Am 06.09.22 um 00:58 schrieb Karl Janssen über PhilWeb:
(Karl schrieb eher an Waldemar, ich antworte trotzdem zusätzlich, nicht
als Knecht oder gar Verteidiger.)
Nun denn, dann wird es hier (wieder einmal von mir
geschrieben) etwas
länger. In einem Forum wie eben auch philweb ist es ja gerade
Sinn der
Sache, auf Argumente einzugehen,
Ok, es gibt aber auch Fragen, Beschwerden, und vieles mehr. Und
allgemein könnte auf alles eingegangen werden. Argumente klingt mir
schon ein wenig wie vorprogrammierter Streit.
um nicht nur jeweils gegenseitigen, sondern
allgemeinen Austausch von
Meinungen zu haben.
Ich hatte schon bemerkt, dass der Austausch von Meinungen eine höchst
fragwürdige Sache ist.
Meinen geäußerten Unmut ...
Unmut gehört auch zu dem oben von mir angedeuteten "vieles mehr". Auch
das verursachende des Unmuts ist kein Argument, einverstanden.
durchscheinenden Fatalismus
Fatalismus, Optimismus, usw. sind Haltungen, und haben auch nichts
Argumenten und Meinungen gemeinsam.
Lebensbejahung
Sicher hast du Schopenhauers "Vom Unterschiede der Lebensalter" gelesen.
Er behandelt das Thema nicht nach Art der Geronto-Wissenschaft, die sich
noch um ihren Namen streitet, und bei der es eher darum geht, die Alten
doch positiv zu stimmen, also eher Geronto-Technik heißen sollte. Was
ich dazu sagen will: Niemand muss lebensbejahend sein. Das weißt du
auch, du willst nur nicht zu viel vom Gegenteil der Lebensbejahung. Aber
wer gibt das Maß an?
oder einfach nur etwas durchweg Positives hier
vorbringen würde.
Ich meine, dass Waldemar sich sehr bemüht, seine Sätze auszuformulieren.
Das ist schon mal positiv zu sehen. Er erklärt sehr, was er denkt.
Wie oft soll man ihm noch bestätigen, dass die Welt,
Menschen (aber
auch seine verehrten Tiere) nicht perfekt sind und es auch nicht
sein
können.
Das verlangt er doch nicht, oder doch? Auch wenn jemand wiederholt, was
er schon gesagt hat, ist das doch nicht schlimm. Es ist ein guter
Lehrer, der wiederholt, was nicht begriffen wurde.
Er selbst redet doch immer vom Werden und
Weiterwerden, was doch
nichts anderes als einen fortwährenden Entwicklungsprozess
bedeutet, in
diesem sich alles Leben und Sein unaufhörlich befindet.
Entwicklungsprozess? Es darf eine wissenschaftliche Regel angenommen
werden, nach der voraussetzungslos gewartet, gebangt und gehofft wird.
Sogar die Wissenschaftler, die an der kalten Fusion arbeiten, hoffen,
bangen, warten. Jeder ist frei, zu warten wie er will. Das Wort
Änderungsprozess wäre demnach so ähnlich gedacht wie mit dem Wort
vorurteilsfrei.
Damit kann man selbstverständlich nicht die fatalen
Negativismen
dieser Lebenswelt relativieren, von denen wir alle über beliebige
Medien
tagtäglich erfahren sowie auch jene unmittelbar im jeweiligen
gesellschaftlichen Umfeld.
Richtig
Da stellt sich die Frage, ob man sich hier in philweb
zusätzlich noch
das Unglück dieser Welt vor Augen führen lassen will.
Das glaube ich dir, und ich verstehe es. Mir fällt etwas Dummes hierzu
ein, entschuldige. Nietzsche meinte an einer Stelle so in etwa: Ich tue
mir nicht an, das Klagen und Jammern in einer Kirche auch noch anzutun,
wo das Weltliche als schlecht angesehen wird.
Wen sollte es wundern, wenn bei annähernd 70
Eingetragenen der Liste
nicht nahezu jedes Listenmitglied solche Mails einfach in
den „Trash“
schiebt.
