Nun versuche ich etwas zusammenfassend auf die zuletzt an mich gerichteten Beiträge
einzugehen.
Auf Anhieb mag es erstaunlich wirken, Ingo M., dass die von Dir verfassten Gedichtzeilen
das vorwegnehmen, was in Diskursen hier dann auch zum Ausdruck gebracht wird. Damit zeigt
sich aber für mich, dass wir bei den hier diskutierten Themen – trotz bisweilen
gegensätzlicher Ansichten - ein gewisses Maß objektiv gültiger Übereinstimmung mit der
Lebensrealität erreichen. Damit erweist sich auch, dass Letztere existiert, unabhängig
davon, ob man darüber schreibt oder nicht.
Wenn man nun darüber schreibt (oder spricht), besteht jedoch immer die Möglichkeit der
Täuschung bezogen auf ein subjektiv Gesehenes oder Erlebtes und dementsprechend
Bezeichnetes, wie Thomas es ausgeführt hat.
Ein Gedicht hingegen, entspringt zumeist einem inneren Hören als dem einzigartigen Zugang
zu inwendiger Harmonie, die sich im Einvernehmen mit dem Klang, dem Licht, dem Fluss des
Wirklichen entwickelt. Poesie, mit der ihr eigenen Ausdrucksmöglichkeit, eignet sich daher
besonders, diesen Tanz des Wirklichen, den Tanz der Sterne, diese unaufhörliche Bewegung
des Wirklichen zu beschreiben, wie Thomas es zuletzt hier ausführte.
„Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.“ sagt Nietzsche und das
erscheint tatsächlich wie ein Paradox in Anbetracht seines vehementen Atheismus. Doch
womöglich war er im Innersten gar kein Atheist, denn wie er weiter sagt, dass viele nur
glauben, an einen Gott zu glauben, lässt das an Bonhoeffers diesbezüglicher Aussage
denken: „Den Gott, den es gibt, den gibt es nicht!“. Was soviel heißt, dass Menschen
schlichtweg ein unzutreffendes, bzw. unzulängliches Gottesbild haben.
Nun will ich hier nicht wieder von Gott und Göttern, von Religion und Metaphysik
schreiben, sondern einige Gedanken zumTanz, zum Fluss des Wirklichen darlegen, wie Thomas
diese hier angeregt hat.
Dieser Fluss des Wirklichen existiert – wie eben schon erwähnt – bzw. vollzieht sich
unabhängig von menschlichen Beobachtern, was jedoch im Gegensatz zur Quantentheorie gemäß
ihrer Kopenhagener Deutung zu stehen scheint, wonach Realität die Folge von Dekohärenz
durch Beobachtung, resp. vorgenommener Messung ist, somit würde SEIN nur existieren, wenn,
bzw. weil es wahrgenommen wird (esse est percipi).
Die Frage dabei ist, ob SEIN tatsächlich nur vorhanden ist, wenn es beobachtet und damit
wahrgenommen wird, eine Frage, die kein Geringerer als Einstein auch stellte: „Glauben Sie
wirklich, der Mond ist nicht da, außer wenn jemand hinschaut?“ Sollte der Mond wirklich
nur ein unbewusst konstruiertes Gebilde sein? Fest steht jedenfalls, dass er tatsächlich
für mich nicht existiert, wenn ich nicht bewusst hinschaue. Nachdem er allerdings von
vielen anderen Lebewesen wahrgenommen, resp beobachtet wird, entsteht damit eine
Wechselwirkung, durch die er sich konkret manifestiert. Vielleicht eignet sich diese
Betrachtung dazu, die Verbundenheit des Ganzen als einen fortwährenden Fluss zu erkennen.
Bringt man sich - auf welche Weise immer - in diesen Fluss ein, wird somit Teil von ihm,
könnte man dieses Zustand als „beeing in flux“ benennen.
Meine Präferenz, die Lebenswelt weniger als aus Ansammlung pur materieller Objekte, als
vielmehr prozessual interagierende Felder, also „Building Blocks“ der Lebenswelt und damit
auch mich als quasi als Feld zu sehen, mag reichlich verwegen und abstrakt anmuten., und
tatsächlich wirkt diese Vorstellung der Alltagswahrnehmung entgegen,, z.B, wenn ich mir
gleich das Knie am Tischbein stoße, so fällt es mir wirklich schwer, mich als Feld, denn
als Lebewesen aus Fleisch und Blut zu verstehen.
Weniger abstrakt und durchaus lebensnah lässt sich derart prozessuales Geschehen als
prozesshaft soziales Handeln verstehen, eben als gesellschaftliche Interaktion, resp.
Kommunikation, die sich als im ständigen Fluss ablaufende rekursive Prozesse abbilden.
Wie steht es dann um den individuellen „Flux“, abseits vom gesellschaftlichen Tanz des
Lebens, dem alltäglichen gebunden sein an Raum und Zeit, als die unausweichlich reale
Bindung an die Dreidimensionalität, samt ihrer „orthogonalen“ Zeitachse. Der Volksmund
spricht dann von „abgehoben“ oder „in einer anderen Welt sein“ (höre ich nicht selten von
meiner Frau). Tatsächlich scheint sich in dieser Phase des „Flows“ der Bezug zur Realwelt,
bisweilen auch das unmittelbare Erleben von Körperlichkeit zu verlieren.
Es ist dann wie ein „Augen schließen und Worte vermeiden“, wie von Thomas beschrieben. Ein
Paradox sehr wohl, wenn man eigentlich nach Worten zur Beschreibung des Empfundenen sucht.
Doch glücklicherweise, so denke ich, sucht man nach den „richtigen“ Worten, jenen also,
mit denen man der objektiv gegebenen Lebenswirklichkeit möglichst nahe kommt. Trifft man
diese, so ergibt sich zwangsläufig interaktive Kohärenz, wie diese hier zuletzt
thematisiert wurde. Praktisch bedeutet das, dass Lesende einer verfassten Schrift mit
dieser in Einklang kommen. Für mich ist das immer wieder der Reiz des Lesens: in Resonanz
mit Literaturschaffenden zu kommen, oder eben auch nicht. Dann komme ich so gut wie nie an
das Ende eines Buches oder einer länglichen Schrift. Das erinnert mich an den Ausspruch
eines berühmten Verlagsleiters. „Ein gutes Buch ist auf jeder Seite gut“.Gleiches gilt für
den Klang, die Musik. Es gibt (für mich) nichts Erhebenderes, als in Einklang mit guter
Musik zu sein. Vielleicht könnte und Joachin Landkammer etwas dazu schreiben. Ich denke,
dass nicht nur ich ihn hier sehr vermisse.
Im „Flow“ zu sein, heißt ohne Zeitempfindung zu sein, die Zeit steht quasi still, man ist
in den inspirierenden Fluss unbewusst prozessualen Denkens oder auch Handelns vertieft und
damit der Wirklichkeit, der Seele, dem Geist des Gedachten nahe. Diese Inspiration kommt
diesem zuletzt hier angeführten antiken Begriff von einfallendem Geist, dem Atem oder
Hauch gleich und bedeutet in heutiger Auslegung schlichtweg einen treffenden Einfall als
Anbruch für künstlerisches oder einfach nur kreatives Schaffen.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl