Am 21.07.2023 um 11:58 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
...
„Wahre Religion, echten Glaube“ gibt es nicht, werden sie doch gespeist durch nach wie
vor ernst genommene Schriften, in denen Gewalt und Grausamkeit gefordert werden. In
Bildungsmaterial, das den Menschenrechten genügt, geht es nicht so archaisch zu. Auch das
ist Dir klar. Warum sollten wir uns darüber noch austauschen? Es gibt ja die von Einstein
vorgeschlagene Religiosität, die menschenrechtskonform Wissenschaft und Religion
gleichermaßen basiert. Heisenbergs Wissenschafts- und Religionsverständnis war
problematischer und hat dementsprechend noch immer eine Vielzahl von Missverständnissen
und Irrläufern zur Folge..
Wir wollten und sollten uns ohnehin nicht mehr über Religion, Glauben, Gott und generelle
Metaphysik austauschen. Dieses Ansinnen muss aber daran scheitern, dass wir uns – wie oft
hier gesagt – nicht im persönlichen Meinungsaustausch z.B. per Privatmail, sondern in
einem Forum befinden, das sich obendrein mit philosophisch orientierter Thematik
beschäftigt. Wenn ich also schreibe, Haltlosigkeit junger Menschen geht mit Gottlosigkeit
einher, ist das keine Gleichsetzung an sich, sondern zeigt einen bestimmten Zusammenhang
auf, nämlich, dass religiöse Menschen in ihrem Gottesglauben Halt für die Bewältigung des
Lebens finden können, was durch beliebige Studien nachgewiesen ist. Aber auch dieser
Ansatz ist nicht umfassend gültig, da (besonders in diesen Zeiten) viele Gläubige an der
Wirkkraft des Göttlichen zweifeln (Theodizee), wenn man dies mit dem Kriegsgeschehen im
Osten Europas in Verbindung bringt. Und dieser Krieg wird ja bekanntlich nun wieder einmal
im Namen Gottes geführt: „Gott mit uns“.
Am Ende scheitert alles Denken, Reden, Diskutieren zu dieser Thematik daran, dass Menschen
kein Wissen von Gott haben können; Ein Gott, wie auch immer geoffenbart, kann nur geglaubt
werden und Menschen, die wissen und nicht glauben wollen, sind eigentlich von derartigem
Gottesbezug ausgeschlossen. Damit teilen sich Menschen in Gläubige und Ungläubige, eine
gesellschaftliche Spaltung mit bisweilen fataler Wirkung, die sich innerhalb der sog.
Glaubenswelt in ihren Schismen noch unheilvoller ausprägt.
Über all diesem steht die Frage, ob Menschen ohne einen Bezug zu einem Gott und daher ohne
Glauben an diesen, schlechter sind, als Gläubige und ich denke, solches können allenfalls
nur Gläubige annehmen. Mitnichten sind Atheisten die „schlechteren“ Menschen und was heißt
schon schlecht? Ihnen fehlt ggf. lediglich der Halt, den religiöse Menschen in ihrem
Glauben finden mögen.
Wenn also Menschen an einen Gott wirklich glauben, kann man das mit Fug und Recht als
echten Glauben benennen.
Eine „wahre Religion“ hingegen im wahrsten Sinne zu postulieren, ist tatsächlich kritisch,
denn sie ist nur für jene Menschen wahr, die aus einem genuin inneren Bezug zu einem
geglaubten Gott, eben diese Rückbindung haben und aus dieser entsprechend ihr Handeln an
den gegebenen Regeln (i.W. der Dekalog) ausrichten. Religion als Regelwerk wird m.E. erst
dadurch wahr, dass gemäß dieser Regeln gelebt wird, ansonsten bleibt sie wirkungsloses
Lippenbekenntnis ohne jeden Wahrheitsbezug. Religion als purer Schein, gelebt in einem
„Goldenem Käfig“.
Ingo Macks Gedicht gefällt mir sehr und es passt in diese Zeit, wie wohl zu allen Zeiten
menschlichen Daseins. So erlaube ich mir, es hier nochmal zu zitieren:
„"Gefangen im Goldenen Käfig“
gefangen im Goldenen Käfig,
verirrt im allumfassenden Licht.
Müde vom Kreislauf, schon schläfrig
bindet was findet und nicht.
inmitten vom Baalstanz der Kälber
umfangen Geschichten die Schlächter
erzählen vom Raunen der Wälder
erträumen Wahrheit und Licht.
Wellen branden auf und vergehen
wie Wind der durch Bergtäler weht
gealterte Augen verstehen
wie jede Wahrheit verweht.
gefangen im Goldenen Käfig,
verirrt im allumfassenden Licht.
Müde vom Kreislauf, schon schläfrig
findet und bindet das Licht.“
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl