Koutroufinis, mit dem ich im Austausch stehe:
Selbstorganisation ohne Selbst. Irrtümer gegenwärtiger evolutionärer Systemtheorien. Eine
skeptische Begegnung mit I. Prigogine, H. Haken, M. Eigen, H. v. Förster, H. Maturana, F.
J. Varela und G. Roth. Pharus-Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-929223-28-7
<https://de.wikipedia.org/wiki/Spezial:ISBN-Suche/3929223287> (zugleich
Dissertation, HU Berlin 1994).
als Herausgeber: Prozesse des Lebendigen. Zur Aktualität der Naturphilosophie A. N.
Whiteheads (= Lebenswissenschaften im Dialog. Band 3). Karl Alber, Freiburg im
Breisgau/München 2007, ISBN 3-495-48277-6
<https://de.wikipedia.org/wiki/Spezial:ISBN-Suche/3495482776>.
Vor gefühlten 100 Jahren war ich an die Forschung von „dissipativen Strukturen“ am Rande
beteiligt, weil ich die Kinetik eines an Oszillationen beteiligten Enzyms ermittelt
hatte:
In a system of oscillating en-zyme activities, adenylate kinase would allow
thesemodulatory effects to occur over relatively large dis-tances through
diffusion of the effector AMPl11.1 Hess, B., Boiteux, A., Busse, H. G. &
Gerisch, G.(1975) in Membranes, Dissipative Structures andEvolution (Nicolis, G. &
Lefever, R., eds.) pp.137-151, Wiley, New York.
(PDF) THE KINETIC-PROPERTIES OF ADENYLATE KINASE - A CELL-BIOLOGICAL INTERPRETATION.
January 1982Hoppe-Seyler's Zeitschrift für physiologische Chemie 363(6):542-542
Thomas Fröhlich
<https://www.researchgate.net/publication/profile/Thomas_Froehlich3?_sg%5B0%5D=_oz6kMBt1Y9zi4MWVGqtmfQaaTv4l1JHc3OK2xPU_gij8CbE4X2hcvNFoof4dSdlKcqHKlc.1gYAgntlX_j7HaGi9mQa9Q3EkPOO5o5z9ZuolgFqt_kgjOBjZWYDNk40GY1ZwlRwbdjG8QnvYwW8JCvx_DUlEg&_sg%5B1%5D=RWZkEgiuNaytKymrZ45vvk_JvcsLuqnY-5w5tDyk34YrnFTwHo6JgDOuFbg_lffWJSqRrqI.IE8LF6yO16kTt-Ia3p0Lqe5HQHr_SgQBaVJC-8p1NaREEWAJmawOG3eDlWkO0ZKavF3ygbP_uxn42OJ2NQDcnQ>
H GUTFREUND
<https://www.researchgate.net/publication/scientific-contributions/H-GUTFREUND-2102523980?_sg%5B0%5D=_oz6kMBt1Y9zi4MWVGqtmfQaaTv4l1JHc3OK2xPU_gij8CbE4X2hcvNFoof4dSdlKcqHKlc.1gYAgntlX_j7HaGi9mQa9Q3EkPOO5o5z9ZuolgFqt_kgjOBjZWYDNk40GY1ZwlRwbdjG8QnvYwW8JCvx_DUlEg&_sg%5B1%5D=RWZkEgiuNaytKymrZ45vvk_JvcsLuqnY-5w5tDyk34YrnFTwHo6JgDOuFbg_lffWJSqRrqI.IE8LF6yO16kTt-Ia3p0Lqe5HQHr_SgQBaVJC-8p1NaREEWAJmawOG3eDlWkO0ZKavF3ygbP_uxn42OJ2NQDcnQ>
RH SCHIRMER
<https://www.researchgate.net/publication/scientific-contributions/RH-SCHIRMER-2076623586?_sg%5B0%5D=_oz6kMBt1Y9zi4MWVGqtmfQaaTv4l1JHc3OK2xPU_gij8CbE4X2hcvNFoof4dSdlKcqHKlc.1gYAgntlX_j7HaGi9mQa9Q3EkPOO5o5z9ZuolgFqt_kgjOBjZWYDNk40GY1ZwlRwbdjG8QnvYwW8JCvx_DUlEg&_sg%5B1%5D=RWZkEgiuNaytKymrZ45vvk_JvcsLuqnY-5w5tDyk34YrnFTwHo6JgDOuFbg_lffWJSqRrqI.IE8LF6yO16kTt-Ia3p0Lqe5HQHr_SgQBaVJC-8p1NaREEWAJmawOG3eDlWkO0ZKavF3ygbP_uxn42OJ2NQDcnQ>
Roger Sidney Goody
<https://www.researchgate.net/publication/profile/Roger_Goody?_sg%5B0%5D=_oz6kMBt1Y9zi4MWVGqtmfQaaTv4l1JHc3OK2xPU_gij8CbE4X2hcvNFoof4dSdlKcqHKlc.1gYAgntlX_j7HaGi9mQa9Q3EkPOO5o5z9ZuolgFqt_kgjOBjZWYDNk40GY1ZwlRwbdjG8QnvYwW8JCvx_DUlEg&_sg%5B1%5D=RWZkEgiuNaytKymrZ45vvk_JvcsLuqnY-5w5tDyk34YrnFTwHo6JgDOuFbg_lffWJSqRrqI.IE8LF6yO16kTt-Ia3p0Lqe5HQHr_SgQBaVJC-8p1NaREEWAJmawOG3eDlWkO0ZKavF3ygbP_uxn42OJ2NQDcnQ>
Available from:
https://www.researchgate.net/publication/297148923_THE_KINETIC-PROPERTIES_O…
<https://www.researchgate.net/publication/297148923_THE_KINETIC-PROPERTIES_OF_ADENYLATE_KINASE_-_A_CELL-BIOLOGICAL_INTERPRETATION>
[accessed Jan 24 2021].
