Lieber Ingo, bzw. Moin - bin gerade auf Föhr -
meine Sprache ist Teil meines Eigenseins, wie bei jedermann und jederfrau auch. Ich kann
aber die Information bezüglich des Gegenüber in mich aufnehmen, und dann meinen
Argumentationsstil z. B. für Schüler (ich war auch ein paar Jahre Biologie-Lehrer) oder
für Allgemeinärzte (für die ich Artikel schreibe) passend gestalten.
Den Zwang zur homogenisierten, standardisierten, konformen Sprache kenne ich aus
naturwissenschaftlichen und naturwissenschaftlich-medizinischen Publikationen zur Genüge,
und es ist eine Befreiung des Denkens und Schreibens, diesem Zwang zur anit-individuellen
Eintönigkeit nicht unterworfen zu sein.
Bei einem mit Philosophie befassten Austausch darf ich erwarten, oder besser gesagt,
erwarte ich, dass mein Austauschpartner es so macht wie ich: wenn ein Satz nicht
unmittelbar verständlich ist, aber inhaltlich ergiebig zu sein scheint, versuche ich, mir
seinen Sinn durch Nachdenken zu erschließen.
Und genau das gilt für den von Dir zitierten Satz (der mir, je öfter ich ihn lese, immer
besser gefällt :-) ). Er nimmt Bezug auf den Informationsbegriff, und die Metapher des
Leuchtens, des Lichts, damit der Quelle, wie von Karl gebraucht.
Die tatsächliche Verbindung von Photosynthese und Atmung in der Biosphäre ist Dir (und den
Mitdiskutanten hier) so geläufig, dass ich sie nicht als Beispiel für wechselseitiges
„Verstehen“ der Akteure anführen muss, denke ich?
Liebe Grüße und nichts für ungut, Danke für Deinen Kommentar,
Thomas
Am 07.11.2023 um 15:45 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Moin Thomas,
im Anschluss an JH frage ich mich, was Lieschen Müller zu Deinem Text denken könnte. „Der
Atem ist nicht pure Rhythmik als reine zeitliche Ordnung, sondern er hat Inhalt, er ist
ein gefülltes Volumen.“ Dem wird sie zustimmen können, obwohl es nicht das trifft, was
Atmung ausmacht. Aber dann wird es schon wieder metaphorisch: „Das Vermittelnde ist in
diesem Fall Inhalt-transportierende, damit das Eigensein transzendierende Information, und
diese strahlt aus dem je Eigenen aus wie Licht aus einer Quelle.“
Hast Du überhaupt das Ansinnen, verstanden zu werden? Dabei ist die tatsächliche
Verbindung von Photosynthese und Atmung hier in der Biosphäre js ein faszinierendes
Zusammenspiel der Lebensformen. Mit dem ersten Atemzug beginnt und mit dem letzten endet
Säugetierleben. Das verstehen schon Kinder. Warum nicht vom Besonderen ausgehen und
Schritt für Schritt versuchen zum Allgemeinen zu gelangen? Das hattest Du doch auch
thematisiert. Warum versuchst Du es nicht einmal?
IT
Am 07.11.2023 um 10:09 schrieb Dr. Dr. Thomas
Fröhlich über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at
<mailto:philweb@lists.philo.at>>:
Selbst-Sein, Eigen Sein in Affirmation und – nein, nicht dessen Negation, sondern das von
ihm ausgehende Über-Sich-Hinausgehen unter Bewahrung des Bezuges zum Selbst – das ist das
interaktive Grundelement. Das Transzendieren führt hierbei nicht in ein
universalistisches, pauschales, allgemeingültiges Nein, sondern zu anschlussfähigen
Aspekten weiteren Eigenseins.
