Am 03.07.2021 um 05:07 schrieb Joseph Hipp via Philweb:
[Philweb]
Am 03.07.2021 um 00:51 schrieb Karl Janssen
nach meiner Frage bezogen auf:
>
https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt
> <https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt>
> Hat schon jemand hier dies auf sich selbst bezogen? Ich versuche es
> auf mich ...
Es freut mich, wenn du das auch mal auf Diskutierende
hier zumindest
nicht als unmöglich erachtest, mit deiner Frage. In der Tat schien
mein Hinweis auf diesen Effekt gerade auch hierher zu passen. Ich
hatte eine Antwort vorbereitet, auf das was du zuletzt schriebst, sie
war aber ungeeignet. Als ich dann in diesem Sinne zufällig (Ziegel vom
Dach auf Schuhe des Vorbeigehenden) auf den Effekt kam, bejahte ich
die Frage mit ja: der passt vermutlich gerade hier. Aber "Was ich
damit aussagen will." passt nicht, da gibt es kein um zu.
Hast Du Dich jemals mit Sozialen Rollen
beschäftgt (1. Semester SoWi)?
Hier sind wir wieder beim Problem des Ratgebers, der den Schüler hin
und her schickt, wie der Beamte von Büro zu Büro.
Hier wollte ich definitiv kein „Ratgeber“ sein, sondern ich war (wie man
das sicher merken konnte) spontan eher ärgerlich über Deinen
unspezifisch gegebenen Hinweis auf den „Dunning-Krüger-Effekt“;
Quasi damit eine Dir aus den Beiträgen ersichtliche Inkompetenz der
augenblicklich hier im Forum agierenden Disputanten, diesen potentiell
vor die Füße werfend.
Kaum der Rede wert, wäre es nur zu beklagende Inkompetenz, denn wer
wollte von sich behaupten, über alle Dinge erhaben, also nicht da und
dort inkompetent zu sein.
Bezüglich der Kernaussage der „Dunning-Krüger-These“, eigene Inkompetenz
aufgrund von Ignoranz (sprich Dummheit) gar nicht erkennen zu können,
steht Dein Hinweis hingegen in einem ganz anderen Licht.
Kein Wunder, dass sich die Redewendung bestätigt: „betroffene Hunde
bellen“. Und so bellte ich :-))
Davon abgesehen, dass dieses von den benannten Sozialpsychologen
postulierte Phänomen nur zu oft im Lebensalltag Bestätigung findet,
wirkt deren „Studie“ schon etwas populär- (um nicht zu sagen)
pseudowissenschaftlich. Und so "bellte" ich: hochnäsiges
Sozialforscher-Geschwätz!
Deshalb wohl auch der den beiden verliehene Satiriker-Preis und mein
Hinweis anstatt „Satiriker-Lektüre“ eher auf klassisch
sozialwissenschaftliche Literatur zu setzen. Da geht es grundlegend um
„Soziale Rollen“ also um das Rollenspiel des Menschen in bestimmten
Lebensabschnitten und seiner jeweiligen sozialen Umgebung.
Ich kann mich (längst vorbei an diversen Studienskripten) vor allem an
E. Goffmans Büchlein „Wir alle spielen Theater“ erinnern. Darin ist sehr
anschaulich beschrieben, wie der Mensch seine Rollen in seinem
gesellschaftlichen (vornehmlich Arbeits-) Umfeld erlernt und diese an
der dementsprechenden Zuweisung eines gegenwärtigen oder zu erwartenden
Status ausrichtet. Dabei fallen natürlich spezifisch angeborene wie
erworbene Eigenarten (Charakter) in sein Rollenspiel ein.
Auf den sog. „Dunning-Krüger-Effekt“ und damit auf Deinen damit
hergestellten Bezug auf unser „Rollenspiel“ hier in philweb bezogen,
würde das bedeuten, dass sich im Verlauf von Diskussionen
Status-Zuweisungen in zweifacher Hinsicht ergeben:
Der vom Einzelnen selbst für sich gewählte bzw. eingenommene sowie der
ihm kollektiv zugeschriebene Status und damit der ihm implizit
spezifisch „zugewiesene“, also bestenfalls ein ihm zukommender Platz -
achieved status auf der Bühne.
Auf Teilnehmer eines Diskussionsforums bezogen, verbindet sich mit
Verhaltens- oder Rollenerwartungen/-zuweisungen aber auch eine
dementsprechende normative Handlungs-Verantwortung. Erwartungen sind
Grundelemente der sozialen Rolle, sowohl die an sich selbst gestellten,
wie auch jene von außen kommenden.
Hier kann und sollte es also nicht um „Lehrer“ und „Schüler“ gehen,
wenngleich sehr schnell der Eindruck von „belehrendem Gehabe“ erweckt
und als solches wahrgenommen werden kann, wo (wie gesagt) im Brustton
der eigenen (schier unantastbaren) Überzeugung argumentiert wird.
