Am 14.06.2021 um 09:30 schrieb Joseph Hipp via Philweb:
[Philweb]
Am 13.06.21 um 03:02 schrieb Karl Janssen via Philweb:
Wie das an vielen anderen Menschenschicksalen
(dieser Kategorie)
ebenso zu sehen ist, kann man im Angesicht seiner
Idealvorstellungen
zugrunde gehen. Man muss sich wohl zu hinreichenden Teilen in die
harte Realität der Lebenswelt fügen. In „absoluter Mitte“ zwischen
deren Ideal und harter Realität zu verweilen, gleicht dem Schicksal
von Buridans Esel: am Ende bleibt nur das Verhungern!
Welt, Kosmos und alles Leben ist ständiger unausweichlicher
„Überlebenskampf“. Jede Vorstellung oder Prophezeiung eines (wie auch
immer gearteten) Paradieses ist u-topisch, d.h. ein Paradies hat und
findet keinen Ort in Welten wie unserer.
Das habe ich aus dem Zusammenhang gerissen, entschuldige. Warum
schmeißt du denn nicht die Wörter Ideal, Utopie, Paradies aus deinem
Sprachgebrauch? Und wenn schon nicht in der genauen Mitte, die
unmöglich ist, nun doch in der Mitte? Das verstehe ich nicht.
Ich kann (und sollte auch) diese Begriffe nicht aus meinem „Wortschatz“
und damit aus meinem Sprachgebrauch entfernen, da diese weltweit in fast
allen Sprachen als Ausdruck für die mit diesen Worten verknüpften
„Begrifflichkeiten“ (von eben Ideal, Utopie oder Paradies) sowie deren
entsprechende Perzeption stehen. Mit welchen diesbezüglichen Worten
(außer den immer auch möglichen Umschreibungen) sollte ich mich anstatt
derer verständlich machen bzw. mich (ohne kongruierende Begrifflichkeit
mit anderen Menschen austauschen?
Vermutlich willst Du damit eher zum Ausdruck bringen, dass meine
subjektive Attribution bezüglich dieser Begriffe („Wörter“) nicht der
Deinen entspricht oder rundweg nicht im Kontext Deiner dementsprechenden
Vorstellungen liegt.
Exkurs: Ich muss hier auch mal sagen, dass mein "Ich" nicht dasselbe
ist was oft unter einem Ich verstanden wird. Und mein "Wir" ist nicht
dasselbe wie das übliche Wir. "Mein" ist auch schon falsch, denn das
tut so, als wäre ich der Einzige, der das hat, etwa eine Meinung. Ein
Beispiel: Wenn ich sagen würde "Meine Meinung" käme ich mir so vor wie
ein Hund der sagt: "Mein Knochen", und darauf hin setzt er sich für
seinen Knochen ein, für seine Überzeugung. Also bei mir ist das Ich,
Wir, so wie bei einer Bank. Ein Brief kommt aus der Bank, darin steht:
"Wir haben dies und jenes für Sie getan, wir haben dies und jenes mit
Ihrem Konto getan." Dann ist es so, dass es da kein "Wir" mit einem
freien Willen in der Bank gibt, kein Ich mit einem freien Willen,
sondern dass es da verschiedene Personen gibt, die sich an dies und
jenes halten bzw. halten müssen. So sehe ich mich auch nur als das an,
was in meinen Grenzen ist. Für dich Karl, in deiner Sprache ist der
Satz den ich schreibe, dann eine Emergenz, er hat nichts mehr mit mir
zu tun.
Dieser „Exkurs“ hat durchaus Relevanz, mit offensichtlichem Bezug auf
Dein Dir eigenes „ICH“, womöglich beeinflusst von Hume‘s (an den
Buddhismus angelehnte) Auffassung, wonach sich unsere „ICH-Vorstellung“
aus einer Kette von Einzeleindrücken ergibt; es demnach kein
eigentliches ICH gibt. sondern dieses lediglich ein sich fortwährend
änderndes Konglomerat diverser Bewusstseinsinhalte darstellt.
