Exkurs: Ich muss hier auch mal sagen, dass mein
"Ich" nicht dasselbe
ist was oft unter einem Ich verstanden wird. Und mein "Wir" ist
nicht dasselbe wie das übliche Wir. "Mein" ist auch schon falsch,
denn das tut so, als wäre ich der Einzige, der das hat, etwa eine
Meinung. Ein Beispiel: Wenn ich sagen würde "Meine Meinung" käme ich
mir so vor wie ein Hund der sagt: "Mein Knochen", und darauf hin
setzt er sich für seinen Knochen ein, für seine Überzeugung. Also
bei mir ist das Ich, Wir, so wie bei einer Bank. Ein Brief kommt aus
der Bank, darin steht: "Wir haben dies und jenes für Sie getan, wir
haben dies und jenes mit Ihrem Konto getan." Dann ist es so, dass es
da kein "Wir" mit einem freien Willen in der Bank gibt, kein Ich mit
einem freien Willen, sondern dass es da verschiedene Personen gibt,
die sich an dies und jenes halten bzw. halten müssen. So sehe ich
mich auch nur als das an, was in meinen Grenzen ist. Für dich Karl,
in deiner Sprache ist der Satz den ich schreibe, dann eine Emergenz,
er hat nichts mehr mit mir zu tun.
Dieser „Exkurs“ hat durchaus Relevanz,
also eine für mich persönliche Relevanz? oder eine allgemeine?
mit offensichtlichem Bezug auf Dein Dir eigenes
„ICH“,
also ein Bezug auf meine Privatsprache? Ich sage nein.
womöglich beeinflusst von Hume‘s (an den
Buddhismus angelehnte)
Auffassung, wonach sich unsere „ICH-Vorstellung“ aus einer Kette von
Einzeleindrücken ergibt; es demnach kein eigentliches ICH gibt.
eben nicht von dort beeinflusst, der Exkurs ist eine Erläuterung zu
einer klaren Trennung im Wortgebrauch, die normalerweise nicht bemerkt
wird. Dort habe ich dieses eine "Ich-A" genau beschrieben, im Beispiel
der Bank. Es ist aber ein ganz anderer Wortgebrauch, wenn eine Person
sagt:
"Ich will berücksichtigt werden, ich bin eine Persönlichkeit. Ich
mache dies, und du kannst tun was du willst, jeder ist in seiner
eigenen Welt. Niemand kann für einen anderen sprechen."
Das ist dann der Wortgebrauch "Ich-B". Du-A und Du-B wären korrekt
analog dazu nutzbar. Ich bin kein Kenner von Dialektik, vielleicht
liegt beim Ich-B eine Dialektik vor, beim Ich-A nicht. Mit dem Ich-B
wird eine Trennung gesetzt. Wenn ich den Satz gesagt bekomme: "Ich bin
Ich, du bist du.", dann heißt das etwas erheblich anderes als wenn
jemand sagt: Da kommt X. X kann ein Mensch sein, ein Tier, sogar ein
Auto. Es genügt, zu denken, dass da etwas Umgrenztes kommt. Und ich
darf mich so sehen, oder etwa nicht? Ich darf mich auch "nur" so
sehen, oder nicht? Dann sehe ich mich von außerhalb, ok, das weiß ich.
Das ist nur eine sprachliche Frage, das hat nichts zu tun mit
Buddhismus, Hume, Einzeleindrücken, der Frage, ob es ein eigentliches
Ich gibt oder nicht. Wenn ich jedoch sprachlich das Wort Ich-A nutze,
dann brauche ich mich nicht auf die Suche nach einem Ich zu machen,
und nicht zu fragen ob da ein Geist in der Maschine ist oder nicht.
Entschuldige wenn der Exkurs falsch verstanden werden konnte, ich habe
ihn schließlich jetzt weiter erläutert, und so kann ich die folgenden
Sätze als nicht-passend zu Ich-A ansehen.
sondern dieses lediglich ein sich fortwährend
änderndes Konglomerat
diverser Bewusstseinsinhalte darstellt.
das passt zu Ich-B
Nun, warum sollte das keine gültige Definition des von Menschen
empfundenen (sich selbst bewusst werdenden) ICH sein?
Ich-A ist keine gültige Definition für Ich-B, beide Definitionen sind
eben verschieden zu denken, verschieden denkbar, und sie werden auch
sprachlich unterschieden, wenn man genau hinschaut.
Was nun die Formen üblicher Sprachregelung
anbelangt (hier also die
Possessivartikel mein/ dein usf. sowie die Personalpronomen ich/wir
usw., können diese jedoch nicht durch persönliche Zuschreibung einer
Bedeutung verändert werden, ansonsten keine gemeinsame
Kommunikationsbasis herzustellen ist bzw. diese verloren geht.
Wenn dem so ist, dann hast du noch kaum je mit mir eine
Kommunikationsbasis gehabt, weil ich eben für mich fast immer dieses
Ich-A denke, und wenn nicht, dann kann ich jederzeit die zwei
"Bedeutungen" auseinander halten, sehen, denken.
