Am 16. März 2024 10:00:25 MEZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 15.03.2024 um 17:39 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Habe ich jetzt gelernt, was Ursachen und Wirkungen im Gegensatz zum Alltagsaberglauben
eigentlich sind?
Was man darunter versteht, kann einem Naturwissenschaft nicht sagen. Ich habe gelernt,
dass man bestimmte Wirkungen aus wenigen Voraussetzungen allgemein und genau berechnen
kann.
Mir sind einmal mehr Unterschiede zwischen Fach- und Umgangssprache aufgefallen, was ja
weder verboten noch schädlich ist, solange man nicht aneinander vorbeiredet.
Moin Claus,
philweb dient vornehmlich dem philosophischen Gedankenaustausch, weniger dem Lernen. Und
was Ursachen und Wirkungen „eigentlich“ sind, wirst Du bei Metaphysikern und Theologen
lesen können, nicht bei aufgeklärten Zeitgenossen.
"Der Schluss vom Besonderen aufs Allgemeine und dann vom Rauch aufs Feuer und
umgekehrt“ ist alltäglich und ich zähle ihn (mit Hume) zu den Gewohnheiten oder
Vorurteilen, die es in der Wissenschaft zu überwinden gilt." hattest du am 8.3. um
15:15 geschrieben und das klingt wie auch manches andere von dir schon ein bisschen nach
Berichtigung des unzulänglichen Alltagsverstands.
Und weiter unten schreibst du wieder vom Alltagsaberglauben in Bezug auf
Ursache-Wirkungs-Beziehungen...der zwar unsystematischer ist als der Glaube an Prinzipien
und Konstanten aber nicht gläubiger.
Umgangssprachlich müssen sich Ursache und Wirkung
voneinander unterscheiden lassen, schliesslich handelt es sich (umgangssprachlich) um
einen Zusammenhang. Newton führt die Anziehung zwischen Körpern auf Gravitation als
Ursache zurück. Lässt sie sich auch unabhängig von dieser Wirkung feststellen und messen,
so dass man sagen könnte: wir haben hier eine Gravitation von der und der Stärke und
beobachten, dass sie zu der und der Anziehung führt? Falls nicht, wird hier etwas anderes
unter Ursache verstanden als ausserhalb der Physik. G könnte z.B. durch eine Formel
definiert sein, in der andere messbare Grössen und vielleicht eine Konstante vorkommen.
Mir scheint, dass Du das ironisch meinst; denn Du wirst doch aus der Schule das
Newton'schen Gravitationsgesetz kennen oder einmal in ein Lehrbuch geschaut haben? Ich
zögere, Dir überhaupt noch zu antworten. Aber sei’s drum! Nach Newton ist die Kraft F
jedenfalls allgemein definiert als Bewegungsänderung (Beschleunigung) von Massen. Die
Gravitationskraft G folgt speziell seinem Gravitationsgesetz und hat demgemäß eine
Bewegungsänderung von Massen zur Folge, die als Wirkung der Ursache Kraft bezeichnet
werden kann und je nach beteiligten Massen und Abständen zwischen ihnen verschieden stark
sein kann. Kraftdefinition bzw. Trägheitsgesetz, Reaktionsgesetz, Gravitationsgesetz
setzen natürlich Raum-, Zeit- und Bewegungsdefinitionen voraus. Alles zusammen lässt dann
die Berechnung der Kepler’schen Planetenbahnen wie des Galilei’schen Fallgesetzes zu.
Ich habe im Physikunterricht nicht aufgepasst, war mit dem Lehrer verfeindet und es ist
schon so lange her.
Wenn Kraft als Bewegungsänderung von Massen definiert ist und Ursache und Wirkung
voneinander zu unterscheiden sein müssen, kann Kraft im Allgemeinen und Gravitation im
Besonderen nicht als Ursache der Bewegungsänderung bezeichnet werden. Entweder man
versteht unter Kraft Bewegungsänderung oder sie hat sie zur Folge. Sowohl als auch
widerspricht sich. Das ist aber kein Einwand gegen die Definition der Kraft als
Bewegungsänderung.
Dann werde ich in Zukunft, falls ich mich noch mal damit beschäftigen sollte, darüber
nicht mehr stolpern und mich einfach an die Definition halten.
Claus
Du wirst Dich vielleicht daran erinnern, dass ich die
Weiterführung der Invarianzen von der Newton’schen Mechanik über die Galilei-, Lorentz-
und Einstein- bis zur Schleifen-Invarianz erwähnt hatte. Da sich die Newton’sche Mechanik
als unzureichend erwiesen hatte, verallgemeinerte Einstein sie zur ART. In ihr wird aus
der linearen UWB eine zirkularer Zusammenhang, den Wheeler schnodderig anthropomorph
ausdrückte: „Der Raum sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll, und die Materie sagt
dem Raum, wie er sich krümmen soll.“ In dem Kunstwerk LQG wird aus den Spin-Netzwerken im
Quantenschaum der Raum erst hervorgebracht.
Das Standardmodell der Elementarteilchen setzt neben der Quantentheorie mit ihrer
Eichinvarianz lediglich die Lorentz-Invarianz als Relativitätsprinzip voraus. Die
Gravitationstheorie blieb außen vor, was einen kreativen Kopf wie Feynman natürlich
wurmte, so dass er die Gravitation anstatt Einstein- Eich-invariant quantisierte, indem er
die linearisierte Einstein-Gleichung in eine Gravitonengleichung transformierte. Die mit
LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) registrierten
Gravitationswellen lassen sich also auch als Gravitonenstrahlung verstehen. Dabei
vermitteln die Gravitonen die Massen-WW in ähnlicher Weise wie die anderen Bosonen die
Ladungs-WW. Jenseits des Alltagsaberglaubens handelt es sich bei UWB physikalisch also
lediglich um linearisierte Näherungen im WW- bzw. Raum-Zeit-Materie-Gefüge.
Eine Parallele in der Umgangssprache wäre
vielleicht das Verhältnis zwischen Motiv, soweit man darunter einen Umstand versteht, der
jemanden zumindest innerlich bewegt, und Handlung. Wenn es nicht zu einer innerlichen
Bewegung führt, ist es keins. Wenn es nicht zu einer Handlung führt, war es nicht das
stärkste.
Ja, linear gedacht entsprächen Motive als Gründe für Handlungsänderungen Kräften als
Ursachen von Bewegungsänderungen. Menschen handeln in Gesellschaften und kosmische Massen
bewegen in Galaxien. Nach Habermas sind Gesellschaften systemisch stabilisierte
Handlungszusammenhänge sozial integrierter Gruppen. Entsprechend wären Galaxien
systematisch stabilisierte WW-Zusammenhänge gravitativ integrierter Sonnensysteme.
IT
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