Am Mi., 1. Sept. 2021 um 03:48 Uhr schrieb K. Janssen via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
zu eben Vaihinger, den man bisweilen auch zu diesem
Zirkel zählt, was jedoch nicht zutrifft.
Ich kenne Vaihinger jetzt nicht, aber ich kenne ein wenig den Wiener
Kreis. Der Kreis war meines Wissens eine eher lockere
Diskussionsveranstaltung. Die wesentliche Protagonisten verband war
eine gemeinsame Tendenz, meinetwegen "Weltanschauung", die war aber
nicht einheitlich.
So soll zum Beispiel Gödel, Wittgenstein, Popper und sogar der
Mathematiker v. Mises an den Diskussionsrunden teilgenommen haben.
Die Tendenz des Wiener Kreises war eben deutlich positivistisch,
Ablehnung jeden Aberglaubens und jeder Metaphysik, Hinwendung zur
Naturwissenschaft und der Glaube, philosophische Probleme jetzt
endgültig gelöst zu haben.
Politisch war der Kreis "eher links", religiös eher atheistisch. Es
gab aber einzelne Mitglieder, für die das nicht notwendigerweise
gestimmt haben muss.
Gödel beispielsweise war aber meines Wissens sein Leben lang an
Metaphysik interessiert, Wittgenstein lehnte die Interpretation seines
Werkes durch den Kreis ab. Fühlte sich bei der Verifikationstheorie
missverstanden und war nicht einverstanden, dass der gesamte Punk 6
eigentlich als unverständlich abgelehnt wurde.
Ich will damit nur sagen, dass innerhalb des Wiener Kreises ein
interessanter Pluralismus bestand. Da kann auch ein Vaihinger
hineinpassen.
Vielleicht ist es erlaubt: Die Philweb Mailliste ist ja ebenfalls ein
bunter Haufen, es mag eine gewisse Tendenz geben, die sich in der
Bearbeitung von Themen niederschlägt und in den üblichen Argumenten,
aber man könnte auch nicht wirklich von einer Philosophie der Philweb
Mailliste sprechen.
(Wo unsere EU-Obrigkeit derzeit doch an der Wiederbelebung eines
"Neuen Bauhauses" arbeitet, wieso nicht auch einen Wiener Kreis neu
schaffen? ;-)
zudem bestand er darauf, Metaphysik als philosophische
Disziplin
anzunehmen, wenngleich er deren kennzeichnende Begrifflichkeit ebenso
als Fiktion deutete.
Das ist allerdings weder weit von Carnaps Auffassung weg, noch gegen
den damaligen Zeitgeist.
Dieses Prinzip ist gewissermaßen ein ontologisches
Axiom
ähnlich Shakespeare‘s Sein oder Nichtsein.
So kann man es auffasse. Es gab (und gibt) aber noch andere Auffassungen.
Dieser beschreibt in erstaunlicher Voraussicht bereits
1912, was heute
Bestandteil der Informations- und Steuertechnik ist und führt als
Beispiele den „unlogischen“ Kunstgriff der Flächenberechnung eines
Kreises (als Vieleck mit sehr hoher Seitenzahl) sowie den von Leibnitz
und Newton eingeführten Begriff des Unendlich-Kleinen, also eine
Infinitesimal-Fiktion als Grundlage der heute in der höheren Mathematik
angewandten Infinitesimalrechnung an.
Grade die Erklärung dieser "Fiktionen" führte aber in der Mathematik
meines Wissens zu einer Reihe von weiteren Entwicklungen, die dann zu
den heutigen exakt-axiomatischen Theorien führten.
Im System des Natürlichen Schließens konnte man Annahmen auch
einführen, um sie hinterher zu beseitigen.
PS: Natürlich geht das hier zu diesem Thema (Vaihinger
Fiktion) weiter.
Dieser break also, damit es nicht unübersichtlicher wird als der Beitrag
dies ohnehin schon sein könnte.
Das erinnert mich an "rechtliche Fiktionen" und dergleichen Figuren
aus den Rechtsdenken.
War Vaihinger irgendwie Jurist oder Rechtsphilosoph?