Um diesen unseren Meinungsaustausch weiterzuführen, Joseph, ohne sich
durch dutzende Abschnitte von Rede und Antwort zu „scrollen“, fasse ich
meine Replik hier (mit impliziten Hinweisen auf Deine) zusammen:
Einleitend kann ich nur wiederholt sagen, dass ich offensichtlich nicht
hinreichend befähigt bin, Deiner Denkart und daraus folgenden
Argumentation zu folgen; und es sieht danach aus, dass ich dieses
Vermögen auch nicht erreichen kann.
Ein paar Eckpunkte Deiner Persönlichkeitsstruktur (also Deines „ICHs“)
scheine ich für mich jedoch ausgemacht zu haben:
Alles, was Dich zu verpflichten scheint („es gibt kein "muss") oder Dich
in ein Kollektiv binden soll, im Sinne von „man macht das eben so“
(Heidegger hat diesem „man“ ein ganzes Kapitel in „Sein und Zeit“
gewidmet, wirklich zu empfehlen - sofern Du es nicht ohnehin schon
gelesen hast);
Immer wieder klingt auch Deine spezifisch kritische Haltung zum „Wir“
an, was mich an Feuerbach denken lässt, der ebenso jede Art von
Verpflichtung des Individuums (als dem jeweiligen ICH) gegenüber der
Gesellschaft (insbes. dem Staat) ablehnt. Diese Vorstellung
unabhängiger „Eigenheit“, die sich jeglicher Verpflichtung
entgegenstellt, steht selbstredend den Strukturen von Gemeinschaft (als
eine Teilhabe am gemeinschaftlichen „Mitdasein“) entgegen, ebnet sich
letztlich als alltägliches (um nicht zu sagen, schnödes) Selbstsein ein.
Nun, und Deine Interpretation eines „ICH-A / ICH-B“ resp. das von Dir
entworfene diesbezügliche Differenzierungskriterium vermag ich nicht
nachzuvollziehen (wie „man“ das heute so schön ausdrückt); was nun nicht
bedeuten muss, dass „man“ das grundsätzlich nicht könnte: lediglich mir
fehlt dazu entsprechendes Talent.
Doch nochmal zurück zu „man“:
Mit dieser gesellschaftsbezogenen Zuweisung (als summarischer Ausdruck
gesellschaftlicher Normen) verbindet sich selbstredend, eben auch
Verantwortung für die Gesellschaft (für ein Kollektiv) übernehmen zu
sollen resp. zu müssen. Dieser Verantwortung (als Mitglied einer
Kulturgemeinschaft) kann man sich kaum entziehen; vornehmlich. weil die
gesamtheitlich angelegte Lebensgemeinschaft den Freiraum schafft und
bietet, den man als Einzelner (nur auf sich Gestellter) nicht verfügbar
hätte.
Freiraum verbinde ich mit „befreit sein“ von essentiell
lebenserhaltenden Aufgaben und Arbeitsleistungen, die eine plural
angelegte Gemeinschaft dem „Wohlstandsverbraucher“ bieten kann: Im
Bildungssektor, in der medizinischen und Nahrungsmittel-Versorgung, im
kulturellen Angebot usf.. Dieser Freiraum ist jedoch nicht ohne
Gegenleistung zu haben, diese besteht zumindest in der Akzeptanz
gesellschaftlich-kultureller Normen, oben erwähnter Heidegger benennt
das als unausweichliche „Faktizität“ und damit ergibt sich
notwendigerweise das „Ausgeliefertsein“ an gesellschaftliche
Verhaltensgebote und -weisen.
Daraus folgt aber auch eine Beziehung zum Anderen und damit speziell zu
einem DU (zu eben einem anderen „ICH“) sowie selbstredend zu einem „Wir“.
Das „Andere“ (also das DU und Wir) verliert damit Anonymität, eine
Namenlosigkeit hinter der man bisweilen sein "ICH" zu verstecken sucht,
oder auch schlichtweg sich aus dem „anonymen Haufen“ herausnehmen resp.
sich daraus zurückziehen will.
Am Ende bleibt unausweichlich das „Andere“ zusammen mit der eigenen
Existenz, dem eigenen „ICH“ eine Gemeinschaft, denn auch das „Alleinsein
des Daseins ist Mitsein in der Welt" (wie Heidegger es audrückt).
Mit diesem „Mitsein“ ist aber auch eine „Durchschnittlichkeit“ mit der
Tendenz zur „Einebnung als eine Funktion der Öffentlichkeit“ verbunden
und genau gegen diese scheinst Du Dich, Joseph, grundsätzlich zu
verwehren: denn diese Einebnung bedient sich dieses „man“, um damit
Verantwortung für eben diese Öffentlichkeit zuzuweisen: „Das macht man
eben so“ und „Jeder ist der Andere und Keiner er selbst“.
Das ist natürlich eine Art „Fremdbestimmung“ die schlussendlich aber
dazu helfen kann, das ureigentliche „Selbstsein“ in ein „für Andere
dasein“ zu wandeln.
Soweit mein „Exkurs“ in die Beziehungswelt des "ICH" und "WIR".
Aus letzterer schallt es unausweichlich dem ICH in die Ohren: "man macht
das eben so!" :-)
Nun möchte ich erst mal schließen.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl