Am 04.10.22 um 19:51 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb:
Dass der Wahrnehmungsapparat die Wahrnehmung
beeinflusst ist eine
Erfahrungstatsache, die ja nicht ernsthaft bestritten werden kann.
Ich möchte mich zwar nicht mit meiner unüblichen Denkweise aufdrängen,
nur kann ich leider nicht anders. Einerseits kennen wir die vielen
Wörter, welche Kausalität andeuten sollen, so etwa das Wort
"beeinflussen". Ich könnte auch hier von Lemmata statt von Wörtern
ausgehen, das mache ich nicht, weil jedes Wort eine kleine Differenz zum
anderen hat, so dass es schwer ist, zwei Wörter auf ein einziges Lemma
zu reduzieren, beispielhaft hier "beeinflussen" und "Einfluss".
Zurück zu Kausalität: "beeinflusst" ist eindeutig Kausalität. Ebenso wie
andere Wörter, bei denen implizit gedacht werden soll, es sei keine
Kausalität vorhanden. So etwa ist "auslösen" auch so ein Wort, und
weiter die Wörter "weil", "wegen" als Beispiele.
Bei Kausalität muss immer gedacht werden, dass die Sprache vorgibt, dass
nicht nur eine Ursache, sondern mehrere Ursachen (Sachen) implizit
mitzudenken sind. Multikausalität ist schon implizit in der Sprache, es
braucht eigentlich nicht daran erinnert zu werden. Ein Beispiel: Wenn
jemand sagt: Die Ursache des Unfalls waren die Promille, dann schließt
er die die anderen Ursachen (zur selben Zeit und vorher) nicht aus. Wie
adäquat die Wörter zu den Sachen sind, ist eine andere Frage. Der
Alkohol käme adäquater in der Ursachekette vor als die Promille. Er käme
genauer an die Sache heran.
Insgesamt würde ich den Satz des Claus umbauen auf:
"Dass in der Person Sachen sind, die das was sie denkt, verursachen,
kann nicht bestritten werden."
und wer unbedingt die Multikausalität im Satz betonen will, sagt dann:
"Dass in der Person Sachen sind, die das was sie denkt, mitverursachen,
kann nicht bestritten werden."
Nach diesem Umbau oder Umbruch wird ersichtlich, dass der Betrachter so
denken kann, die Person in ihrer modernen Version (vielleicht seit
Immanuel Kant) weist die Kausalität streng von sich, und setzt
vielleicht mit Kant den Willen an ihre Stelle. Oder zum Beispiel ihre
Freiheit oder gar ihre Persönlichkeit, die selbstverständlich mehr ist
als ein Klotz Holz, nur wäre diese Erwiderung außerhalb der hier
besprochenen Sache.
Das vorhin geschriebene ist keine Spitzfindigkeit. Es drückt sich auch
mit Sätzen aus, die ich einer Person in den Mund legen würde mit
folgendem Satz: "Otto sagt, dass Peter in seiner eigenen besonderen Welt
lebt." Peter würde erwidern: "Nein, ich weiß vielleicht besser als du,
wie die Welt ist, oder zumindest genauso gut, auch ich war einmal in der
Schule."
Wenn also für den Betrachter zwei Personen vor einer bestimmten Sache
sind, dann können sie nicht "objektiv" sagen, wer die Sache korrekt
sieht, wegen des oben angegebenen Problems. Das ist die Antwort auf die
Frage:
Und deshalb können wir nichts von der "wirklichen
Wirklichkeit" wissen?
Egal was Sache ist, die vor den Personen ist, ist das der Fall. Allein
das "wir" im Satz müsste stutzig machen. Bei Interesse schreibe ich
demnächst mein Beispiel mit den zwei Forschern, einem Mikroskop und den
zu betrachtenden Mikro-Sachen.
Eine Verallgemeinerung der Sachen mit dem Wort "Wirklichkeit" oder
"wirkliche Wirklichkeit", die nicht aus Einzelfällen heraus hergestellt
wird (hypostasiert wird), sondern nur einfach so zu denken ist, ist
keine "gute" Verallgemeinerung. Das Wort Wirklichkeit ist dann lediglich
aus der Sprache entnommen, sonst hat es in dem Fall keine
Daseinsberechtigung im Gespräch oder in der Theorie, also zu dem
Bereich, der verstanden oder beschrieben werden soll.
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Was Claus schrieb, verstehe ich durchaus (kann ich nachvollziehen, also
auch denken), zudem denke ich, dass er an der richtigen Stelle dreht,
ungenau dahergesagt von mir. Deswegen wiederhole ich sein Schreiben
zitierend:
Sie wäre danach das, was am Anfang des Verarbeitungsprozesses steht,
also möglicherweise gar nichts wie bei Träumen oder Halluzinationen.
Das erinnert etwas an Kants "Ding an sich", nur dass es dabei nicht um
Erfahrungszusammenhänge geht, sondern um Strukturen des Erlebens und
wohl auch Denkens, die wir nicht überspringen können. (Wir können z.B.
nicht in mehr oder weniger als drei Raumdimensionen träumen, jeder
nicht geträumte physische Gegenstand ist dreidimensional, das wissen
wir schon vorher und ist deshalb nicht Inhalt, sondern Form der
Erfahrung.)
An diese "wirkliche Wirklichkeit" kämen wir auch nicht mit Messgeräten
heran, weil das Messergebnis ja auch vom Gerät abhängt.
Eine Ausnahme könnte man sich theoretisch vorstellen: körperloses,
unpersönliches Erleben, ohne Augen, die sehen, Ohren, die hören etc.
Klingt verrückt, aber man muss ja erst lernen, zwischen dem eigenen
Körper als einem sehr speziellen Teil der Welt und dem ganzen Rest zu
unterscheiden, als Vorbereitung zum Ich-sagen, bevor man es dann durch
Gewöhnung für völlig selbstverständlich hält.
Das wäre dann wie ein Film, der man selbst ist vor leeren Rängen, aber
kein Gegenstand oder Objekt, weil man davon ja noch nichts wüsste,
auch kein"Ding an sich". Es soll sich bei der "wirklichen
Wirklichkeit" aber doch um *etwas* handeln, dass *wir* prinzipiell
nicht *erkennen* können, nicht unpersönlich allumfassend - lauter
Begriffe, die eine Unterscheidung zwischen mir und der Welt implizieren.
Bei dem Ausdruck "wirkliche Wirklichkeit" musste ich an Gedankenspiele
wie die "Gehirne im Tank" oder "Matrix" denken. Die neue Realität
könnte sich hier allerdings mit oder ohne Einnahme einer weiteren
Wahrheitspille als genauso trügerisch erweisen. Darin zeigt sich doch,
dass wir wie in eine Situation geworfen sind, die wir uns nicht
ausgesucht haben. Wir haben uns ja einiges ausgedacht, das Leben aber
nicht.
Leider kann ich die Spitzfindigkeiten nicht an seinem Text fortsetzen,
die Findigkeiten, die Fachsimpeleien, richtiger die Simpeleien, denn
schließlich habe ich kein Fach und kann daher nur gemäß anderen nur
schwafeln, weswegen ich vor ihnen knien müsste. Und in der Tat bin ich
ja auch nur Person unter Personen, es fehlt der Betrachter.
Joseph Hipp