Das ist ja eine andere Frage, die du ja auch schon differenziert
besprochen hast.
Dieses ständige Lamento nervt ebenso, wie der immer
wieder
aufflammende Disput, sobald ein Thema in Richtung Religion, Metaphysik
oder eben generell nicht-materielle Thematik geht.
Das glaube ich dir. Mich stört es jedoch nicht, es nimmt nur Schreibraum
ein, meine Zeit nicht. Wenn diese zwei Sachen zum Hauptthema werden,
dann ist das durchaus eine Spezialisierung des Philweb.
Wenn in einem philosophisch orientiertem Forum
natürlicherweise über
Geist, Bewusstsein u.ä. diskutiert wird, muss ein derartiges
Thema doch
nicht zwingend mit einem Gott oder Religion assoziiert werden.
Das stimmt.
Dennoch sollte akzeptiert werden, dass hier Argumente
gebracht
werden, die von religiös geprägten Menschen (und das werde ja nicht nur
ich unter 70 in der Liste sein) in diese Richtung weisen.
Richtig. Es können auch Argumente gebracht werden, die von politisch
geprägten .... oder sonst geprägten ...
Von mir wird man hier zu keiner Zeit eine Art
Missionierung erfahren
haben.
So in der Art der Missionierung nicht, einverstanden, das wäre ja schon
wieder ein Stereotyp.
Doch das ist alles schon irre oft von mir geschrieben
worden,
übrigens auch ohne eine explizite und vor allem plausible Antwort darauf
hier vorgefunden zu haben.
Das eine stimmt, eine Antwort auf das, was eben nicht Missionierung ist,
habe ich, es ist jedoch schwierig, sie einer Person zu geben, die etwas
hat, was ich nicht habe und die das betont. Egal ob das eine Politik,
eine Religion, eine Musik, eine Arztkunst, ein Sport, eine
Ernährungsart, ein Wissen ist. Andererseits habe ich mir schon viel Mühe
gegeben, das Problem zu beschreiben, bei dem eine Person sich damit
brüstet, etwas zu haben, was die andere nicht hat. Das drückt sich auch
kollektiv aus, wenn jemand sagt: "Unser Land zuerst." "Unsere Kultur die
älteste." Und das Thema wurde schon von Epiktet bearbeitet. Es drückt
sich auch aus, wenn jemand immer sagt, man solle doch zurück in die
Schule gehen, man sei eben noch weniger entwickelt.
Kurzum: philweb sollte (gerade in diesen Zeiten) kein
„Kummerkasten“
sein und tiefergehend auch nicht die Psychologen-Couch, um
persönlich
unverarbeitete Zerrissenheit (bezogen auf Religion zeigt das Leonhard
Cohen) zu therapieren.
Das nehme ich auch an.
Es geht auch nicht darum, einen „Mittelweg des
Gott-Glaubens“ zu
finden oder anzubieten: Entweder man glaubt an einen Gott oder
eben
nicht; hier gilt tatsächlich „tertium non datur“, da kein Mensch Wissen
von einem Gott haben kann.
Das ist eine interessanter Gesichtspunkt, an dem ich ansetzen könnte.
Übrigens, mein Widersacher gemäß Ingo, Habermas, versucht diesen, ich
nicht, das habe ich ja in einem Text kritisiert. Sein Mittelweg ist eine
Moral, nach der der Atheist auf den Religonisten zugehen sollte. Warum
nicht umgekehrt? Warum nicht allgemein? Dass diese Zugangstheorie als
Moral vorne und hinten nicht stimmt, habe ich bewiesen. "An ihren
Früchten sollt ihr sie erkennen." Ich meine die seiner großartigen
Zugangsweisen.
... zutiefst persönliche Angelegenheit ...
Die Perlen bedürfen jedoch eines besonderen Schutzes.
... einerlei, ob ... das Verbreitungsgebot ...strikt
befolgen wollen.
also doch irgendwie gerne sehen würden. Da liegt eben ein Problem, und
ein Argument dagegen, wenn ich in deiner Sprache spreche. Hier geht es
nicht um das Wollen, sondern das Empfinden derer, die "das" nicht gerne
sehen. Ich denke, dass es allein in dieser Beziehung Unterschiede gibt.