„Die Zeit“ und „der Raum“ sind universalistisch gedacht, und betreffen zunächst die
transzendenzfähigen Aspekte von Eigen-seiender agency. „Das Universum“ ist ebenfalls als
genuine Einheit gedacht. Tatsächlich steht am Anfang des Eigensein mitsamt seinem
Transzendieren. Ein Schreiten und Überschreiten. Es als absoluten Gegensatz zu denken,
wird der beibehaltenen Selbstbezogenheit des Überschreitens nicht gerecht. Das Außen ist
nicht das absolute Nein, das ungegliederte Chaos und Nirgendwo. Es ist nicht das in sich
diffuse, ungegliederte Dunkel im Gegensatz zum quellentspringenden Licht. Ein gesetztes
Innen impliziert als genuines Anders- und Eigensein dieses Andere, aber nicht als
beziehungslos für Alles geltende, damit abstrakte, pure Negation, sondern als Richtung
innerhalb weiteren, je von innen nach außen gerichteten Seins.
Wenn dann das Transzendieren gelingt, geschieht dies als auf beide oder alle Beteiligten
bezogen bleibende zeitweilige Übereinstimmung.
Das pure Innen, als pures Sein ist ein Fluchtpunkt menschlich-gedanklicher Extrapolation,
als deren Endergebnis und Ziel, und nicht als vorab gegebener Ausgangspunkt. In dieses
„pure Sein“ einzugehen, ist der Inbegriff von allgemeingültiger, weil das Sein als solches
betreffender Zukunft. Es ist der thomistische actus purus, auch als Aufhebung der Zeit,
genannt Gott.
Die Vorstellung, dass dies nicht nur der Zielpunkt, sondern zugleich der Ausgangspunkt
jedweden Seins sei, wird in der Schöpfungsgeschichte artikuliert. Auf die als anfänglich
gedachte Setzung folgt dann deren Transzendieren hin zu weiteren Setzungen, hin zu einer
Vielheit, einem Multiversum aus Eigenwelten. Das, was einst ins pure Sein zurückfallen
wird, entsprang diesem puren Sein. Der Kreis schließt sich.
Das pure Sein ist a-perspektivisch, zeitlos, ortlos, allgemein nicht in dem Sinn, dass es
alles Sein einschlösse, sondern in dem Sinn, dass es allem Sein zugleich voraus und
folgend ist.
Die Physik setzt Sein (stillschweigend) voraus, und beschreibt dessen
verallgemeinerbaren, un-eigenen Aspekte. Sie arbeitet mit inhaltleeren Verneinungen als
absoluten Gegensätzen. Ihr Skalenwerk ist von jedwedem Inhalt abgezogen, abstrahiert,
extrapoliert, und sie erlaubt sich eine manichäische Extrapolation hin zu absoluten
Gegensätzen. Ihre Aussagen betreffen die Art, aber nicht das Wunder des Seins.
Diese Art zu Sein ist im Hinblick auf verallgemeinerbare Aspekte des Seins entsprechend
allgemein. Die entsprechende Konzeption eines „Universums“ sieht ein allumfassendes
Zusammenhängen nach den allgemeinen Regeln vor. Diese Kohärenz des allem Gemeinen wird
dann als Ausgangspunkt genommen, um das Besondere daraus entstehen zu lassen. Das aber
geht nicht: das Nicht-Allgemeine, Jeweilige, Besondere kann nicht aus dem Allgemeinen
hergeleitet werden. Die logische Folge muss gerade umgekehrt sein: das Besondere kann
verallgemeinerbare Aspekte enthalten, und der auf letztere Beschränkte Blick ergibt
folgerichtig ein „Universum“.
Zurück zum Besonderen mitsamt seinen zu teilenden Aspekten: Diese Kombination kann zu
einem semantischen „Punkt“ verdichtet werden, der wiederum als Ausgangs- und Endpunkt der
Schöpfung angesehen wird. Schöpfung meint hier das Erzeugen nicht des bloß Individuellen,
Besonderen, sondern des Besonderen, Eigenen mitsamt seinen verallgemeinerbaren Aspekten.
