Alles gute zum "Tag der Arbeit", dem 01.Mai.
Es gibt ja verschiedene Ansichten darüber, was Philosophie ist und
welche Aufgabe dieses Gebiet hat. Früher, in der Aufteilung der
traditionellen Fakultäten, verstand man unter Philosophie soviel wie
"Weltweisheit" in Abgrenzung zur "geistlichen" als theologischen
Weisheit.
In diesem Sinne war denn was, was wir heute Physik nennen,
"Naturphilosophie", eine klare Trennung zwischen den
Naturwissenschaften, Philosophie und anderen Fächern lag nicht vor
oder war anders.
Seit spätestens etwa John Locke oder Kant gibt es ein anderes Modell
der Philosophie: Philosophie als Erkenntnistheorie, als Nachdenken
darüber, wie der Mensch eigentlich nachdenkt, neue Erkenntnisse
gewinnt und Wissen aneignet. Im Grunde sind neuere Ansätze, die
Philosophie als eine Art "Metawissenschaft" sehen, die andere
Wissenschaften begründen, eine Fortsetzung davon. Nur dass die
Erkenntnistheorie hier durch die Wissenschaftstheorie getauscht wurde.
In der Nachfolge von Wittgenstein gibt es auch Leute, die die Ansicht
vertreten, dass Philosophie eine Art "Klärung von Begriffen" ist.
Natürlich lässt sich die Aufgabe der Philosophie auf diese Weise
betrachten. Es widerspricht aber einerseits den Haltungen von Laien
über diese Frage (Sinn des Lebens, Moral etc. kommen so nicht mehr
vor) und scheint mir andererseits auch fragwürdige Implikationen zu
enthalten. Braucht die Wissenschaft wirklich eine Art
"Metawissenschaft", die ihre Grundlagen begründet?
Wenn man nach der Rechtfertigung etwa der modernen Physik fragt, wird
man eher mit der Antwort zufrieden sein, dass Kühlschränke, Computer
und GPS mittels dieser Wissenschaft entwickelt wurden. Es ist richtig,
dass der praktische Nutzen keine theoretische Rechtfertigung dafür
darstellt, die Frage bleibt aber, ob die Wissenschaftstheorie eine
befriedigendere Grundlage schaffen kann.
Ich möchte deshalb eine neue Idee als Brainstorming in den Raum werfen:
Die Philosophie ist zu betrachten als eine Art
Diversifikationsstrategie. Die moderne Physik beispielsweise hat sich
mehr oder weniger auf ein monistisch-materialistisches Verständnis der
Welt geeinigt. Das im Rahmen der Physik in Frage zu stellen ist zwar
möglich, erscheint aber schwierig. In der Philosophie kann dagegen ein
Anhänger einer alternativen Ontologie, beispielsweise ein
Berkeleyianer, seine Argumente aufbringen.
Rechtfertigung dafür ist nicht, dass die Grundlagen der Wissenschaft
unklar sind und deshalb einer Art "externen Revision" unterworfen
werden müssen, sondern die grundsätzliche Fehlbarkeit des Menschen.
Weil es möglich ist, dass unsere derzeitigen Gedankensysteme auf
falschen Annahmen beruhen, müssen wir alternativen Ansätzen Räume
bereitstellen, um im Zweifelsfall nicht mit leeren Händen dazustehen.
Genauso könnte man z. B. einen Hegelianer als Alternative zur modernen
Logik bestehen lassen oder einen Anhänger einer anderen Philosophie,
der Ansätze entwickelt, falls unsere Gedanken über die "Natur des
Menschen", Wirtschaft oder ähnliches falsch sein sollten.
Die Bezeichnung "Diversifikationsstrategie" ist hier bewusst gewählt.
Wir erzeugen bewusst und willentlich eine gewisse Vielfalt an
verschiedenen ontologischen usw. Ansätzen, damit wir nicht davon
abhängig sind, dass eine bestimmte Theorie oder Idee richtig ist. Im
Grunde könnte man es auch als bewusster Pluralismus betrachten.
Was denkt ihr von diesen Ansatz? Sollte er zu verrückt erscheinen, so
ist er als verspäteter Aprilscherz zu verzeichnen.
P.S.: Das dient natürlich auch dazu, die Liste wiederzubeleben... und
mir ist grade nach schreiben solcher Texte und kontroverser Diskussion
zu mute und diese Liste erschien mir als der passendste Ort dafür.