Nun, warum sollte das keine gültige Definition des von Menschen
empfundenen (sich selbst bewusst werdenden) ICH sein?
Was nun die Formen üblicher Sprachregelung anbelangt (hier also die
Possessivartikel mein/ dein usf. sowie die Personalpronomen ich/wir
usw., können diese jedoch nicht durch persönliche Zuschreibung einer
Bedeutung verändert werden, ansonsten keine gemeinsame
Kommunikationsbasis herzustellen ist bzw. diese verloren geht.
Dein Beispiel von den Mitteilungen einer Bank hat einen gänzlich anderen
Hintergrund, nämlich die üblicherweise formale und im Kern unpersönliche
(allenfalls floskelhaft persönlich gehaltene) Ansprache von Kunden.
Die jeweils von Dir intendierte Bedeutung, die Du in Deiner Art und
Weise in bestimmten Sätzen zum Ausdruck bringst, mag mir zwar
(bezüglich ihrer gesamtheitlichen Ausdrucksform) als emergent
aufscheinen; der eindeutige Bezug auf Dich und Deinen Duktus hat jedoch
unverzichtbare komunikative Signifikanz, die für den Austausch
persönlicher Korrespondenz im Satz enthalten und erhalten sein muss.
Ich muss Dich also eindeutig mit Deinem ICH wahrnehmen und uns im
gegenseitigen Schriftwechsel als WIR qualifizieren, d.h. mit dem jeweils
persönlichem Bezug (unter Nutzung eben der dafür in unserer Sprache
gültigen Personalpronomen) kommunizieren, andernfalls dieses "ICH" als
eindeutig eine Person qualifizierendes Element verloren ginge.
Wenn ich dich oder andere denke, dann sehe ich immer auch so: Die
Person schreibt, was sie tun würde, wenn sie die Obrigkeit wäre, und
dann meint sie, dass die Welt dann schon ein wenig besser werden würde.
Ja unbestreitbar zutreffend!
„Wir“ (ob Du diesen Ausdruck akzeptieren willst oder nicht :-)) haben es
von Kindheit an gehört: „Wenn ich was zu sagen hätte, dann …“
Doch wächst kein Baum in den Himmel! Nicht wenige von uns werden auf
irgend eine Weise „Obrigkeit“ z.B. in ihrem Berufsleben (gewesen) sein.
Da bemerkt man schnell, dass auch einem „König“ beliebige Grenzen
gesetzt sind.
„Welt verbessern“ wird niemals durch die Handhabe von „Obrigkeit“,
sondern immer nur durch (in ein Kollektiv eingebrachtes) individuell
verantwortliches Handeln gelingen; dieses durch entsprechende Impulse zu
fördern, kann/sollte Anliegen und Pflicht von "Obrigkeit" sein.
Realistisch gesehen, stehen dem Versuch wirklicher „Weltverbesserung“
Machtstrukturen von "Obrigkeit" entgegen. Über die Methoden des
Machterhalts hatte ich kürzlich hier geschrieben.
Das musste auch Sokrates erfahren, dieser von Nietzsche als „mächtigen
Querkopf“ titulierte, „weltverbessernde Schwätzer“, wie ihn seine
Zeitgenossen-Denker abschätzig darstellten.
Und dann spricht sie beiläufig manchmal ein Ideal aus,
manchmal weist
sie auf Fehler hin, vielleicht gibt es auch noch ein Drittes. Das hast
zu z.B. heute getan indem du schriebst:
Darüber hatte ich mehrmals geschrieben (von den
neuen „Pfaffen“:
Dopppelmoral pur - Wasser predigen und selbst dem Wein
zusprechen)
Sie denken sich doch auch in der Mitte. Wie kannst du ihnen
beibringen, ihren Überlebenskampf zu ändern. Auf Fehlerhinweise hören
sie nicht, auf deine Ideale auch nicht, dann würden sie sagen: Meinung
ist Meinung, und Überlebenskampf (Wein und Wohlstand) gehört auch
dazu. Es müsste also eine weitere Utopie her, oder ein weiterer
Fehlerhinweis auf ihr falsches Denken, aber auch dann würden sie nicht
zuhören. Was sagst du dann, denn dann kannst du nicht sagen
"Doppelmoral", dann muss schon ein anderer Einwand her. Was machst du
z.B. wenn jemand nicht zuhört?
