Was mir an diesem Experiment zunächst auffällt ist, wie sich Libet die freie oder auch nur
vermeintlich freie Handlung (den Arm zu heben) vorstellte, nämlich als durch einen
unwiderstehlichen Drang erzwungen, gegen den sich die Versuchsperson gar nicht wehren
konnte. Das zeigt, was er schon vor dem Versuch von der Willensfreiheit hielt.
Ein Voluntarist hätte vielleicht nach dem Zeitpunkt des Entschlusses gefragt. So etwas
kann es geben, wenn die Ausführung später erfolgen soll. Wenn mir aber jemand sagt, er
hätte sich entschlossen, jetzt den Arm zu heben und es nicht tut, müsste er mir erklären,
welches Problem er hat. Sonst verstünde ich ihn nicht. Wo bleibt dann - abgesehen von
Ausnahmesituationen wie Fesselung oder Lähmung - ein von der Ausführung unterscheidbarer
Entschluss? (Wittgenstein sinngemäss: Das Wollen darf nicht vorm Tun stehenbleiben.)
Wenn es also weder ein unwiderstehlicher Drang, noch ein Entschluss ist, der willkürliche,
gewollte Handlungen ausmacht, was ist es dann? Erweist sich die Willensfreiheiheit als
Einbildung?
Wenn wir uns etwas vorgenommen haben, das wir durch verschiedene einfache Handlungen in
die Tat umzusetzen versuchen, sind wir insofern in gewissen Grenzen unsere eigenen Herren.
Wir wollen das Ziel erreichen und die Handlungen, mit dem wir uns ihm schrittweise
annähern, sind als Mittel zu diesem Zweck auch gewollt. Hier unterscheiden wir auch nicht
nur ausnahmsweise zwischen Wollen/Versuchen und Gelingen. Scheitern ist immer möglich.
Die Unterstellung eines unwiderstehlichen Drangs, den Arm zu heben, scheint mir eine reine
Fiktion zu sein. Den Versuchspersonen ist es doch völlig egal, ob sie den Arm heben oder
nicht. Sie tun es irgendwann, weil es von ihnen erwartet wird. Und aus dem gleichen Grund
berichten sie wahrscheinlich von einem unwiderstehlichen Drang, der ja dann nur
unmittelbar die Handlung eingeläutet haben kann.
Ist der empirische Befund des Experiments nicht nur, dass vor der körperlichen Aktion
bestimmte Gehirnaktivitäten stattfinden? Ich finde es nicht so erstaunlich, dass das
Denkorgan beim zielorientierten Handeln beteiligt ist.
Claus
Am 2. August 2022 16:42:36 MESZ schrieb "Karl Janssen über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
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wh :“die sache mit Libet dürfte ganz einfach sein
- das hirn plant völlig ohne unsere bewusste kenntnis eine zb handlung ( freier wille
perdue )“
Immer noch und immer wieder wird dieses Libet-Experiment angefüjrt, um die Existenz eines
dem Menschen verfügbaren (freien) Willens abzustreiten oder zumindest infrage zu stellen.
Sehen wir von der vor Zeiten hierzu geführten Diskussion in philweb ab und lenken unsere
Aufmerksamkeit - mit einigem Abstand dazu - nochmal auf das Thema, so könnte es für ein
tieferes Verständnis dieser Zusammenhänge hilfreich sein, zwischen autonom und bewusst
(durch Denkarbeit) angestoßenen Prozessabläufen im Gehirn/ZNS zu unterscheiden. Dann
sollte doch auf Anhieb evident sein, dass erstgenannte Prozesse tatsächlich nicht mit
einem sog. Freien Willen in Verbindung gebracht werden können. Dazu zählen m.E. auch die
von Libet gefundenen Zeiten (einige hundert Miilisekunden), die zur Konditionierung sowohl
der unbewussten wie auch der bewusst ausgelösten Handlungsabläufe als jeweilige
Bereitschaftspotentiale erzeugt werden.
In beiden Fällen ist man sich dieser Konditionierung nicht bewusst, womit aber keineswegs
die dieser vorgehenden (mehr oder weniger) frei gewählte Entscheidung zur
Handlungsausführumg in Abrede gestellt werden kann.
Wh:“ [...]
- vor der tatsächlichen ausführung der handlung wird, damit möglichst nix anbrennt, unser
wachbewusstein = "aufmerksamkeit" darauf aufgeschaltet, quasi als
"endkontrolle"
- die aufschaltung des wachbewusstseins bewirkt dann ua, dass die völlig unbewusst
geplante handlung im letzten moment vor ausführung gestoppt/verworfen werden kann, ...“
Wie oder was soll ein Mensch „völlig ohne Bewusstsein“ planen können!?
wh : „oder halt das "go" unserer aufmerksamkeit zur ausführung bekommt, was wir
dann als "freien willen" erleben, und was tatsächlich sowas wie
"eingeschränkter" freier wille ist, ist die
wachbewusstseins/aufmerksamkeits.endkontrolle“
Die „Endkontrolle“ hinsichtlich entsprechender Konsequenzen einer getroffenen Entscheidung
liegt üblicherweise im Bereich bewussten Denkens, also des abwägenden Bedenkens, dem sog.
