hallo in die Runde, hallo Joseph
ich habe vor kurzem etwas gefunden, also einen Text zur "babylonischen
Sprachverwirrung"
in dem der Autor beschreibt wie sehr sich die Begriffe wehren in beiden
Sprachen korrekt zu wirken.
die aktuelle Runde spielt auf diesem Gebiet, wie es mir vorkommt, darum
hier ein "Vollzitat"
quelle:
https://www.exlibris.ch/de/buecher-buch/deutschsprachige-buecher/das-
tibetische-Totenbuch/id/9783442337743?gclsrc=aw.ds
Bei der Übersetzung eines »östlichen« Textes wie des vorliegenden in eine
westliche Sprache bewegt sich ein Übersetzer auf einem gedanklichen
Terrain,
für das noch keine allgemein anerkannten begrifflichen Landkarten bestehen.
Während sich das abendländische Denken seit Jahrhunderten zunehmend auf
die Erforschung des materiellen Aspekts der Wirklichkeit durch die
Naturwissenschaften spezialisiert hat (was zu einer materialistischen
Weltanschauung geführt hat, für die »geistige« oder »Bewusstseins«-
Phänomene bloße Epiphänomene materieller Prozesse sind), haben einige
östliche Kulturen die Erforschung des Geistes durch introspektive
Wissenschaften bis zu einem dem westlichen Denken bisher unbekannten
Ausmaß der Spezialisierung vorangetrieben (und hier wird die materielle
Welt
eher als Epiphänomen geistiger Prozesse verstanden).
Für die hochdifferenzierte Terminologie dieser introspektiven
Wissenschaften des
Geistes gibt es in den westlichen Sprachen oft ebenso wenig »exakte«
Entsprechungen wie etwa für die spezielle Terminologie der modernen Physik
in östlichen Sprachen. Die westlichen Begriffe, die zur Übersetzung dieser
Terminologie herangezogen werden, sind also oft nur grobe Annäherungen an
die Bedeutung der Originalbegriffe, die sich in letzter Konsequenz erst
durch
den Nachvollzug der »Praktiken« dieser Wissenschaft in der eigenen
Erfahrung erschließt.
Buddhistische Schriften werden erst seit einigen Jahrzehnten in größerem
Umfang in westliche Sprachen übersetzt. Viele Übersetzer haben eine eigene
Terminologie entwickelt, die sich manchmal erheblich von der anderer
Übersetzer unterscheidet. Im deutschen Sprachraum haben sich zudem einige
Begriffe aufgrund früher relativ unreflektierter Übersetzungen aus dem
Englischen eingebürgert, und die Begrifflichkeit einer deutschen »Dharma-
Sprache« ist noch relativ wenig entwickelt. Deshalb bleiben einzelne
Termini
(auch aufgrund unterschiedlicher Auffassungen verschiedener
Schulrichtungen) umstritten.
Der Übersetzer der englischen Fassung, auf der die vorliegende deutsche
Übersetzung basiert, hat - sicherlich mit Bedacht - eine Terminologie
entwickelt, die sich zum Teil von der bereits bekannten Begrifflichkeit
anderer
Übersetzungen unterscheidet. Da hiermit ganz offensichtlich wichtige
Nuancen der Bedeutung der Originalterminologie zum Ausdruck gebracht
werden sollen, wurde in der deutschen Übertragung versucht, die Nuancen
dieser englischen Terminologie so gut wie möglich wiederzugeben, statt auf
bereits bekannte deutsche Übersetzungsvarianten zurückzugreifen. Da
Übersetzung immer auch Interpretation ist, bleibt hier allerdings
unweigerlich
immer auch Spielraum für unterschiedliche Meinungen und Auffassungen.
Die Übersetzung zweier für diesen Text ganz wesentlicher Termini soll kurz
kommentiert werden.
Der erste ist der Begriff »natürlich« (engl. natural). Für das stark
dualistisch
geprägte abendländische Denken, das zwischen »Geist« und »Natur« einen
grundlegenden Unterschied konstruiert, bezeichnet »Natur« im Allgemeinen
den materiellen Aspekt der Wirklichkeit, der unabhängig sein soll von den
»geistigen« Intentionen des Menschen, der sich in vieler Hinsicht
geradezu als Antagonist zur Natur versteht.
Wenn man in abendländischer Begrifflichkeit sagt, dass etwas auf
»natürliche«
Weise geschieht, so meint man damit im Allgemeinen, dass es ohne
Einmischung des Menschen mit seinen Intentionen entsprechend den
Gesetzen der von der Dimension des »Geistigen« unabhängigen »Natur«
geschieht, also etwa entsprechend dem rein mechanistisch verstandenen
Naturgesetz von Ursache und Wirkung.
Diese Art von »Natürlichkeit« wird in gewissen Zusammenhängen dann wieder
romantisch als der einzig »wahre« und »authentische« Aspekt der
Wirklichkeit
verklärt, womit praktisch ein materialistisches Grundverständnis
verstärkt wird.
Das, was in westlichen Sprachen mit dem Begriff »natürlich« übersetzt wird,
hat in einigen östlichen Sprachen jedoch eine ganz andere Bedeutung:
Es bezeichnet etwas, das »von selbst so« ist, ohne jegliche Ursachen und
Bedingungen, das »einfach« geschieht oder ist, ohne von etwas
Vorhergehendem oder Determinierendem (wie »Naturgesetzen«) abhängig zu
sein. Es ereignet sich völlig »spontan«, und dieser Begriff »spontan« wäre
aufgrund des oben Gesagten in diesem Text in vielen Zusammenhängen
vielleicht eine treffendere Übersetzung als »natürlich«.
