Am 26.06.2021 um 18:42 schrieb waldemar_hammel:
Am 26.06.2021 um 03:04 schrieb K. Janssen:
Zum vielfach wiederholten Male wird in unserer Disputation deutlich,
aus welch fundamental unterschiedlichen Blickwinkeln und
offensichtlich auch Lebenserfahrungen wir auf die betrachteten Themen
sehen. Und nicht nur diesbezüglich, sondern auch was die Sicht auf
uns selbst sowie unsere Lebensziele anbelangt, sehe ich keinerlei
Kongruenz.
-disputation- ein schönes, und auch von mir präferiertes wort ...
"keinerlei kongruenz" sehe ich allerdings nicht, denn gerade aus
polarisierungen (dein yin-yang, wenn du so willst) wird ja ein ganzes,
die ganze welt "läuft" polarisiert, oder garnicht,
denn ohne pole ist stillstand = wie eine kaputte uhr
Du schreibst, Waldemar, es wäre nicht fehlende Kongruenz bezüglich
unserer beiden Weltbilder, diese stünden sich lediglich polar entgegen.
Abgesehen davon, dass nicht gegebene Kongruenz das Fehlen von
Deckungsgleichheit bedeutet (also keine Schnittmenge zwischen zwei
Mengen besteht, in unserem Fall also divergierende Ansichten auf „Gott
und Welt“), bestätigst Du gleichermaßen meine hier oft dargelegte
Bedeutung resp. die Notwenigkeit von Polarität. Diese habe ich praktisch
am Beispiel einer entladenen Batterie aufgezeigt, die keinerlei
energiespendendes Spannungsfeld mehr aufbaut.
Wie Du zudem in diesem Zusammenhang auf mein hier vorgebrachtes
YIN-YANG-Symbol hinweist, ist für mich erstaunlich, da Du dieses
seinerzeit eher verächtlich abgetan hast.
Die geniale Darstellung dieses Symbols zeigt doch geradewegs die
Notwendigkeit einer sich ergänzenden Polarität durch präzise
Ausgewogenheit von Komplementarität, die in ihrer Gesamtheit (im Symbol
durch den die Pole umgebenden Kreis versinnbildlicht) die enorme Kraft
und Bedeutung dieses elementaren Prinzips allen Lebens ausdrückt.
Es mag auf Anhieb paradox erscheinen, wenn die Notwendigkeit von
Polarität beschworen und gleichermaßen die Bedeutsamkeit der
Ausgewogenheit zwischen diesen hervorgehoben wird. Ausgewogenheit kann
in diesem Fall jedoch nicht mit Ausgeglichenheit also einer Egalisierung
zwischen den Polen gleichgesetzt werden.
Dort, wo es nicht (bzw. nicht mehr) gelingt, diese Ausgewogenheit in
ihrer lebensbedingenden Dynamik herzustellen bzw. zu erhalten, kommt es
zu Verwerfungen oder Katastrophen der von Dir geschilderten Art.
Die notwendigerweise fortwährend auf‘s Neue herzustellende
Ausgewogenheit zwischen den Polen (in zahllos ausgedrückter
Begrifflichkeit von Polarität, wie Plus-Minus, Licht-Dunkelheit,
gesund-krank, gut-böse usf.) kann der Dynamik des Lebens zufolge nicht
im Bemühen um ein statisches Gleichgewicht erfolgen; das verdeutlicht
die geschwungene Linie zwischen den Polen des YIN-YANG-Sinnbilds.
Unglücklich, dass ich mich immer wieder zu wiederholen gedrängt fühle;
diesbezüglich hatte hier schon das Beispiel vom Seiltänzer gebracht:
Kaum einer geht (im realen Leben) auf direktem „Königsweg“ über das Seil
des Lebens, welches es, solchermaßen zwischen Geburt und Tod gespannt,
unausweichlich zu überqueren gilt.
Von Eltern auf dieses gehoben und mit deren Hilfe die ersten
balancierenden Schritte eingeübt, liegt es vornehmlich im eigenen
Geschick, den „Seiltanz des Lebens“ ohne Absturz zu bewältigen;
bisweilen strauchelnd oder zwischendurch in ein Sicherheitsnetz
(glücklich, wem dieses aufgespannt ist) aufgefangen, letztlich das
„Ziel“ erreichend, könnte man von dort geradewegs wieder zurückgeschickt
werden: anderes Seil, anderes (Un)Glück!