„zweiten Gedanken“; sofern dieses nicht erfolgt (wie bei spontan ausgeführten
Affekt-Handlungen) wird menschliches Handeln tatsächlich unkontrolliert und damit
gefährlich.
Würden Menschen (als Menschheit per se) grundsätzlich nur affektgesteuert handeln, wären
sie bereits ausgestorben resp. evolutionstechnisch getilgt.
wh: „in wahrheit ist weder die völlig unbewusste planung unseres hirns, noch die
automatische zuletzt aufschaltung unserer aufmerksamkeit auf die unbewusste absicht des
hirns wirklich "freier wille", sondern sind autonome hirn-aktivitäten völlig im
rahmen überlebenkönnen mit wahrscheinlichkeit P > 0.5“[...]
wh: „hirn plant ohne unser wissen => vor ausführung wird wachbewusstein als
endkontrolle auf die hirnplanung aufgeschaltet => die hirnplanung wird dann ausgeführt
unter begleitung unseres wachbewusstseins/aufmerksamkeits-funktion, oder im letzten moment
vor ausführung gestoppt, weil zb "zu gefährlich"....“
Dein Hirn, Waldemar, plant ohne Dein Wissen?
Wozu hast Du dann überhaupt Wissen, wenn es nicht hinsichtlich einer „geplanten“ und
hoffentlich gut durchdachten Handlungsentscheidung benötigt wird?
wh: „was hat Libet also "entdeckt"?“
Die Zeitdauer der Konditionierung zur Ausführung einer Handlung, die als bewusst und i.A,
frei getroffene Entscheidung als solche angelegt war.
Bester Gruß! - Karl
> Am 30.07.2022 um 19:21 schrieb waldemar_hammel über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
>
>
>
> hallo,
>
> die sache mit Libet dürfte ganz einfach sein
>
> - das hirn plant völlig ohne unsere bewusste kenntnis eine zb handlung ( freier wille
perdue )
> - vor der tatsächlichen ausführung der handlung wird, damit möglichst nix anbrennt,
unser wachbewusstein = "aufmerksamkeit" darauf aufgeschaltet, quasi als
"endkontrolle"
> - die aufschaltung des wachbewusstseins bewirkt dann ua, dass die völlig unbewusst
geplante handlung im letzten moment vor ausführung gestoppt/verworfen werden kann,
> oder halt das "go" unserer aufmerksamkeit zur ausführung bekommt,
> was wir dann als "freien willen" erleben, und was tatsächlich sowas wie
"eingeschränkter" freier wille ist, ist die
wachbewusstseins/aufmerksamkeits.endkontrolle
>
> in wahrheit ist weder die völlig unbewusste planung unseres hirns, noch die
automatische zuletzt aufschaltung unserer aufmerksamkeit auf die unbewusste absicht des
hirns
> wirklich "freier wille", sondern sind autonome hirn-aktivitäten völlig im
rahmen überlebenkönnen mit wahrscheinlichkeit P > 0.5
>
> beispiel:
> mein gehirn braucht kaffee, aus paterre des haus zu holen, wo die kaffeemaschine
steht, also plant mein hirn nur "neuen kaff trinken wollen",
> dazu brauche ist aber meine aufmerksamkeit: ich muss mit der leeren kanne meine
überall herumliegenden hunde umschiffen, 2 treppen heruntergehen, dann in küche
> sinnvoll die kaffeemaschine betätigen, und zuletzt das ganze rückwärts aufmerksam
abwickeln, ehe ich dann wieder am schreibtisch sitzend meinem hirn den wunsch nach
> kaffeenachschub erfüllen kann -
> habe ich einen freien willen dabei? nö, denn mein gehirn = ich, und ja, denn meine
aufmerksamkeit auf die handlungsausführung bewirkt, dass mein hirn = ich neuen kaff
bekomme
>
> hirn plant ohne unser wissen => vor ausführung wird wachbewusstein als
endkontrolle auf die hirnplanung aufgeschaltet => die hirnplanung wird dann ausgeführt
unter begleitung unseres wachbewusstseins/
> aufmerksamkeits-funktion, oder im letzten moment vor ausführung gestoppt, weil zb
"zu gefährlich"
>
> was hat Libet also "entdeckt"?
> nix, was man sich nicht auch (rein theoretisch) hätte denken können: das
wachbewusstsein als "gate-keeper"
>
> wh.
>
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