Die einen sagen: Ich bin zwar Veganer, habe aber nichts gegen die
Vegetarier. Die moralische Unterlegenheit "müssen" die Omnivoren
hinnehmen, oder sich dagegen wehren. Auch wenn die Veganer nicht
missionieren. Aber dürfen sie sich trotzdem dagegen auflehnen, gegen
ihre angebliche moralische Unterlegenheit. Die Unterlegenheit im Wissen
ist analog dazu zu denken. Sogar die Unterlegenheit im Reichtum, im
Adelsrang. Das muss nicht jeder annehmen. Es gibt sogar Leute, die das
eingesehen haben und Länder, die einiges davon abgeschafft haben.
Wer diesen Glauben nicht ... hegt,
Ich gehe z.B. noch weiter: Ich hege nicht einmal meine Meinung, meine
Überzeugungen, eine Weltanschauung fehlt mir. Wie unterlegen muss ich
dann sein? Obwohl ich vermute, kein Kyniker zu sein. Ich denke auch an
die Leute, die ein Geusenwort für sich benutzen, weil sie es satt haben,
das übliche Wort über sich ergehen zu lassen, sie sagen dann einfach:
Ja, ich bin ein Gottloser.
eine wirkliche Beziehung zwischen Gott und Mensch,
Was das ist, kann durchaus diskutiert werden, einfache Fragen habe ich
schon hierzu gestellt, sie wurden nicht beantwortet.
wie ebenso alle verfassten (vor allem
fundamentalistisch angelegten)
Dogmen.
Richtig, auch diese erhöhen die Person, die sie angeblich zu haben
meinen, und diejenigen, die sie nicht haben, werden damit erniedrigt.
So wird sich in modernen Gesellschaften künftig auch
nur eine
Trennung von Kirche und Staat durchsetzen resp. bewähren können.
Diejenigen, die den großen Anteil der Bevölkerungen ausmachen, sind
dagegen, andererseits stützt du dich auf sie, wenn du sagst: Dieser
große Anteil denkt wie du. Eine Art naturalistischer Fehlschluss
übergehe ich hier.
Dann können die einen ihre dümmlich-verächtlichen
Erklärungen
hinsichtlich eines angenommenen resp. geglaubten Gottes, als einen der
„obersten-als-einzige haupt-erdachten“ sehen und „Jesusse“ „Halb
Gespenst, halb Gott“ als „Adaptern“ oder „Junktoren“ zwischen Mensch und
Gott zum Besten geben, die anderen dessen unbeschadet ihren persönlich
gehegten Glauben leben und möglichst in einer von Meinungs- und
Glaubensfreiheit geprägten Gesellschaft für sich behalten.
Da holst du aber weit aus. "Sie" müssen sich aus ihrem Nichthaben heraus
"behaupten".
.. Frauenbild ..
übergehe ich mal.
Doch vielleicht sollte ich zunächst noch etwas näher
auf Deine
jüngsten Auslassungen generell zum Wesen des Menschen eingehen,
Waldemar:
Grundsätzlich denke ich, ist es schon hilfreich (eher sogar wichtig)
dass der Mensch sich seine Stellung im Geschehen der Lebenswelt immer
wieder bewusst macht und sich dabei zutreffend einordnet. Sofern er sich
„als Krone der Schöpfung“ wahrzunehmen glaubt und sich dann auch wie ein
gekröntes Wesen auf dieser Erde aufspielt, wird es kritisch – für die
Umwelt, sein persönliches Umfeld, doch letztlich auch für ihn selbst.
Ja, aber die Suche des Wohlstands genügt dafür auch.
Werden solchermaßen sicher zutreffende
Fehleinschätzung resp.
Selbstüberschätzung einzelner Menschen jedoch auf auf den
Menschen an
sich gemünzt, ist das schlichtweg unhaltbar.
Das so zu denken, macht alles noch komplizierter. Ich würde gerne. Du
hattest doch mal geschrieben, dass es Leitender braucht. Und gewählt
werden diese, weil sie gut reden können. Und dann beißt die Katze sich
in den Schwanz.