Ist die Argumentation solcherart vorgebrachter Überzeugung jedoch nicht
von Allgemeingültigkeit und eben gar von diesbezüglicher
Selbstüberschätzung getragen, dann könnte man die „Dunning-Krüger-These“
als notwendiges Korrektiv anwenden; wenn da nicht ausgerechnet die
zentrale Prämisse dieser These, nämlich das grundsätzliche Unvermögen
zur Wahrnehmung der eigenen Inkompetenz bzgl. eines Sachverhalts dagegen
stünde!
Der Grundtenor des „Dunning-Krüger-Effekts“ ist somit eine
„Binsenweisheit“, diese grob ausgedrückt: wer „bildungsschwach“ ist
(welch toller Neusprech!!), kann schlichtweg seine Inkompetenz (sprich
eigene Dummheit) gar nicht erkennen.
Vielleicht sollte man doch kurz noch auf die Begrifflichkeit von
Kompetenz eingehen: Ohne nun diverse Definitionen zusammenzutragen,
beziehe ich mich auf jene, die mir im Gedächtnis geblieben ist; nämlich
Kompetenz als Zuschreibung von Zuständigkeit für ein Thema oder eine
übertragene verantwortungsvolle Aufgabe zufolge von Wissen und
Erfahrung. Mehr braucht man diesbezüglich nicht anzuführen, da uns
tagtäglich beliebige Beispiele von Kompetenz und demnach auch von
Inkompetenz vor Augen geführt, nicht selten aber auch von Medien
konstruiert und beigemessen werden.
Dieses
hochnäsige Sozialforscher-Geschwätz können wir hier getrost
beiseite lassen, da wir uns hier ganz elementar und ohne
wissenschaftlichen Anspruch über die Dinge zwischen „Himmel und Erde“
austauschen.
Dieses "da wir uns hier..." ist mir suspekt. So wie die Aussage der
Buchautorin, die du zitiertest, dass ihr Buch ja keine
wissenschafltiche Arbeit sei.
Das ist mir klar! :-))
Demnach wäre hier in der Runde eine andere Eigenschaft vorhanden als
sonst. Aber was für eine? Wie vorhin: Im Kern wird die "gewisse
Inkompetenz" nicht überspielt, der Kern ist es, der immer schwelt,
der nicht aufgegeben wird, und nicht aufgegeben werden kann. Kann ich
daraus schließen, dass jede Meinungsäußerung eine Kommentierung des
Kerns ist, der nicht in Frage gestellt werden will, und wenn, dann nur
am Rande.
Dieser Schluss ist m.E. absolut zutreffend. Und ich sehe immer wieder
Dein Bemühen um Vermittlung sowie immer auch wichtige Hinweise als
Korrektiv!
Und wie
gesagt: um überhaupt eigene Inkompetenz erkennen zu können,
bedarf es geduldiger Gesprächspartner, die einem
diese im„Spiegel des Dialogs“
vor Augen führen.
Einverstanden und vielen Dank für's Lesen und Kommentieren. Nebenbei
gesagt: Obwohl ich hier ein wenig mit mache, sehe ich mich nicht als
Meinungsaustauscher und schon gar nicht als Überzeugungsdiskutant an.
Also kann gerne jemand dabei denken und gar schreiben: Was für ein
Schwadronnierer! Was für ein Geschwafel Übrigens lache ich mich
hoffentlich nicht zu Tode jetzt. Ich frage mich sowieso, wie viele
hier: Wer liest unsere Produkte hier? Und wie viele sind es?
Potentiell sind es um die Siebzig, faktisch wohl die hier üblich aktiv
Schreibenden.
Die berühmt "schweigende Mehrheit" bietet im Dunkel dieses Koilon ja
gerade Ansporn für oben beschriebenes Bühnen-/Rollenspiel. Steckt nicht
der Missionar in vielen von uns!? (Ich weiß: "uns" gefällt Dir nicht!)
Ich würde wiederholt sagen, dass sich hier über Jahrzehnte! quasi
Brief-Freundschaften entwickelt haben. Und echte Freunde sollten ihre
"echten" Meinungen austauschen, auch wenn deren "Kern" unveränderlich
resp. unveränderbar bleiben sollte.
Was aber über dieses "Bleiben" hinausgeht, ist ein stets mit den
Diskussionen einhergehender Wissens-/Erfahrungszuwachs oder einfach nur
die Erweiterung des eigenen "Ereignis-Horizonts", sprich: qualitativer
Informationsgewinn.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
PS: Voraussichtlich werde ich aus med. Gründen einige Zeit hier
wegbleiben müssen. Also keine Angst (oder Genugtuung) - ich komme (sehr
wahrscheinlich) wieder!