Am 05.10.2022 um 08:07 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb:
Am 04.10.22 um 19:51 schrieb Claus Zimmermann über
PhilWeb:
Dass der Wahrnehmungsapparat die Wahrnehmung
beeinflusst ist eine
Erfahrungstatsache, die ja nicht ernsthaft bestritten werden kann.
Ich möchte mich zwar nicht mit meiner unüblichen Denkweise aufdrängen,
nur kann ich leider nicht anders.
Geht mir ähnlich.
Einerseits kennen wir die vielen Wörter, welche
Kausalität andeuten
sollen, so etwa das Wort "beeinflussen". Ich könnte auch hier von
Lemmata statt von Wörtern ausgehen, das mache ich nicht, weil jedes
Wort eine kleine Differenz zum anderen hat, so dass es schwer ist,
zwei Wörter auf ein einziges Lemma zu reduzieren, beispielhaft hier
"beeinflussen" und "Einfluss".
Zurück zu Kausalität: "beeinflusst" ist eindeutig Kausalität. Ebenso
wie andere Wörter, bei denen implizit gedacht werden soll, es sei
keine Kausalität vorhanden. So etwa ist "auslösen" auch so ein Wort,
und weiter die Wörter "weil", "wegen" als Beispiele.
Bei Kausalität muss immer gedacht werden, dass die Sprache vorgibt,
dass nicht nur eine Ursache, sondern mehrere Ursachen (Sachen)
implizit mitzudenken sind. Multikausalität ist schon implizit in der
Sprache, es braucht eigentlich nicht daran erinnert zu werden. Ein
Beispiel: Wenn jemand sagt: Die Ursache des Unfalls waren die
Promille, dann schließt er die die anderen Ursachen (zur selben Zeit
und vorher) nicht aus. Wie adäquat die Wörter zu den Sachen sind, ist
eine andere Frage. Der Alkohol käme adäquater in der Ursachekette vor
als die Promille. Er käme genauer an die Sache heran.
Insgesamt würde ich den Satz des Claus umbauen auf:
"Dass in der Person Sachen sind, die das was sie denkt, verursachen,
kann nicht bestritten werden."
und wer unbedingt die Multikausalität im Satz betonen will, sagt dann:
"Dass in der Person Sachen sind, die das was sie denkt,
mitverursachen, kann nicht bestritten werden."
Ich würde sicherheitshalber zwischen Motiven, Gründen und Ursachen
unterscheiden, um Verschiedenes nicht in einen Topf zu werfen, auch wenn
das umgangssprachlich manchmal durcheinandergeht.
Dass ich nichts mehr sehe, wenn ich die Augen schliesse, kann ich nicht
wissen, bevor ich es feststelle. Hier würde ich von Ursache reden.
Ich weiss aber natürlich, welche Umstände mein Denken und Handeln
beeinflussen. Hier würde ich von Gründen oder Motiven reden.
Ausserdem und wieder etwas anderes wären da noch die logischen, formalen
Gründe.
Der logische Grund oder die Voraussetzung impliziert die Folge, die
inhaltlich nicht über den Grund/die Voraussetzung hinausgeht, sondern
ihn/sie in anderer Form nur wiederholt. Die Wirkung ist in keiner Weise
in der Ursache enthalten. Man kann sie der Ursache auch bei
gründlichster Untersuchung nicht ansehen. Auch in einem Motiv, das uns
mehr oder weniger stark in eine bestimmte Richtung zieht, ist die
Handlung noch nicht enthalten, auch wenn man manchmal auf eine bestimmte
Handlung wetten würde.
Nach diesem Umbau oder Umbruch wird ersichtlich, dass der Betrachter
so denken kann, die Person in ihrer modernen Version (vielleicht seit
Immanuel Kant) weist die Kausalität streng von sich, und setzt
vielleicht mit Kant den Willen an ihre Stelle. Oder zum Beispiel ihre
Freiheit oder gar ihre Persönlichkeit, die selbstverständlich mehr ist
als ein Klotz Holz, nur wäre diese Erwiderung außerhalb der hier
besprochenen Sache.
Das vorhin geschriebene ist keine Spitzfindigkeit. Es drückt sich auch
mit Sätzen aus, die ich einer Person in den Mund legen würde mit
folgendem Satz: "Otto sagt, dass Peter in seiner eigenen besonderen
Welt lebt." Peter würde erwidern: "Nein, ich weiß vielleicht besser
als du, wie die Welt ist, oder zumindest genauso gut, auch ich war
einmal in der Schule."
Wenn also für den Betrachter zwei Personen vor einer bestimmten Sache
sind, dann können sie nicht "objektiv" sagen, wer die Sache korrekt
sieht, wegen des oben angegebenen Problems. Das ist die Antwort auf
die Frage:
> Und deshalb können wir nichts von der "wirklichen Wirklichkeit" wissen?
Wegen der in beiden Fällen unterschiedlichen Motive, Wünsche,
Veranlagungen? Die ziehen sie zwar vielleicht fast unwiderstehlich in
eine bestimmte Richtung, zwingen sie aber weder zu bestimmten Gedanken,
noch zu bestimmten Handlungen.
Egal was Sache ist, die vor den Personen ist, ist das der Fall. Allein
das "wir" im Satz müsste stutzig machen. Bei Interesse schreibe ich
demnächst mein Beispiel mit den zwei Forschern, einem Mikroskop und
den zu betrachtenden Mikro-Sachen.
Eine Verallgemeinerung der Sachen mit dem Wort "Wirklichkeit" oder
"wirkliche Wirklichkeit", die nicht aus Einzelfällen heraus
hergestellt wird (hypostasiert wird), sondern nur einfach so zu denken
ist, ist keine "gute" Verallgemeinerung. Das Wort Wirklichkeit ist
dann lediglich aus der Sprache entnommen, sonst hat es in dem Fall
keine Daseinsberechtigung im Gespräch oder in der Theorie, also zu dem
Bereich, der verstanden oder beschrieben werden soll.
Ich verstehe das Problem nicht. Wirklichkeit ist doch der Gegensatz zu
Einbildung oder Traum.
Claus