Das ist eben der Grund für meinen Widerwillen gegen
Deine immer
wieder vorgenommene Verallgemeinerung der (zweifelsfrei existenten)
Unzulänglichkeiten und auch des verbrecherischen Tuns Einzelner wie auch
bestimmter Cliquen in den verschiedensten Gesellschaftsformen.
Der Grund ist gut, aber genügt er?
Die Lebenswirklichkeit erweist sich als sehr
unterschiedlich und Du
erwähnst dies ja, indem Du einerseits auf das Dilemma der
sozialen
Ungleichheit, der Unterdrückung sowie beliebig anderer Missstände hinweist
... da ist wirklich etwas nicht ganz geheuer. Angenommen die
Unterdrückten werden zu Unterdrückern, was dann? Das kann ja auch so
werden. Alle wollen doch ins Fernsehen, oder etwa nicht. Mit wenigen
Ausnahmen.
und entsprechend brandmarkst, andererseits die davon
betroffenen
Menschen in Deine fatalistische Generalabrechnung bezogen auf die
Menschheit generell mit einschließt.
So kann er aber denken.
Konkret mutet das widersprüchlich an, wenn Du eben
einerseits in
Fabriken schuftenden Menschen gleiche Löhne wie den Leitenden zahlen
willst, andererseits diese in prekären Verhältnissen lebenden und nicht
selten (vornehmlich in sog. Drittländern) elend vegetierenden Menschen
in Deine verallgemeinerte, vernichtende Kritik am Menschen pauschal mit
einschließt.
Ja das ist widersprüchlich. Denn ich kann nicht wollen, dass viel
gearbeitet wird, denn dann kann auch viel verbraucht werden. Ich kann
nicht den Wohlstand fordern, denn jeder will seinen Wohlstand, das ist
Freiheit, auch die Freiheit, alles zu tun, was er wünscht.
Ich denke hier an Pentti Linkola.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pentti_Linkola, der ohne diese
Widersprüche war. Aber in deinen Augen war er sicher der Schlimmste, den
man sich vorstellen kann. Ob die Umsetzung seiner Vorschläge etwas
bringen würde, ist höchst fragwürdig. Ebenso wie einen Jesus zu
befolgen, der sagte: Tut so wie ich. Aber zumindest haben beide so
gelebt wie sie es von anderen wünschten.
Selbstverständlich gibt es von Grund auf schlechte
Menschen in den
verschiedensten Facetten; der Löwenanteil der Menschheit entspricht
jedoch definitiv nicht diesem Muster!
Das wäre zu diskutieren. Und es kann durchaus sein, dass es stimmt, aber
die Summe macht den Unterschied, und die sich ergebende ach so gute
"Selbstorganisation", oder "Selbstorganisation mit Synergie", wobei
die
Gruppen ohne Obrigkeiten nicht auskommen.
... geschlechtsbezogene Rollenverteilung
lasse ich mal beiseite.
Dennoch bin ich überzeugt, dass derartige
Gesellschaftssysteme, seien
sie religiös fundamental oder sonstig autokratisch
angelegt, in
kommenden Menschengenerationen verschwinden werden und sich damit
weltumspannend offene Gesellschaften etablieren werden und dieses
definitiv unabhängig von Geschlechterrollen, die es in hergebrachter
Form nicht mehr geben wird.
Ich hoffe gerne mit dir.
Warten wir es ab ...
Es kann gut gehen, und nicht gut gehen. Die Umwelt- oder
Ressourcenzerstörung ist jedoch die größte Schwärze, die nicht geleugnet
werden kann. Wie vorhin denke ich an die Ergebnisoffenheit. Der eine
hofft, der andere wartet, der dritte sieht schwarz. Ich will gerne
hoffe, und hoffe, dass ich nicht als Lamentierer da stehe, oder gar als
monstre ennuyeux. Ich denke dabei an den Satz des Galiani (nicht
Voltaire, habe ich gerade herausgefunden): „un monstre gai vaut mieux
qu’un sentimental ennuyeux“
JH