Was die von Dir erwähnte Bachelor-Arbeit zur Notation von Mikrotonalität etc. angeht, so
werden darin die „physical efforts required to play an orchestral stringed instrument“
erwähnt (p. 92), und diese bilden in unserem Ansatz einen nur gedanklich abzulösenden Teil
der Gesamtanstrengung in der Erzeugung eines harmonischen Ensembles semantischer
Klangräume.
Zu Deinem wichtigen Hinweis auf Turing zitiere ich eine Passage und gebe dann meinen Senf
dazu:
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rstb.1952.0012
Turing, paper on morphogenesis:
It is suggested that a system of chemical substances, called morphogens, reacting together
and diffusing through a tissue, is adequate to account for the main phenomena of
morphogenesis.
Er benennt mit System zuerst einen Rahmen, dem ein Binnen-Kohärieren zugesprochen wird. Er
benennt weiter eine Orientierungsmatrix, die kein leerer Raum, sondern ein
Ordnungsstiftender Kontext ist: ein „Gewebe“. Im Rahmen namens „System“ und in der
Orientierungsmatrix namens „Gewebe“ agieren und interagieren dann Substanzen als Träger
von parallel-interaktioneller und darin auch sequentieller Kohärenz.
Sie interagieren so, dass sich - gegründet in der je eigenen Kohärenz – eine der
Interaktion entströmende „größere“ Kohärenz, Ergebnis einer gemeinschaftlichen Rhythmus-
und Produkt-Erzeugung, genannt „Muster“. In unserem Modell ist eine Substanz die
Kombination aus dem Eigensein und eigenen Interagieren zu Grunde liegender Potenz und
deren Verwirklichung. Diese wird unter Sinn-Gesichtspunkten als „Kreisen“ um eine
semantische Achse aufgefasst. Geordnetes Interagieren von Einzel-Kohärenzen (bei Turing:
„Substanzen“) ist ein Konvergieren der beteiligten semantischen Achsen so, dass die
Einzelprozesse „zueinander finden“ und zu einem gemeinsamen, das heißt binnenkohärenten
und mit dem Außen kohärent interagierenden Gesamt werden – bei Turing „Muster“ genannt.
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Im Weiteren das nach Deinen Anmerkungen fortgesetzte work in progress, vielleicht gibt es
Hinweise auf die Schwierigkeiten beim Versuch, ein Konzept semantischer Energie zu
erstellen (alles unredigiert und schnell heruntergeschrieben, sorry für Fehler etc.).
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Die semantische Energie, die in das Kohärieren sowohl im Einzelnen als auch im
Konvergieren fließt ist die, die ein jeweiliges Eigensein als Spezifisieren bewirkt und
dieses in den Kontakten als Ordnung der Interaktion (als Beibehalten semantischer Achsen,
was auch die Möglichkeit von deren Konvergieren beinhaltet) weiter zur Geltung bringt. Das
wechselseitige An-Eignen im fortgeführten Eigen-Sein ist ein Orchestrieren, das aus zuvor
Eigenem neues Eigenes schöpft. Der Energieaufwand für entsprechende sterische Anordnung
und gegebenenfalls nötige neue Eigen-Binnen-Anordnung und Außen-Ausrichtung (z. B.
Konformationsäderungen) ist Vorbedingung dafür, dass sich eine Kohärenz der anderen
zuwendet und sich dieser öffnet, und dass die andere Kohärenz ihre „Arme empfangend
ausbreitet“ und sich durch Mobilisierung zum Zusammenarbeiten bereit macht.