Und immer wieder geht die Sonne auf! Dieses lebensbejahende Liedchen aus
den späten 1960ern lässt mich geradezu an ein weiteres Bild von
Polarität und damit ein Beispiel für unsere unterschiedlichen
Sichtweisen denken - Licht und Schatten:
Den Schatten betreffend, beschreibst Du weit überwiegend ein in diesem
liegendes Weltgeschehen und Du selbst kannst oder willst auch nicht
mehr aus diesem Schatten hervortreten. Im übertragenen Sinne gesehen,
kann Dich die „Sonne des Lebens“ nicht mehr erwärmen. Wer jedoch glauben
wollte, immer von dieser gewärmt oder gar im gleißenden Licht der Sonne
verweilen zu können, würde sich dort allenfalls versengen.
Sich dem Wechsel (der Maxime allen Lebens), als dem ohnehin das
Alltagsleben bestimmende Wechselspiel zwischen Licht und Schatten,
partout widersetzen zu wollen, führt (vorbei an jedem Versuch einer
„Selbst-Therapie“) zu „Erfrierungen“ oder eben „Verbrennungen“.
Vorzeitig schon, möchte man sagen – denn wenn Du Dich und uns alle hier
in „6 -10 tausend Jahren“ als Wassergläser füllende Atome siehst
(einschließlich derer eines wahrscheinlich-nie-gelebten "jesus"), kann
man nach heutiger Kenntnis der Kosmologie sehr sicher davon ausgehen,
dass wir in zugegeben nicht vorstellbarer Zeit uns allesamt im Zustand
maximaler Entropie befinden und dort frierend als Quantenschaum auf die
„Umkehr“ dieses Geschehens „warten“;
Apropos warten: Es bleibt uns erspart, denn wo keine Materie, da keine
Zeit - da kein Warten. Wir verharren bis zum nächsten Urknall (hier
tatsächlich purem Zufall ausgeliefert), dort werden wir dann
„Verbrennungen höchsten Grades“ erleben.
Ernsthafte Frage an dieser Stelle: Wen kümmert das hier und jetzt? Denn
jetzt wollen, sollen und vor allem dürfen wir leben!
Wer sich nun dennoch bekümmert, wie es mit ihm weitergeht, kann entweder
nach Himmel und Hölle (in welchen kosmischen Gefilden auch immer)
suchen, sich grübelnd in diesbezüglich fernöstliche Vorstellungen oder
sonstige Esoteriken vertiefen oder Gedanken über Nietzsches „ewige
Wiederkehr“ anstellen:
/„Das grösste Schwergewicht. – Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts,
ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte:
‚Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch
einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues
daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und
Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines Lebens muss dir
wiederkommen, und Alles in der selben Reihe und Folge – und ebenso diese
Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser
Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer
wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!‘ – Würdest du
dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon
verfluchen, der so redete? /
Wie ich kürzlich hier schon ausführte: Die Renaissance von Maxwells
Demon. Von Maxwell mag Nietzsche gewusst haben, von Quantenphysik
fraglos nichts!
Auf Maxwells Demon und Deiner Frage nach dem „zerdepperten Glas“ komme
ich ein anderes Mal zurück.
Wie Du Polarität zuletzt in ihrer vernichtenden Gegensätzlichkeit sehr
detailliert an Beispielen tragisch-menschlicher Schicksale
(einschließlich Deiner eigenen diesbezüglichen Befindlichkeit) dargelegt
hast, wird überaus deutlich, wie sich Menschen zwischen einem (meist
zunächst sozialisierten) Idealbild und der Realität der Lebenswelt
aufreiben und damit bisweilen grotesk anmutende Ausformungen „mentaler
Zerrissenheit“ inszenieren.
Das menschliche Schicksal, zwischen den Polen von Ideal und Realität
hin- und hergeworfen und letztlich dadurch förmlich zerrissen zu sein,
hat kaum jemand dermaßen dramatisch selbst erlebt und beschrieben wie
Nietzsche.
Erlebt hat er das zufolge seiner außergewöhnlichen Wesensart und
offengelegt in der im eigenen Genialität herausragend literarischer
(wenngleich oftmals verstörender) Ausdruckskraft.
Weniger (wenn überhaupt) war Kant der „Alleszermalmer“, wie Moses
Mendelsohn ihm das zuschrieb, sondern Nietzsche!
Solchermaßen selbst hin und her gerissen, zwischen Ideal- und Zerrbild
von Mensch und Lebenswelt, liegen Nietzsches Vermögen und Verdienst
darin, gleichermaßen durch u.a. Gesellschaft, Religion verbrämte
(Schein-)Bilder unerbittlich und ohne Rücksicht auf Freund und
Widersacher zu zerreißen.
Er selbst war in vielerlei Hinsicht gespalten: Wahrheit suchend, Natur
wie auch das Leben glorifizierend und alles gleichermaßen verfluchend;
Erbarmungslose Ungeheuerlichkeit für Freund und Feind!