Das mit den „neuen Pfaffen“ möchte ich nicht noch einmal hier erörtern;
Dem, der dieses „Bild“ zu deuten weiß, wäre es überdrüssig, anderen
bliebe es weiterhin unverständlich bzw. würde als unzutreffend erachtet.
Ja, das mit dem „Zuhören“ ist so ein Problem. Ehemänner werden es gut
kennen:
„Hörst du mir eigentlich zu!?“. Was machen Ehefrauen/Lebenspartnerinnen,
wenn man ihnen nicht zuhört? Nun, da gibt es eine Palette an
Möglichkeiten zur „Sanktionierung“ dieser „Ungehörigkeit“ :-))
Ersthaft gesprochen, sind die Mittel meist klar gegeben, um auf
„Nichthören“ zu reagieren: Entweder man hat (per welcher Funktion immer)
die Möglichkeit, dieses entsprechend zu sanktionieren oder man fügt sich
diesem Umstand auf entsprechende Weise (manchmal auf die derbe Art, wie
es im Volksmund heißt: Rutsch mir den Buckel runter!).
Doch vielleicht auch hier der Bezug auf einen großen Denker - Baruch de
Spinoza: „Jeder hat so viel Recht, wie er Gewalt hat. “
Und bezüglich oben angeführter Macht von "Obrigkeit" hat Spinozas
Feststellung durchaus auch tragische Konsequenz.
Dieses gegen Natur und Mensch rücksichtslose „Ex
and Hop“ muss
beendet werden.
Das sagten "wir" doch schon vor 50 Jahren, oder nicht? In welchem
Parteiprogramm steht das?
Parteiprogramme habe ich noch nie (in Gänze) gelesen. Aber es sind
tatsächlich 50 Jahre vergangen, seit dieses Anliegen 1972 durch einen
Bericht des Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums" thematisiert
wurde. „Pollution“ war dann auch das omnipräsente Aufsatz-Thema in Schulen.
Seit es die politisch „grüne Bewegung“ gibt (zunächst repräsentiert
durch Strick-Tanten und ein turnschuhtragender Aufsässiger im BT),
unterstützte ich diese vehement, heute sind sie mir im Kern weit
entfremdet und das nicht wegen der (mittlerweile von nahezu allen
Seiten) proklamierten Besorgtheit um das Wohl der Umwelt;
Mein diesbezügliches Befremden hat mit (neuer) Doppelmoral zu tun.
Waldemar hat soeben seine diesbezügliche Meinung geäußert. Ich sollte
darauf bezogen allerdings hinzufügen, dass mir an die Realität von Welt
und Leben orientierte Politik zugänglicher ist, als eine auf weltfremde,
unrealistische Träumereien aufgesetzte. Krieg hingegen muss immer das
allerletzte Mittel sein; dies bleibt es notwendig zu postulieren, weil
diese Welt offenbar nicht ohne Krieg sein kann oder will.
Bitcoins - schon das Wort löst Unbehagen bei mir
aus!
Ich lache, denn auch hier kann ich sagen: In welchem Parteiprogramm
steht das?
Dito!
Modulbauweise
Genau! Aber ich brauche den Refrain nicht zu schreiben.
Dann legst du Soziale Marktwirtschaft, eine Links/Rechts-Kritik
nebeneinander, vergessen hattest du die geistlich orientierte Partei
und eine farbige Parteien. Aber ist das kein Beschreiben des
Ochsenkarrens bei der Wahl?
Offen gesagt, finde ich keine „geistlich orientiere Partei“ in unserem
politischen Parteienspektrum. Allein die Namensgebung (geführt durch ein
„C“) war und bleibt mir ein Unverständnis. Man proklamiert „Werte“, die
selbstredend von allen demokratischen Parteien zu vertreten wären.