Da Gyurme Dorje jedoch sowohl die englischen Begriffe »natural« als
auch »spontaneous« verwendet, wurde in der deutschen Fassung
entsprechend »natürlich« und »spontan« verwendet, wobei der Leser
in Erinnerung behalten sollte, dass bei dem Begriff »natürlich« meist
auch die oben angesprochene Auffassung von »spontan« mit klingt.
Eine von der gewohnten deutschen Terminologie abweichende Übersetzung
bedarf vielleicht der Begründung: Der tibetische Begriff drag po'i (engl.
wrathful) wird im Deutschen oft mit »zornvoll« oder »zornig« übersetzt.
»Zorn«
ist im Buddhismus jedoch eines der »Geistesgifte« oder einer der
»Unstimmigen Geisteszustände«, und wie im Glossar (unter dem Stichwort
»Rasende Aktivität«) ausgeführt, sollte das Konzept dieser »heftigen« (eine
weitere Bedeutung von drag po'i) Energie nicht mit Zorn im Sinne auch
nur der
geringfügigsten egozentrischen Wut oder Heftigkeit in Verbindung
gebracht werden.
Gemeint ist eine ungezügelte »aggressive« Qualität, die eine sich ihr in
den Weg stellende entsprechende verblendete Qualität zu überwältigen und
umzuwandeln vermag. Für diese Art »überwältigender Heftigkeit« bietet sich
(auch wenn man sich die entsprechende Ikonografie vor Augen führt) der
deutsche Begriff »Raserei« an, weshalb hier die Übersetzung »Rasende
Gottheiten« beziehungsweise »Rasende Aktivität« anstelle von »Zornvolle
Gottheiten« beziehungsweise »Zornvolle Aktivität« gewählt wurde.
Viele tibetische beziehungsweise Sanskrit-Termini des Buddhismus müssen
mit mehreren deutschen Begriffen übersetzt werden, meist mit einem durch
Adjektive oder Zahlwörter qualifizierten Substantiv (z. B. »Ruhiges
Verweilen«,
»Drei Kostbarkeiten«). Um deutlich zu machen, dass es sich hierbei um einen
Fachbegriff handelt (also nicht etwa ein »ruhiges« im Gegensatz zu einem
»unruhigen« Verweilen oder »drei« von vielen möglichen »Kostbarkeiten«
gemeint sind), wurde auch das Adjektiv beziehungsweise Zahlwort
großgeschrieben.
Der deutsche Übersetzer ist sich der Begrenztheit seines Verständnisses der
überaus tiefgründigen Texte, die hier vorgelegt werden, bewusst, und auch
wenn nicht jeder Leser mit allen seinen übersetzerischen Entscheidungen
einverstanden sein mag, hofft er, damit doch im Großen und Ganzen einen
kleinen Beitrag zur Diskussion um eine deutsche Dharma-Sprache geleistet zu
haben.
Stephan Schuhmacher Le Montat, Frankreich
Zitat ende.
auf der Suche, was das alles hier soll auf diesem Globus, warum, wozu
und überhaupt
gibt es in jeder Hinsicht "Stolperstellen"; eingebaute Hürden um die
ganze Geschichte
noch mehr zu verwirren, noch interessanter zu machen (?)
also wie hier gerade in der laufenden Runde die "Wertigkeit" von Mathematik,
Physik, Metaphysik mit Einbeziehung von "Glauben" im Allgemeinen und
real beweisbaren natürlichen Vorkommen von berechen-, und oder-
bezifferbaren
Formeln, Regeln handfesten Grundlagen für eine aussagekräftige Ordnung
im Universum.
gruss aus schorndorf
in<suchenistwesentlichinteressanteralsfindenwegenungefährdetemE>go
Am 24.05.2021 um 01:12 schrieb Joseph Hipp via Philweb:
[Philweb]
Ich versuchte, herauszufinden, was zu Referenz und Relativität gedacht
werden kann, nicht im Sinne der Relativitätstheorie,
sondern im Sprachgebrauch und
in der Geschichte. Bei meiner Suche
entstand der folgende Kommentar:
https://weltordnung.de/Referenz-Rundgang.html
Dort befindet sich auch der Satz aus einer bekannten Diskussion, nach
dem „die Inhalte der „Anschaulichkeit“ oder des „gesunden
Menschenverstandes“
historisch gewachsen und veränderlich sind, sodass sie nicht
als
Kriterien für die Richtigkeit einer Theorie verwendet werden können.“
Weil sich in der Geschichte der Kritik der
Relativitätstheorie einige
um Lösung der Welträtsel bemühten, schrieb ich zudem eine kleine
Kritik der Nutzung des Wortes Rätsel.
Hier folgt ein weiterer Text:
https://weltordnung.de/Weltraetsel-Zahlenreihe-fuer-Politiker.html
Es ist ein Rätsel für Politiker, gleichzeitig eine Kritik der
Schwerfälligkeit der Änderungen bei einer einzigen kollektiven
Gewohnheit.
Für Hinweise, auch auf inhaltliche Mängel und Fehler bin ich dankbar.
Joseph Hipp