Was an unserem Ansatz neu ist, ist, dass wir Eigensein als geordnetes Prozessieren
auffassen. Dieses belegen wir mit dem Bild des Potentials, aus dem entlang einer
richtungsweisenden „Achse“ das Prozessieren erfolgt. Ein „Innen“ ist dabei bei uns ein
sinnhaftes, das heißt funktionell, nicht notwendig räumliches Zusammenhängen / Kohärieren.
Dieses konstituiert ein ausgewiesenes semantisches Innen, somit einen semantischen „Raum“
und darin ein semantisches, indem sequentiell kohärierendes Zeiten.
Die semantische Energie ist der energetische Kitt, der das parallel und sequentielle
Zusammenhängen erzeugt – auf der Grundlage einer in den jeweiligen Kohärenzen angelegten
Bereitschaft, zu kohärieren. Sie gibt den Impuls und die Kraft, dass dem Grundsatz nach
kommunikationsbereite Kohärenzen auch tatsächlich, und das auf sinnvolle Weise miteinander
kommunizieren und so einen kommunikativen Gemeinschaftsraum schaffen.
Semantische Energie ist die Kraft, die bewirkt, dass Bindung entsteht und keine
Vereinzelung, es ist die Summe aller Kräfte, die ein Zusammengehen zu einer Gestalt
anstelle eines Sich-Zerstreuen im Ungefähren fördern.
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Semantische Energie ist die Energie, die nötig ist, damit ein Etwas und ein anderes Etwas
auf die Spur kommt, auf er Spur bleibt, und dafür, dass dann mindestens zwei Etwasse auf
der gemeinsamen Spur (geteilte semantische Achse) bleiben. Sie ist eine Schöpfungsenergie,
dann eine individual- und kollektivbegleitende Organisationsenergie. Es ist die
„Anziehungsenergie“, die dafür sorgt, dass ein (Vorannahme: DCP-gestützter) Prozess weiter
dem Inhalt und der Form nach an seine semantische Achse gebunden bleibt, und dass eine
Menge von Prozessen ordentlich um ihre gemeinsame Achse tanzen. Es ist die Energie, die
ein Ballettmeister braucht, damit die Gruppe koordiniert tanzt.
Der Ballettmeister muss nicht extern gegeben sein, er kann auch in jedem Tänzer
verinnerlicht als Teil seiner DCP vorhanden sein, als Organisationswille und
Organisationskraft jedes Teilnehmers. So ist es bei chemischen Reaktionen.
Dieser geteilte Organisationswille und diese Kraft vereinen sich zu einem logischen
Äquivalent eines alle umschließenden Rahmens, einer Hülle, die dann eben implizit in den
Teilnehmern qua actu, durch ihr Handeln, in diesem impliziert gegeben ist.
Damit ist semantische Energie die, die etwas „sinnvoll“ zusammenführt und das
Zusammengeführte zusammenhält. Sie agiert wie jemand, der Einzelnes zu durchgängig Eigenem
macht und es in seiner zusammenhält, und der Mengen von Einzelnen (= Elementen) bildet.
Das das Einzelne Vorgänge sind, die ineinandergreifen und sich wechselseitig umschließen
können, sind es einander möglicherweise durchdringende Volumina, wie Klangräume, die sich
zu einem größeren Klangraum vereinen. Beim Ballett sind es Bewegungsräume, die sich zu
einem größeren Bewegungsraum vereinen, der sich seinerseits wiederum mit dem aus einzelnen
Klangräumen entstandenen großen Klangraum vereint.
Auch für das Orchester braucht es nicht zwingend einen externen Dirigenten, die Fähigkeit
zum Aufeinander Hören und den Prozess Anpassen kann als Potenz in jedem einzelnen Spieler
liegen. Auch dann wird eine Hülle um das Gesamt-Orchester gebildet, die eben in den
Einzelnen impliziert ist und sich in actu durch das Zusammenfließen von Handeln ergibt.
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Kohärieren ist / beschreibt eine Qualität, genauer eine Prozessqualität. Diese Qualität
kann man qualitativ in weniger bis mehr skalieren, aber die Angaben verhalten sich
zueinander nicht wie Werte, die man einfach dem anderen Wert hinzuaddieren kann. Das gilt
auch für weitere skalierende Beschreibungen wie Erstreckung, Dichte, Nachhaltigkeit,
Binnendiversität, Adaptativität eines Kohärierens. Die qualifizierende Kraft, semantische
Energie genannt wiederum ist nicht zwingend mit dem erreichten Skalenwert des Kohärierens
korreliert. Geringe Anstrengung kann zu guter Harmonie führen, große Anstrengung zum
Scheitern. Die Führungsqualität einer Person, oder ihre Qualität als Koordinator hängt
nicht skaliert von der von der Person eingesetzten semantischen Energie ab.
