Am 17. Juli 2024 01:31:09 MESZ schrieb "Landkammer, Joachim über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
CZ "Auch damit so etwas über den Einzelfall hinaus
nicht Schule macht. Und das gilt m.E. sowohl hinsichtlich der Bewertung als auch
hinsichtlich der Folgen einer Duldung eines Diebstahls auch im Verhältnis zwischen
Staaten. Wenn man die Welt den Wölfen überlässt, lassen sie sich nicht lange
bitten."
Ja, das ist das Abschreckungsargument, das aus dem Einzel- einen Präzedenzfall, den Anfang
eines slippery slope machen will, usw.
Aber ich weise daraufhin, daß es gerade deswegen dem Einzelfall eben NICHT gerecht wird,
es tendiert dazu, ihn über Gebühr und Maß aufzuladen, ihm "symbolischen" Wert zu
verleihen, ihm Wirkungen und Folgen zuzuschreiben, die nur hypothetisch sind.
Wie naiv muss man sein, um anzunehmen, das jemand, der in ein anderes Land einmarschiert,
plötzlich ein Friedensengel wird?
(Deswegen plädieren Verteidiger immer dagegen, daß ein
Fall vor Gericht als "exemplarisch" verstanden wird; niemand darf nur "zur
Abschreckung" von Folgetätern bestraft werden, weil ihn das (nach Kant) zum Mittel
für einen Zweck macht).
Abschreckung des Täters und potentieller Nachahmer ist durchaus ein Argument dafür, ihn zu
bestrafen. Er wird damit bei ansonsten menschenwürdiger Behandlung teilweise, aber nicht
vollständig verzweckt wie bei einem Arbeitsvertrag auch. Natürlich darf niemand nur zur
Abschreckung bestraft werden, ohne dass seine Schuld festgestellt wurde.
Das gilt auch bei der Frage, ob man sich per
Gewalt/Krieg gegen einen Aggressor wehren soll: es mag ja sein, daß es für die anderen,
für die Welt, für den mittel- bis langfristigen "Weltfrieden" besser wäre,
diesen Aggressor sofort zu stoppen, aber warum soll gerade ich (als zur Landesverteidigung
eingesetzter Soldat) jetzt und hier dafür mein Leben riskieren? Ich darf doch bitte hic et
nunc und nur für mich abwägen, es geht um mein Leben, und ich hab nur das eine. Die
Abschreckungswirkung ist auch so ein externes Argument wie das "Recht", das man
schön abstrakt im Seminar und an den Verhandlungstischen der Befehlshabenden diskutieren
kann; für die "Frontschweine", für den je Einzelnen, für die
"professionelle" Gewaltanwendung vor Ort ist es quasi bedeutungslos.
Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Claus
JL
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ingo_mack über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>
Gesendet: Dienstag, 16. Juli 2024 17:44
An: Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>
Cc: ingo_mack <ingo_mack(a)web.de>
Betreff: [PhilWeb] Re: Gewalt ist (k)eine Lösung?
hallo Claus:)
bist du ganz sicher, daß sich Herr Clausewitz
sich eingehender mit dem Henne-Ei-Problem herumgeschlagen hat?
wenn Gewalttaten (konsequent) auf ihre Ursprünge zurückgeführt werden
bist du ruck-zuck beim Brudermord und der hat schlicht nur gefragt,
warum er seines Bruders Hüter sein soll.
ist Notlüge auch eine Form von Gewalt?
Am 16.07.24 um 16:58 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb:
An dem Clausewitz-Zitat gefällt mir nicht, dass,
wer sich verteidigt,
damit als Angreifer dastehen könnte. Das wird als Täter-Opfer-Umkehr
bezeichnet und wäre eine Riesenschweinerei. Man könnte es aber auch
so verstehen, dass damit ohne Schuldzuschreibung nur gesagt wird,
dass die Verteidigung in der Regel der erste Schritt zu längeren
Kämpfen sein wird, weil der Angreifer seine Gewaltbereitschaft ja
schon gezeigt hat.
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