Eigentlich sollten die nunmehr unverkennbar gegebenen Problemfelder
unserer bürgerlichen Gesellschaft, insbes. deren erschreckende
Polarisierung - als eine auch weltweit zu erkennende Entwicklung - dazu
führen, Regierungsarbeit resp. die entsprechende Beteiligung daran in
einem (die diversen „Parteiideologien“ übersteigenden) politischen
Konsens auszuüben.
Vorher versucht jeder dabei zu sein, denn dabei sein
ist alles, und da
muss schon ein wenig oder viel Rücksicht genommen werden auf wen? Den
Wohlstandsverbraucher, wen denn sonst? Denn jeder setzt seine Meinung
mit dem Wahlzettel anders durch, dann entsteht ein neuer Ochsenkarren,
eine Mittigkeit, keine des Esels, oder gerade doch?
„Alter Wein in neuen Schläuchen“ etwa. Mit meinem Bild von „Buridans
Esel“ meinte ich jedoch keine (politische) „Mittigkeit“ oder gar ein
Mittelmaß. Vielmehr ein selbstzerstörerisches „Patt“ zwischen einer
(grundsätzlich) nicht auflösbaren inneren Polarität, die sich aus
intrinsisch angelegten, extrem widerstrebenden Weltbildern ergibt.
So eben die Extreme bei Simone Weil: Einerseits die rational
intellektuell bestimmte, andererseits die spirituell bedingte Sicht auf
„Gott und die Welt“.
Diese innere „Zerrissenheit“ muss sich nicht notwendigerweise oder
ausschließlich infolge einer bereits existierenden Erkrankung (z.B.
Anorexie oder Anorexia nervosa) entwickeln, sondern sie kann (geradewegs
umgekehrt) zu einer aus dieser unauflösbaren Persönlichkeitsspaltung
resultierenden, lebensbedrohlichen Krankheit resp zu Wahnvorstellungen
führen (u.a. bei Nietzsche zu sehen).
Darüber können wir dann streiten oder lachen. Ich habe
in Erinnerung
"Ein bisschen Liebe, ein bisschen Frieden..." und jetzt kommt noch
dazu "Ein bisschen Nachhaltigkeit, und ein bisschen Bitcoins, und
Maulkörbe dazu" Um etwas weniger Angst zu haben. Wäre das Lied nicht
schön?
Definitiv! Immer wieder gut für traumhafte Momente im Leben.
Übrigens hörte ich mal oder las ich von einem
Psychologen "Angst macht
einfach dumm." Das mag zwar einseitig gewesen sein.
Angst ist ein schlechter Wegbegleiter, sage ich gewöhnlich und dennoch
ist sie (wie bereits erwähnt) unverzichtbare Empfindung zum Schutz vor
Unbilden, die etwa aus Waghalsigkeit oder sorgloser Unbedachtheit
resultieren.
Oben habe ich deinen Text aus dem Zusammenhang gerissen, auch du hast
dich versündigt an Nietzsche,
Ausgerechnet an dem von mir geschätzten Nietzsche! Wie konnte mir das
passieren!?
Vermutlich, weil mich seinerzeit vornehmlich diese hier zitierte Passage
aus seinen „fröhlichen Wissenschaften“ außerordentlich beschäftigt hat.
Aber auch hier gilt (wie meine Bemerkung zu Simone Weil):
Man muss sich schon sehr eingehend mit dem Werk (oder zumindest den
Kernaussagen) der in Betracht stehenden Person (seinen es Literaten,
Philosophen, namhafte Denker, Wissenschaftler usf.) beschäftigen, um
deren eigentliches Anliegen und das Motiv zu dessen Offenlegung zu
verstehen.
Wo man keinen direkten, sondern nur vermittelten Bezug auf maßgebliche
Menschen der Weltgeschichte haben kann (so z.B. Christus als historisch
nicht belegte bzw. belegbare Gestalt – wie Waldemar das zurecht
anmerkt), bleibt letztendlich nur der Glaube an damit in Verbindung
stehende Erzählungen.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl