Am 10.04.2021 um 10:29 schrieb Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
P.S.: Die alten Welträtsel aus dem 19. Jahrhundert scheinen mir nicht
mehr ganz zeitgemäß. Die Urknall- und Evolutionstheorie hat da doch
zumindst Teilantworten auf Basis sicherer Erkenntnisse bieten können.
Hi Rat Frag,
Haeckels populärwissenschaftliches Buch „Die Welträtsel“ von 1899 endet in der
Schlußbetrachtung mit nur noch einem übrig gebliebenen Welträtsel, nämlich mit dem einzig
umfassenden Universalrätsel, auf das er alle seine Rätsel monistisch zurückführen konnte:
das Substanzproblem. Hat das unterdessen jemand zu lösen vermocht? Der Monismus hat sich
bis heute behaupten können und der erstmals 1888 in den USA erschienene "The Monist“
erscheint noch heute.
Damals erntete Haeckel viel Kritik vor allem von den Pfaffen und damit scheint er mir
vergleichbar mit dem heute ähnlich von den Gläubigen verfolgten Dawkins. Noch populärer
als Dawkins war aber Hawking mit „Eine kurze Geschichte der Zeit“ und „Einsteins
Traum". Und der endete auch für die Gläubigen eher ketzerisch, in dem er mit einem
Verweis auf seine mit Hartle entwickelte „Keine Grenzen Hypothese“ für ein ebenfalls
monistisch allein aus sich heraus bestehendes Universum argumentierte. The no-boundary
proposal wird nach wie vor diskutiert.
Thomas Metzinger hat einen Versuch gemacht zu: „Spiritualität und intellektuelle
Redlichkeit.“ Einleitend schreibt er darin: "Wir durchleben derzeit die Anfänge einer
historischen Umbruchsituation, die uns in mehrfacher Hinsicht vor enorme Herausforderungen
stellt - eine sich beschleunigende Entwicklung, die auch unser Menschenbild tiefgreifend
verändert, und zwar auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Eine zentrale Position nimmt dabei
die Frage ein, ob so etwas wie eine `säkularisierte Spiritualität’ denkbar ist. Könnte es
ein modernes spirituelles Selbstverständnis geben, das den veränderten Bedingungen
Rechnung trägt und mit dem (nicht nur für Philosophen wichtigen) Wunsch nach
intellektueller Redlichkeit in Einklang zu bringen ist?“
Auch darum ging es bereits den Forschern im ausgehenden 19. Jahrhundert, die sich
ebenfalls in einer Umbruchsituation wähnten. Der Mathematiker Clifford bspw. formulierte
zwei wesentliche Maximen, die auch zur intellektuellen Redlichkeit in einer
„Weltanschauungspsychologie" taugten: "1. Es ist zu jeder Zeit, an jedem Ort und
für jede Person falsch, etwas aufgrund unzureichender Beweise zu glauben. 2. Es ist zu
jeder Zeit, an jedem Ort und für jede Person falsch, für die eigenen Überzeugungen
relevante Beweise zu ignorieren, oder sie leichtfertig abzuweisen.“
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