Am 10.08.2021 um 18:48 schrieb Claus Zimmermann via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
[Philweb]
Ergänzung:
Wenn ich immer lüge, trifft das auch auf meine Aussage, immer zu lügen, zu. Ich sage
damit also gleichzeitig, daß ich nicht immer lüge. Die Aussage enthält einen versteckten
Widerspruch.
Was unterscheidet das Lügnerparadoxon vom ebenfalls selbstbezüglichen, aber nicht
paradoxen Satz "Ich sage immer die Wahrheit"?
Er kann wahr oder falsch sein, aber es wird nicht hintenrum gesagt, er wäre beides
gleichzeitig.
Verneint man das Lügnerparadoxon, ist das Resultat übrigens, anders als ich zunächst
intuitiv angenommen hatte, nicht mehr paradox-selbstwidersprüchlich. Dann wird aus
"immer" "nicht immer" oder, wie man es umgangssprachlich vielleicht
ausdrücken würde "nie oder allenfalls manchmal" und der Satz kann ganz normal
wahr oder falsch sein.
Die Entgiftung der anderen Paradoxa überlasse ich lieber Leuten, die davon keine
Migräneanfälle kriegen.
Claus
Am 07.08.2021 um 19:29 schrieb Claus Zimmermann via Philweb:
[Philweb]
Um nicht eine der Joseph-Hipp-Diskussionssünden zu begehen, gebe ich gleich zu, daß ich
nur auf einen ganz kleinen Teil dieses Beitrags antworten kann. Es liegt an meinem
Gehirnskasten. Ich habe ihn schon bei der Lektüre rattern und quietschen gehört wie einen
Motor, der einem gleich um die Ohren fliegt. Ich bitte also um Nachsicht dafür, daß ich
sozusagen vom Standstreifen aus nur etwas zum Lügnerparadox wiederhole, was ich schon mal
gesagt habe.
Wenn man sagt "der Satz S ist (gleichzeitig und im gleichen Sinn) wahr und
falsch" oder "sowohl S als auch nicht-S sind gleichzeitig im gleichen Sinn wahr
oder falsch", ist das ein Formfehler, da ein Satz und seine Verneinung gemäß der
Definition der Verneinung verschiedene Wahrheitswerte haben.
Nichts anderes sagt aber doch der kretische Lügner: nimmt man an, daß der Satz wahr ist,
impliziert das seine Falschheit und umgekehrt. In jedem Fall ist der Satz gleichzeitig
wahr und falsch. Damit begeht er einen Formfehler und mehr scheint mir an der Sache nicht
dran zu sein.
Er begeht ihn nur unauffälliger als bei offener Voraussetzung der gleichzeitigen Wahrheit
und Falschheit, indem er in einer Doppelrolle auftritt. Er äussert den Satz und
kommentiert ihn gleichzeitig und schreibt ihm dabei verschiedene Wahrheitswerte zu, ohne
daß es offensichtlich ist.
Vielleicht ist das bei anderen selbstbezüglichen Sätzen ähnlich?
Claus
Am 7. Aug. 2021, 18:16, um 18:16, Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>
schrieb:
[Philweb]
Einen schönen Gruß an die Liste!
Diesmal möchte ich etwas sagen über einen bestimmten Link:
https://blogandnot-blog.blogspot.com/2010/01/how-not-to-solve-curry.html
(Eine schnelle Einführung in die Thematik bietet der Wikipedia-Link:
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Currys_Paradoxon&oldid=18408…)
Natürlich mache ich mir mit diesen Zitat nicht den gesamten Artikel
oder gar alle Texte auf den Blog zu eigen.
Das, wenn ich es so ausdrücken darf, Killerargument für den
Dialetheismus ist ja, dass er erlaubt, mit solchen Situationen wie den
Lügnerparadox umzugehen ohne dabei jede denkbare Schlussfolgerung wahr
werde zu lassen. In der klassischen Logik dagegen kann man aus einem
Widerspruch im Prinzip alles herleiten.
Als Wermutstropfen erhalten wir dafür eine vergleichsweise unhandliche
und unanschauliche Logik
Wenn der Dialetheismus aber gegenüber einer Aussage wie "Currys
Paradox" ebenso auf technische Hilfsmittel zurückgreifen muss wie ein
Anhänger der klassischen Auffassung, dann scheint mir das Konzept
zunehmend weniger attraktiv.
Wenn der Fehler offenbar wirklich darin liegt, dass eine Sprache
Aussagen über ihre eigenen Wahrheitsbedingungen erlaubt, dann landet
man logischerweise entweder bei Metasprachen oder bei einer Art
Typentheorie.
Eine andere, mögliche Herangehensweise an das Problem, scheint mir von
Hrn. Prof. Dr. Hoyningen vorgebracht worden zu sein:
https://youtu.be/6BmWn0U7r14
Das ist kurzgesprochen die Theorie, dass Aussagen der Form "A and
Non-A" überhaupt keinen logischen Wahrheitswert haben und daraus
nichts folgt.
Zwar müsste ein Dialetheist, um seine Theorie als richtig
darzustellen, auch solche alternativen Erklärungsansätze irgendwie
widerlegen, aber auch diese Alternative muss erklären können, wieso so
etwas wie Currys Paradox auftreten kann.
Wenn eine Form der Typentheorie sowohl das Curry-Paradox als auch den
Lügner besiegen kann, dann ist sie in jedem Fall die "stärkere"
Erklärung und daher vorzuziehen. Stärker meint hier, dass sie mehr
erklärt mit weniger Annahmen.
Natürlich kann auch der Dialetheist seine Idee retten, indem er alle
möglichen Zusatzannahmen trifft. Nur dürfen diese Annahmen nicht
willkürlich erscheinen. Ist die Theorie nur unter willkürliche
Annahmen zu retten, dann ist sie natürlich als Erklärung "schwächer"
als eine Theorie, die ohne willkürliche Annahmen auskommt.
Was denkt die Liste darüber?
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