Hi Waldemar,
ich halte das viele Geschreibe von und um „Autopoiesie“ (und „Information") ja für
ein gigantisch aufgeblasenes Geschwafel. Deshalb zielte meine Frage darauf, ob es so etwas
wie einen rationellen Kern gebe. Bei Haken ist es ja der Laser, der für die ganze
Synergetik stehen könnte. Ebenso nachvollziehbar ist die Hoschstilisierung der
Alltagspraxis zur Wissenschaft bei Einstein und Lorenzen. Und der rationelle Kern der
Rückkopplung ist ja schon im Fliehkraftregler Watts zu sehen, aus dem dann Maxwell bereits
eine mathematische Theorie machte. Seine Abhandlung "On Governors" erschien
1868, wurde aber erst durch die 1948 veröffentlichte Untersuchung "Cybernetics: Or
Control and Communication in the Animal and the Machine“ Wieners in der scientic community
zur Kenntnis genommen. Und ebenso aufgeblasen scheint mir die Sphären-Trilogie Sloterdijks
zu sein. Obwohl darin auch viel Witz und Ironie stecken dürfte und zudem eine
Naturalisierung ihren Ausgang nehmen könnte: Von der Blastula zur Fruchtblase, vom Seifen
blasenden Kind zur Physik der Grenzschichten und kritischen Phänomene - und "money is
a gas“ sangen Pink Floyd einst, wobei die Spekulationsblasen tatsächlich gasdynamisch
simuliert werden können.
In "Humberto Maturana and Francisco Varela's Contribution to Media Ecology“ von
Ronan Hallowell ist zu lesen: "Maturana coined the term autopoiesis around 1970. The
empirical data that prompted Maturana's first conceptions of the process of
autopoiesis were rooted in early laboratory work. One of his first deep explorations of
neurophysiology, which set the stage for his eventual shift in epistemological
perspective, began with his 1958 Ph.D. dissertation on the neurophysiology of perception
in the frog (Maturana, 1958). In a famous paper entitled "What the Frog's Eye
Tells the Frog's Brain“ Maturana and co-authors "demonstrated, with great
elegance, that the frog's visual system does not so much represent reality as
construct it. What's true for frogs must also hold for humans, for there's no
reason to believe that the human neural system is uniquely constructed to show the world
as it ‚really' is.“ Das ist doch hochinteressant; denn der Frosch war ja schon bei
Galvani und Ritter zu Zeiten Goethes und Shelleys Untersuchungsgegenstand. Als
"Pudels Kern" der aufgeblasenen „Autopoiesie“ entpuppt sich der Frosch!?
Am 18.01.2021 um 21:31 schrieb waldemar_hammel
<waha3103x(a)googlemail.com>om>:
Am 18.01.2021 um 16:27 schrieb Ingo Tessmann:
Gibt so etwas wie ein "exemplarisches Experiment“ (wie in der Physik verbreitet)
auch in der Biologie Maturanas? Er soll ja mit der Sinnesphysiologie begonnen haben.
hallo ingo,
da müsste/sollte ich mal nachsehen, aktuell ist mir dazu nichts bekannt ...
ich beschäftige mich zb mit sowas (wobei ich zb mit weiten teilen unten nicht
d'accord gehe):
https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/15060/eks.pdf?sequenc…
<https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/15060/eks.pdf?sequence=1&isAllowed=y>
das alles heißt ja nur, zusammengefasst, "nix genaues weiß man nicht" ...,
aber interessant, die "laws of form"von GSBrown
wiki:
Laws of Form (ausdrückbar als "|.")
Hauptwerk Spencer-Browns sind die Laws of Form (deutsch: Gesetze der Form) aus dem Jahr
1969. Es behandelt klassische Probleme der Logik in einer heute unüblichen
Herangehensweise. Das Besondere ist, dass Spencer-Brown für seine „Gesetze“ lediglich zwei
verschiedene Zeichen benutzt: zum einen das bekannte Gleichheitszeichen, zum anderen eine
Art Negations- oder Abgrenzungs-Operator.
Das Buch ist unter Experten umstritten: Die einen betrachten es als genial, andere als
zwar originell, aber vom Erkenntniswert banal, weil es lediglich eine operationale
Umformulierung der Aussagenlogik darstelle. Tatsächlich folgt der Kalkül früheren
Versuchen von Charles Sanders Peirce und Maurice Sheffer, die Boolesche Algebra mit nur
einem Zeichen zu schreiben. Spätere Arbeiten von Peirce, zunächst entitative, dann
existentielle Graphen zu schreiben, mit denen dieses Ziel weiterverfolgt werden konnte,
blieben Spencer-Brown nach eigener Aussage unbekannt.
Die Originalität des von Spencer-Brown in den Laws of Form entwickelten Calculus of
Indications liegt in der Einführung des unmarked state und der Entdeckung seiner
Bedeutung. Erst mit dem unmarked state wird der Kalkül selbstreferenz- und
paradoxietauglich. Auf dem Umweg über the void führt die Form der Unterscheidung zurück
auf den Beobachter, der die Unterscheidung trifft. Dabei wird die Unterscheidung – und mit
ihr der Beobachter – jedoch zugleich, was sie nicht ist, eine Referenz auf die
Ununterscheidbarkeit als Voraussetzung jeder Unterscheidung. Die Laws of Form haben unter
anderem das Denken der Wissenschaftler Heinz von Foerster, Louis Kauffman, Niklas Luhmann,
Humberto Maturana und Francisco Varela beeinflusst und geprägt.
Form
Spencer-Brown definiert den englischen Begriff „form“ als Einheit aus einer
umschließenden Unterscheidung mit deren Innen- und Außenseite im dadurch hervorgebrachten
Raum der Unterscheidung. Unter Verwendung einer solchen Unterscheidung kann man danach nur
die Innenseite benennen, die Außenseite und die Unterscheidung selbst bleiben unbenannt.
Unmarked Space
Der Autor beschreibt in den Laws of Form auch das Beobachterdilemma: Jede von einem
Beobachter getroffene Beobachtung, somit Unterscheidung, impliziert demnach eine zweite
Unterscheidung: Die erste ist die Unterscheidung des jeweils beobachteten Gegenstands
(indication) – die zweite die Unterscheidung der mit der ersten Unterscheidung implizit
getroffenen Unterscheidung (distinction) des marked state von einem unmarked state.
Eine solche Beobachtung der Beobachtung wird auch „re-entry“ genannt und ist als
Theoriefigur universell, über die Mathematik hinaus, einsetzbar. Sie wird etwa bei dem
Soziologen Niklas Luhmann als Wiedereintritt in die Unterscheidung zu einer zentralen
Theoriefigur der luhmannschen Systemtheorie.
Fünf Jahre vor der Publikation der Laws of Form erzählt Italo Calvino in seiner
Kurzgeschichte Un segno nello spazio die Geschichte eines sich in seine eigenen
Markierungen verwickelnden Beobachters, namens Qfwfq, die sich wie ein literarisches
Experiment zu den epistemologischen Grundlagen (und Gefahren) einer Beobachtung zweiter
Ordnung liest.
ich grüße Dich,
wh.
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