Am 08.12.22 um 11:45 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
 > Am 07.12.2022 um 08:16 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb  
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
  
> Analog dazu wäre
Wissenschaft wegen des Fallibilismus ebenso, auch  
dort wird ständig umgeschrieben.
Und Wissen wäre das nie erreichbare 
Ideal. Hier könnte an Platos Ideenlehre gedacht werden. Ich vermute, 
dass diese Analogie bei den Formalwissenschaften nicht vorliegt, weil 
diese mit idealen Bausteinen fortschreiten.
 
 Hi JH,
 seit Galilei sind physikalische Theorien nicht mehr fallibel, fehlbar  
sind nur
Hypothesen. Innerhalb ihres jeweiligen Gültigkeits- und 
Genauigkeitsbereiches ergänzen sich physikalische Theorien und sind 
sogar kumulativ — zumindest solange es noch Menschen bzw. Physik 
treibende Roboter gibt. Darüber hatten wir hier bereits vor Jahrzehnten 
mit dem Popper-Fan Niemann diskutiert. Popper wird als 
Wissenschaftsthoretiker überschätzt, er war vornehmlich politischer 
Philosoph.
 
 IT 
Ich bin kein Freund der Wendung "Ausnahmen bestätigen die Regel", nur 
ist in der extensionalen Definition von Wissen und Wissenschaft sehr 
viel enthalten, so dass einiges nicht immer vorkommt. Es habe mir sagen 
lassen, dass es Vögel gibt, die nicht fliegen können.
Vorher schriebst du:
  
ja, Wissenschaft erzeugt Wissen und das ist
vielen Philosophen natürlich 
wichtiger als bloße Information. Der Propaganda für die 
Informationsgesellschaft gegenüber redete bspw. Jürgen Mittelstraß in 
den 1990er Jahren dem Übergang in die Wissensgesellschaft das Wort; denn 
„Information, so Mittelstraß, sei lediglich eine Artikulationsform, 
durch die Wissen gleichermaßen wie Meinung transportabel gemacht werden 
kann. Wissen setze Lehrbarkeit, Prüfung und Selbständigkeit im Umgang 
mit dargebotenen Informationen voraus. Wer auf Information allein 
vertraue oder vertrauen müsse, dem gehe der Unterschied zwischen Meinen 
und Wissen verloren, und er münde schließlich ein in einen Zustand zwar 
„informierter“, gleichwohl aber desorientierter Dummheit.“ So gab Hans 
Rott 2002 in einem Artikel zu „Meinen und Wissen“ die Klage 
Mittelstraßens zum Verlust des Wissens wieder. Unterdessen haben wir 
nicht einmal die Informationsgesellschaft erreicht, da wird die 
Wissensgesellschaft Utopie bleiben.
Immerhin: „Das Vertrauen der Deutschen in Wissenschaft und Forschung ist 
ungebrochen hoch: Laut aktuellen Daten des Wissenschaftsbarometer 2022 
geben 62 Prozent der Deutschen an, dass sie Wissenschaft und Forschung 
eher oder voll und ganz vertrauen (Herbst 2021: 61 Prozent; Herbst 2020: 
60 Prozent). Auch das Interesse bleibt stabil. Mehr als die Hälfte der 
Befragten (54 Prozent) zeigt eher großes oder sehr großes Interesse an 
Wissenschaft und Forschung.“ Ich halte um die 60% allerdings nicht für 
hoch, lediglich für moderat.
---
Daraus folgere ich, dass du durchaus Definitionsprobleme erkennst, die 
du nicht so recht löst. Was ist das Zitieren der Prozente anders als 
Informieren über Wissen, in diesem Fall über Wissen über Vertrauen?
Wenn physikalische Theorien infallibel sind, dann können die 
Wissenschaftler sich ausruhen und einen anderen Beruf suchen, oder 
nicht? Oder dann kann Wissenschaft nichts Neues bei diesen erzeugen, 
oder immer nur mehr im Kleinen .... Bis die Sache nur noch von KI 
gehandhabt werden kann, und die Bediener das Wissen nur noch zu ernten 
brauchen. Das sind entfernte Nebenkriterien, die ich nur zu vermuten gebe.
Noch eine Frage: Kommen Theorien ohne Hypothesen aus? Strahlt die 
Fehlbarkeit der Hypothesen nicht auf die Theorie selbst aus? Und wie ist 
es mit der Annäherung? Du weißt ganz genau, dass die Annäherung an 
Unendlich ...
Fehlbarkeit, Bereitschaft zur Verbesserung, all das könnte mit dem Wort 
Fallibilismus gedacht werden. Denn nur der Papst war unfehlbar, bis zu 
einem bestimmten Zeitpunkt, habe ich mir sagen lassen.
JH