Dennoch gibt es diese morphogenetisch qualifizierende „Energie“, und sie selber kann
qualitativ skaliert werden (große versus kleine Kraftanstrengung), auch wenn der
zugeordnete Skalenwert nicht einfach mit dem Harmonie-/ Kohärenz-Skalenwert der erzeugten
Kohärenz zusammenhängt.
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So viel als Wort zum Sonntag :-),
Danke nochmal für die vielen Anregungen,
Viele Grüße,
Thomas
Am 23.01.2021 um 12:18 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 20.01.2021 um 23:31 schrieb Dr. Dr. Thomas
Fröhlich <dr.thomas.froehlich(a)t-online.de>de>:
Tatsächlich braucht man ein Konzept der adaptativen Annäherung semantischer Achsen - und
eine behelfsmäßige Veranschaulichung parallel und sequentiell kohärenten Prozessierens,
das durch Einschwingen imstande ist, mit anderem Vorgehen ein gemeinsames Vorgehen zu
verwirklichen.
Und hierzu haben wir das von Dir vorgeschlagene Bild des Wirbels genutzt, indem wir
sagen, ein Prozess winde sich spiralig um seine semantische Achse….
Es geht dann um dadurch gebildete semantische Volumina, die sich durch Konvergenz der
Achsen schließlich zu größeren Volumina vereinen können.
Hi Thomas,
es bleibt meine Frage nach dem rationellen Kern Eurer Unternehmung. Sind es die
"dynamic coherence providers (DCPs)"? Von einer allgemeinen "Spiraltendenz
der Vegetation“ spricht ja schon Goethe und Wolfgang Wildgen schreibt in: "Goethe als
Wegbereiter einer universalen Morphologie“: Die "Geistesströmung, für die Goethes
Morphologie und Humboldts innere und äußere Form der Sprache charakteristisch sind, ist
zwar nicht direkt, aber doch indirekt auf eine breitere Strömung heute beziehbar, deren
Kern René Thoms Katastrophentheorie ist. Zum Umfeld der Katastrophentheorie gehören eine
ganze Reihe moderner Ansätze, welche eine dynamische Gesamtsicht der Entstehung geordneter
Strukturen und der Evolution höherer lebender Systeme versuchen. Zu nennen sind die
innerhalb der Theorie dynamischer Ansätze operierenden Ansätze von Haken (Synergetik) und
Prigogine (Entstehung und Ordnung aus Fluktuationen). In einem weiteren Sinn dynamisch und
morphologisch sind auch Eigens Hyperzyklen und Maturanas selbstorganisierende Systeme
(Autopoeises). Außerdem hat die Arbeit von Berry (1982) „Breaking the Paradigms of Physics
from within“ gezeigt, dass diese „Morphologien“ im Mikroskopischen häufig vom Typ der
„Fractals“ Mandelbrots sind.“ Fehlt noch das Lorenz-Modell als rationeller Kern der
Chaosforschung, die ja zur Wiederentdeckung der Poincareschen Untersuchungen zur
Stabilität des Sonnensystems führte. All die Ansätze zusammen und noch weitere lassen sich
wohl unter „Komplexitätstheorie" zusammenbringen.
Dabei hat der Mathematiker Thom mit seiner Semiotik z.B. Einzug in die Musiktheorie
gefunden: "When no consensus can be found, the semiotic principals of Charles Morris
and René Thom should govern the adoption and development of notation. Morris’ semiotic
beliefs is built primarily on textual signs and Thom’s primarily on image and symbology.“
Das Zitat entstammt der gerade erschienenen Bachelorarbeit: "Old Instruments, New
Sounds, Same Language. The Notation, Orchestration, and Compositional Use of Contemporary
Techniques for Orchestral Stringed Instruments" by Chase Jordan. Die Musik wird ja
vielfach als Metapher für Einklang, Stimmung, Resonanz, Kohärenz herangezogen. Aber
vielleicht kann man umgekehrt aus ihr einen nicht nur rationellen Kern für
Zwischenmenschlichkeit heraus stilisieren. Ihr habt einen Zusammenhang zwischen
Narratologie und Biochemie angenommen und damit auch zwischen Physiologie und Semantik
sowie mathematischer Gruppentheorie und Typenlogik, wie ich es aus den Arbeiten
Watzlawicks zur Familientherapie in Erinnerung behalten habe. Jedenfalls ist der Versuch
einer Synthese von science and humanities ein lohnendes Forschungsfeld einer
"Universalmorphologie", die auch Komplexitätsforschung einschlösse. Neben Thom
kann Turing als Gewährsmann herhalten: In Ergänzung seiner Grundlagenarbeit "On
computable numbers“ zur Berechenbarkeit von 1936 hatte er ja 1952 über "The Chemical
Basis of Morphogenesis“ gearbeitet.
Es grüßt,
Ingo