Die Schöpfung ist dann ein Ausbreiten, Entfalten, Ausrollen in die Vielfalt, an deren
Grund aber nicht nur das Allgemeine, sondern das Besondere mitsamt seinen
verallgemeinerbaren Aspekten steht. Die Schöpfung ist dieses Ausbreiten in gleichzeitige
Vielfalt.
Das wechselseitige Einformen von teilbaren, mitzuteilenden Aspekten des Eigenseins ist
ein Informieren. Dieses besteht aus Inhalten, die in ein je Eigenes aufgenommen und somit
in eine andere, nämlich dessen Form gebracht werden. Dies ist eine dem anderen Eigenen
angepasste Form des Zusammenhängens, des jeweiligen Kohärierens.
Wenn man den Kohärenzaspekt gedanklich heraushebt, entspricht er dem, was im
aristotelischen Sprachgebrauch die Psyche ist und leistet. Sie bleibt Inhalts-bezogen als
dessen Ordnungsaspekt. Der Atem ist nicht pure Rhythmik als reine zeitliche Ordnung,
sondern er hat Inhalt, er ist ein gefülltes Volumen. Ruah, pneuma, spiritus sind somit auf
kohärierenden Inhalt bezogen, und schweben nur insofern über diesem, als sie gedanklich
als gesonderte Ansicht von ihm unterschieden werden. (Wiki: Das weibliche hebräische
<https://de.wikipedia.org/wiki/Hebr%C3%A4ische_Sprache> Wort rûaḥ (רוּחַ) kommt im
Tanach <https://de.wikipedia.org/wiki/Tanach>, der hebräischen Bibel, 378 Mal vor.
An bestimmten Stellen wird das Wort mit ‚Geist
<https://de.wikipedia.org/wiki/Geist>‘ übersetzt. Die Grundbedeutung von rûaḥ ist
‚bewegte Luft‘[1] <https://de.wikipedia.org/wiki/Ruach#cite_note-1>. In griechischen
Übersetzungen des Tanach ist die Übersetzung als Pneuma
<https://de.wikipedia.org/wiki/Pneuma> zu finden, ebenso im Neuen Testament
<https://de.wikipedia.org/wiki/Neues_Testament>.).
Der Geist ist somit der Ordnungsaspekt von je besonderem Inhalt, von Inhalt, der auch
verallgemeinerbare Aspekte in sich trägt. Die Ordnung, die der Geist darstellt, bezieht
sich dann auf Beides: auf das Innesein und Jeweiligsein im je Eigenen, Besonderen und auf
die Einformung von teilbaren Aspekten dieses Eigenen in anderes Innesein. Das Ergebnis,
wenn es denn erreicht ist, ist ein Zugleich von Besonders- und Allgemein-Sein, von
Gemeinsam-Sein, das das Eigensein nicht aufhebt, sondern dynamisch in
Korrespondenz-fähiger Schwebe hält. Das Vermittelnde ist in diesem Fall
Inhalt-transportierende, damit das Eigensein transzendierende Information, und diese
strahlt aus dem je Eigenen aus wie Licht aus einer Quelle.
Hierzu das Zitat aus Karls E-Mail:
Was sollte Geist sein, wenn er nicht Träger von Information, wenn er nicht „Licht“ wäre?
Das drückt sich metaphorisch in der Genesis aus: Gott sprach „Es werde Licht. Und es wurde
Licht.“ Gott, ebenso immaterielle, numinöse, nicht (be)greifbare Wesenheit, quasi als
Lichtgestalt, erschafft nach seiner Idee Kosmos und Welt. Eine Vorstellung, die man haben
kann oder eben auch nicht, das liegt in jedes einzelnen Menschen Ermessen (im wahrsten
Wortsinne). Übrigens, auch wir sind „Kinder des Lichts“, wenngleich sehr oft im Schatten
des Weltgeschehens ängstlich schlotternd verborgen.
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