Am Di., 20. Juni 2023 um 01:59 Uhr schrieb Karl Janssen über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Für Husserl war es vor allem die Arithmetisierung der
Naturwissenschaft, die für den Verlust des Weltbezugs verantwortlich ist. Mathematisierung
wäre
nicht weiter schlimm, bliebe dabei nicht der Bezug zur Alltagswelt auf der Strecke. Mehr
noch: Wissenschaft gaukelt uns Objektivität vor, hat aber ihre
erklärende Kraft verloren. Sie verschweigt, dass Objektivität in Wahrheit Ergebnis ihrer
eigenen methodischen Konstruktion ist, die sie für das
«wahre Sein» ausgibt.“
Das scheint mir, ehrlich gesagt, eher ein Einwand für die
Sozialwissenschaften zu sein. Das ist deren zentrales methodologisches
Problem.
Während man in der Physik offenbar berechtigterweise davon ausgehen
kann, dass sich Gasatome beim Experimentieren genauso verhaltne wie
"in freier Wildbahn", ist diese Annahme bei menschlichen
Versuchspersonen sehr, sehr voraussetzungsreich.
Am So., 18. Juni 2023 um 10:01 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
um Phantasiewelten geht es in Mythen, Märchen,
Religionen und Ideologien. Mit ihnen werden Menschen um des Machterhalts willen von
Kind an manipuliert.
Ich halte diese Darstellung für extrem verkürzt.
Die Manipulation eines Kindes durch Märchen, Mythen usw. hat
wesentlich noch zwei Aspekte, die du hier ausklammerst oder einfach
unter "Machterhalt" subsummierst:
1.) Sie stiftet (subjektiven) Sinn.
2.) Sie reproduziert gesellschaftliche Strukturen durch Moral.
Beides kann für das funktionieren einer Gesellschaft notwendig sein.
Man lesen sich mal die Sammlung der ältesten überlieferten Geschichten
durch wie Äsops Tierfabeln. Fast jede Fabel enthält eine Weisheit, die
im Grunde selbst heute noch gilt und die früheren Generationen das
Überleben ermöglichte. Nehmen wir nur die Ameise und die Grille:
"Spare in der Zeit, so hast du in der Not" usw. usf.
Wenn die Bauern glauben mussten, dass die Felder der Göttin (Ischtar?)
gehörten, damit sie alles Korn in die Kornspeicher abgaben und dadurch
den Gesamtstaat das erblühen ermöglichten, so hatten diese Mythen eine
wichtige Funktion. Waren vielleicht materielle und ideelle
Voraussetzungen der Kultur.
Die Ungleichheit ist eine andere Geschichte. Sie wurde mit der Zeit abgebaut.
Am Mo., 19. Juni 2023 um 03:24 Uhr schrieb Karl Janssen über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Religion aber, ihrem Ursprung gemäß eher ein
Regelwerk, ist unbenommen ihrer zweifelsfrei auch missbräuchlichen Auslegung und
Verbreitung nicht grundsätzlich für die Manipulation von Menschen verantwortlich zu
machen.
Die Auffassung von der Religion als eine Verhaltensethik ist relativ
neu, wie ich finde.
Die älteste Auffassung war die Religion als eine geheiligte Wahrheit,
deren Beschäftigung einen Geheimnisse erschloß.
Spätestens die Aufklärer, frühestens die griechischen Philosophen
haben diese Auffassungen angegriffen und die Religion als ein Set von
Regeln des Zusammenlebens scheint mir eher die funktionalistische
Deutung zu sein, die heute davon übrig geblieben ist.
In dem Zusammenhang, was denkt die Liste über Irrtumstheorien der Moral?
Am Mo., 19. Juni 2023 um 12:42 Uhr schrieb K. Janssen über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ebenso konsensfähig sollte sein, dass Denken
substratunabhängig ist und als quantenmechanisches Ereignis im Gehirn angenommen werden
kann. Substratunabhängig, weil zwei Menschen mit zwar gleichartiger Gehirnstruktur aber
dennoch unterschiedlicher Gehirnleistung durchaus (an) das Gleiche denken können.
Das mag wahr sein, aber es ist sowohl in der "Philosophie of mind" als
auch unter Neurologen hochumstritten und ebenso unter Physikern nicht
weit verbreitet.
In Übrigen, wieso sollte der Quantencharakter dazu führen, dass zwei
Personen "an das Gleiche" denken können? Mir scheint das auch
wunderbar durch Sprache und gemeinsame Lebenswelt denkbar.