Am 24.09.22 um 13:38 schrieb Rat Frag über PhilWeb:
Die Idee, Wahrheit zu definieren als die
Übereinstimmung einer
Aussage mit einer vom Betrachter unabhängigen Wirklichkeit ist
natürlich voraussetzungsreich.
So ist es, und soll schon bei Gesprächen "über Wahrheit" (richtiger: mit
dem Wort Wahrheit) gedacht werden, dass es mehrere unterschiedliche
Sachen gibt: Die Sache A (zum Beispiel ein Geschehen, ein materielles
Objekt, ein virtuelles Objekt, eine Person usw.),
die Sache B (zum Beispiel die Person, die den Satz sagt, oder ein
KI-Computer)
die Sache C (die Person, die den Satz prüft, bzw. die
Anwendungsautomatik bestimmter Kriterien, es muss nicht das einer
bestimmten Übereinstimmung sein.)
die Sache D (der Satz, den die Person sagt)
Zudem sollen die Sachen A außerhalb von B sein, was nur geht, wenn B
außerhalb der "Welt" der Sachen A ist, was schon mal nicht der Fall ist.
Anders gesagt: Es soll von der Kausalität abgesehen werden.
Dann soll die Person C sagen, ob D wahr ist, unabhängig davon, wie B zu
D gekommen ist. Das ist viel verlangt.
Dieses skizzierte Schema kann in abgeänderter Form auch für andere
Wahrheitstheorien angepasst werden, bzw. es kann allgemeiner und
korrekter gefasst werden. Allgemein darf die Kausalität nicht vor der
Tür stehen gelassen werden. Auch wenn dieses Ceteris Paribus fast
überall so gehandhabt wird, kann dies ein Fehler sein. Dann wird die
Wendung "vom Betrachter unabhängige Wirklichkeit" unbrauchbar, obwohl
sie als Vaihinger-Fiktion immer noch in Ordnung ist.
Ein Beispiel in dem gesamten Zusammenhang: Eine Person erinnert sich an
etwas, das geschehen ist. Nun hat sie nur das "vor sich", was aus ihr
heraus die Sache beschreibt, die Person ist nicht mehr vor "der
Wirklichkeit" des Geschehens, sie ist nur "vor" (besser nach) der
Wirklichkeit ihrer Erinnerung. Auch die Erinnerung ist für sie eine
"unabhängige Wirklichkeit", denn sie kann nicht nach Belieben ändern,
was aus der Erinnerung kommt.
Die folgende Wendung ist nur denkbar, wenn von der Kausalität (bzw. auch
von der Zeit im Speziellen) abgesehen wird.
"Übereinstimmung einer Aussage mit einer vom Betrachter unabhängigen
Wirklichkeit"
JH