Hinter allem hier nun zu Nietzsche Geschriebenem steht die Frage, wozu
dieser immer wieder erfolgende Rückgriff auf derartige Figuren der
Weltgeschichte, wie eben auch auf Christus?
Ich denke, dass auf die prinzipiell essentiellen Fragen nach der
Beschaffenheit, den Ursachen, nach Sinn und Zweck der erkannten bzw.
vermuteten Strukturen von Lebenswelt und Kosmos schon seit den Anfängen
der Philosophie erstaunliche und gleichwohl zutreffende Antworten
gegeben wurden.
Vornehmlich diesbezügliche Prinzipien anbelangend, sind diese bereits
hinreichend in mannigfaltiger Ausformung dargelegt, jedoch in einer vom
Löwenanteil der Menschheit nicht zu verstehenden resp. nicht
vermittelbaren „Sprache“. Diesbezüglich denkt man an Nietzsches
„unverdauliche Wissenssteine“.
So bleibt es (bis auf weiteres) bei beliebigen Interpretationen, wie
etwa dieser:
Noch einmal Nietzsche und sein (nie von ihm verlorenen, wenngleich
verzweifeltem) Bezug auf Gott und damit generell die Beziehung zwischen
Gott und Mensch.
Es ist ausdrücklich keine einseitige Beziehung, wie diese sich in
christlich-protestantischer Auslegung und generell im Moralkodex des
christlichen Abendlands darstellt, sondern ein sich gegenseitig
bedingendes Verhältnis, ausgedrückt durch Zarathustras mächtige
Introduktion:
/
„Als Zarathustra dreissig Jahr alt war, verliess er seine Heimat und den
See seiner Heimat und ging in das Gebirge. Hier genoss er seines Geistes
und seiner Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahr nicht müde. Endlich
aber verwandelte sich sein Herz, – und eines Morgens stand er mit der
Morgenröthe auf, trat vor die Sonne hin und sprach zu ihr also://
//
//„Du grosses Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht Die hättest,
welchen du leuchtest!“/
Das beschreibt auf grandiose Weise die elementare Notwendigkeit einer
Wechselbeziehung zwischen dem EINEN und dem VIELEN, darin verbirgt sich
das Geheimnis des EINEN im VIELEN und vice versa. Fruchtbar wird diese
Beziehung allerdings nur im Falle wirklicher „Verschränkung“, d.h. einer
sich einstellenden „Resonanz“.
Man muss das inzwischen nicht mehr nur metaphysisch, literarisch oder
gar theologisch sehen; vielmehr deuten diesbezüglich mittlerweile auch
naturwissenschaftlich „vom blöden Volk“ verstandene Zusammenhänge darauf
hin, dass der Blick auf „Gott und die Welt“ nicht durch plump
vermittelte Religion oder im Grenzfall durch Wunder- oder Götterglauben
verstellt sein muss.
Ebenso müßig dann auch die provokativ angelegte Frage:
/wh://„wenn es den christus = gesalbten, namens jesus = ichtyos = fisch,
historisch gar nicht gegeben hätte, kein wunder, dass er beim blöden
volk dann unverstanden bleiben muss(te), das liegt aber in der natur der
sache, oder ?/
Ob dieser „Christus“ (als der von Dir ostentativ spöttisch benannte
„Gesalbte“) als real historisch existierende oder lediglich als
literarisch gesetzte Figur in die neuere Kulturgeschichte eingegangen
ist, spielt für unsere Betrachtung keine Rolle – darüber mögen sich
Theologen, Historiker, Sophisten aller Art, vor allem die neuen Apostel
sowie „all kind of narrow minded people“ weiterhin trefflich streiten!
Wenn man jedoch (wie so oft) der Versuchung erliegt, sich über die
„blöden“ anderen zu entrüsten; sei es zufolge von indirekten, über die
Medien oder unmittelbar selbst wahrgenommene Eindrücke im
gesellschaftlichen Umfeld; letztere zeigen aber auch immer eine ebenso
zutreffende Eigenschaft der Mitmenschen, nämlich die von Klugheit,
Vernunft, Einfühlsamkeit und nicht zuletzt eine beeindruckende
Mitmenschlichkeit. Bisweilen denke ich, dass dieses Menschenbild Dir,
Waldemar verborgen zu sein scheint oder Du es schlichtweg nicht sehen
willst.
Ganz offensichtlich sind Dir, Waldemar noch andere Dinge verborgen, wie
das Deine Fragen nach den „Taten“ des benannten Christus zeigt. Darauf
möchte ich ein anderes Mal eingehen.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl