Am Di., 13. Juli 2021 um 02:11 Uhr schrieb Claus Zimmermann via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ich sehe, daß du dich mit Kant besser auskennst als
ich.
Meine gesamten Kenntnisse stammen in erster Linie aus Sekundärquellen.
Ich denke, dass du mir da eventuell sogar überlegen sein könntest.
Vielleicht
hätte ich ihn mangels gründlicher Kenntnisse nicht erwähnen sollen. Es
schien mir zum Thema zu passen. Und jetzt ist es eine Gelegenheit, dazu
zu lernen.
Dann hätte ich auch schweigen müssen!
Vielleicht erbarmt sich ja ein Kantexperte und stellt ggf. Irrtümer richtig?
Die Sinneserfahrungen sind eine Eigenschaft unseres
Gemüts?
Gemüt.
"Unter Gemüt versteht man nur das die gegebenen Vorstellungen zusammensetzende und
die Einheit der empirischen Apprehension bewirkende Vermögen(animus)' (...)Das Gemüt
(animus) des Menschen ist der "Inbegriff aller Vorstellungen, die in demselben Platz
haben". Es hat einen "Umfang" (sphaera), der die drei
"Grundstücke": Erkenntnisvermögen, Gefühl der Lust und Unlust und
Begehrungsvermögen befaßt, deren jedes in zwei Abteilungen, das Feld der
"Sinnlichkeit" und der "Intellektualität", zerfällt"<<
https://www.textlog.de/32336.html (Eislers Kant-Lexikon, ich meine, ich habe
sein Buch sogar irgendwo im
Realen Leben herumliegen gehabt.)
Das Gemüt hat in heutiger Ausdrucksweise nichts mit
Sinneserfahrung zu tun.
Kant scheint "Gemüt" mit dem lateinischen "animus" (?) gleichgesetzt
zu haben.
Ergänzung: Geht es hier nicht eher um die Bedingung
der Möglichkeit in
Kantscher Ausdrucksweise als um Erfahrungsinhalte?
Ja, denke ich, die räumliche Anordnung von Erfahrungsinhalte ist
sozusagen Apriori, durch den Verstand selbst, bedingt.
Ich hatte das folgende Zitat so verstanden, daß der
Raum ein Produkt des
menschlichen Geistes, Unterabteilung "äusserer Sinn", ist.
"Vermittelst des äußeren Sinnes, (einer Eigenschaft unseres Gemüts),
stellen wir uns Gegenstände als außer uns, und diese insgesamt im
Raume." (Kant)
Dann ist er doch nicht so etwas wie das ganz grosse Zimmer, in dem
sich alle kleineren Zimmer oder Körper befinden.
Das ist ein guter Punkt. Kant definiert den Raum zunächst als eine
Form der Anschauung, die aus dem menschlichen Verstand kommt, sagt
dann aber aus, dass es nur einen Raum gibt.
Vermutlich muss man das einfach mehr umgangssprachlich verstehen,
damit die Studenten nicht denken, dass damit nur ein spezifischer
Raum, Vorlesungsraum etwa, gemeint ist. Wobei ich mir andererseits
nicht vorstellen kann... Eventuell geht es doch darum, dass die
euklidische Geometrie überall gelten soll, weil sonst auch in Kants
System zumindest denkbar wäre, dass es gekrümmte Räume gebe.
Ist die Einheitlichkeit des Raumes ein a priori oder ein willkürlicher Zusatz?
Wenn wir nicht wissen wie die Dinge zusammenhängen,
was
bleibt dann noch von der Wissenschaft.
Damit sind wir dann beim Thema des Nachbarthreads.
Kausalitätstheorie. Kant wollte ja insbesondere die Kausalität als
Vernunftprinzip retten, war ja leibnizianer wolfscher Subart zu Beginn
seiner Karriere.
Aber wir haben eine Wissenschaft,
die wirklich eine ist, weil sie einerseits nicht mit der Erfahrung steht
und fällt und andererseits nicht bloss "analytisch" von
Zeichenbeziehungen handelt, nämlich die Mathematik. Die Frage ist also
nicht, ob Wissenschaft möglich ist, sondern nur, wie sie möglich ist.
Deshalb suchte der alte Kant als Epistemologe (Kant als Ethiker ist
noch mal was anderes, für mich weniger interessant) ja auch nach "der
Bedingung der Möglichkeit". Im heutigen Sprachgebrauch könnte man auch
von "notwendigen Bedingungen" sprechen. Y -> X... Wenn X die
notwendige Bedingung für Y ist, dann ist Y umgekehrt die hinreichende
Bedingungen für X. (Man darf sich das so vorstellen, dass die Fälle,
in denen Y der Fall ist, eine echte Teilmenge der Fälle ist, in denen
X der Fall ist. Jedenfalls in klassischer Logik, ich vermisse Wissen
in Modelltheorie.)
Wenn klar ist, dass wir erkennen können und klar ist, dass X zwingende
Voraussetzung für das Erkennen ist, dann muss X erfüllt sein.