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Am 28.11.2024 um 12:48 schrieb waldemar hammel über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
und ich kann nicht anders, als mir vorzustellen, wenn heute damals wäre, würdest auch du
wohl in der menge stehen und johlen, und nicht auf dem scheiterhaufen,
denn du bist "ein kluger aber allzu angepasster", der zb absurde weltbilder
pflegt und als rational-grundlose urteile hält und sogar neue bildet (wie etwa deine
vor-kurzem idee zum "entanglement")
in dir scheinen die nachteile einer allzu stringenten sozialisierung auf, die daraus
bestehen, dass die denkerischen loipen, auf denen man wandeln kann,
selektiv mehr oder weniger "aufs jeweils zeitlich/eopchal übliche" beschränkt
bleiben = man nicht wirklich aus seinem ansozialisierten frame heraustreten kann, ums von
außen betrachten zu können
mir fehlt ein solches ansozialisiertes frame aufgrund meiner eigenen lebensgeschichte
weitgehend (misanthrop, einzelgänger, schräger vogel, passt in keine kategorie wirklich,
usw),
deshalb bin ich "freier" im denken als du, aber auch gefährdeter, mich auf 1000
unkonventionellen irrwegen verlieren zu können, sodass von 100 gedanken, die ich habe, 99
barer unsinn sein mögen,
Mich hindert nichts, aber auch wirklich nichts an freiem Denken! Was ich hingegen denke,
ist ein anderes.
Nun ist das o. Angeführte eine grundsätzlich zutreffende Annahme bezüglich Sozialisierung.
Für nahezu jeden Menschen vollzieht sich eine spezifische Sozialisation s. M.Weber).
Angefangen von den ersten Prägungen (sic!) in Elternhaus, Schule, ggf. Hochschule bis hin
zu zahlreichen diesbezüglichen Einflüssen im Berufs- und Gesellschaftsleben.
Persönlichkeitsentwicklung geschieht immer durch Interaktion mit dem spezifisch sozialen
und intellektuellen Umfeld. Wollte man diesem Einfluss entgehen oder davon ausgeschlossen
sein, drohte des Schicksal des Kaspar Hauser; Im ungünstigsten Fall also soziale
Deprivation und Ausbildung von Hospitalismus. Das gilt insbes. auch für den Entzug von
emotionaler Zuwendung, etwa elterlicher Liebe.
Du kannst von Glück sagen, dass die von Dir beschriebenen Misshandlungen Deines Vaters
offenbar keinen Schaden dieser Art verursacht haben, ausgenommen Deine Misanthropie.
Liebesentzug der Eltern führt fast immer zu psychischen Problemen, die es Kindern oftmals
unmöglich machen, sich in eine hinreichend intakte soziale Umgebeung zu integrieren.
Ich bin zwar zuhause nicht geschlagen worden, war allerdings einem hohen Erwartungsdruck
eines rational gefühlsarmen Vaters ausgesetzt. Die Mutter viel zu früh gestorben.
So trifft Deine Annahme in Teilen zu, ich sei durch stringente Sozialisierung (in meinem
Fall Internat) mit konservativen Denkmustern geformt worden, die bis heute mein Weltbild
beeinflussen. Andernteils habe ich dort garantiert mehr humanistische Ausbildung gehabt
als das in jeder anderen (staatlichen) Schule der Fall gewesen wäre. Du musst mir also
nichts von Giordano Bruno et.al. erzählen.
Binsenweit ist, dass die in Kindheit und teilweise Jugendzeit vermittelten „Werte“ auf
gewisse Weise tief im Bewusstsein verankert sind und nicht selten es ein Leben lang
bleiben. Sich davon in entsprechender Weise zu emanzipieren ist daher immer ein wichtiger
aber bisweilen auch sehr mühsamer Prozess.
Für meint Teil weiss ich genau um den Grad meiner diesbezüglichen Emanzipation und wenn
Du, wie ausgeführt, mir unterstellst, dass ich mich nicht von dieser stringenten
Sozialisierung emanzipiert hätte, liegst Du schlichtweg falsch. Dann hast Du nichts
verinnerlicht von dem, was ich hier je geschrieben habe. Nur weil ich nicht einem plumpen
Materialismus fröne, mich dieser Lebenswelt nicht nur aus reduktionistischer,
positivistischer Sicht zuwende und mich obendrein noch als Katholik hier „oute“, bin ich
nicht auf ein „zeitlich epochal Übliches beschränkt“.
Einfach nur lächerlich, diese Unterstellung, die mich eher wütend macht. Aber andererseits
bezeichne ich Dich ja auch als geistigen Totschläger oder Erbsenzähler und das ist ebenso
nicht die feine Art.
Ingo T. kann nicht verstehen, wie ich als naturwissenschaftlich ausgebildeter Mensch sich
in metaphysischen Themen verlieren kann, Ich bedauere ihn, weil er nicht über die
Hilfswissenschaft Mathematik hinaus denken will, bzw. alles Denkbare auf Mathematik
bezieht, die obendrein noch als Geisteswissenschaft deklariert. Langsam wird‘s hier schön
bunt oder gar absurd?
Dann ging es um Entanglement. Dazu hatte ich auf Prof. Zeilingers diesbezügliches
Experiment der Quanten-Teleportation hingewiesen. Wenn Quanten teleportiert werden, wird
selbstredend Information übertragen und man, wie ich, Gehirnakrivitäten als
quentenmechanische Prozesse ansieht (in Anlehnung an Penrose/Hameroff), kann angenommen,
resp. vermutet werden, dass mit Teleportation von Quantensystemen auch mentale Zustände
transponiert werden können. Natürlich ist das alles noch hochspekulativ. Doch sollen wir
hier lediglich historische Philosophie abhandeln oder dürfen wir auf der Basis neuester
Forschung auch in die Zukunft denken? Ingo (iT) träumt sogar vom Sonnenzeitalter!
Kaum einer der hier auftretenden Protagonisten ist noch aktives Mitglied in einer
wissenschaftlichen Fakultät, was aber nicht heissen kann, sich nicht auf Basis zahlreicher
Publikationen passiv daran beteiligen zu können/dürfen. Dabei sollte aber doch bitte
bedacht werden, dass dieses Forum nicht den Charakter eines Kolloquiums hat, wo in einer
Hochschulprüfung Wissen abgefragt und validiert wird, sondern in Art eines fachbezogenen
Gedankenaustausches wissenschaftliche, wie auch lebenspraktische Aspekte erörtert und
diskutiert werden.
Natürlich bedarf es eines kommunikativen Korrektivs und dieser ist in diesem Forum allemal
gegeben, dafür sorgt allein schon der Umstand, dass wir zwar „Brieffreunde“ sind, aber
wegen signifikanter Unterschiede in der Sicht auf Gesellschaftspolitik, auf Kultur und
Religion niemals zu Freunden werden können(wollen. Das gerade ist aber „das Salz in der
Suppe“ hier und damit ein wesentlich förderliches Element dieses Forums, denn wären wir
konform in unseren spezifischen Weltsichten, könnten wir allenfalls das Niveau von
Kaffeekränzchen halten.
Also wohlan, auf zu den Waffen, zu den geistigen versteht sich. Und wer mit Geist nichts
am Hut hat, hat hier auch keine Waffen.
KJ