Wohlfeil, aus heutiger Sicht auf die Vergangenheit der Technisierung zu blicken, um daraus
auch noch ideologisch Kapital zu schlagen unter dem Deckmantel heute notwendigen
Umweltschutzes.
Eine Argumentation also, als sei die Erfindung des Automobils der Menschheit pures
Teufelszeug gewesen. Das deutet in die argumentative Rhetorik naiver Grünlinge, die sich
in die Steinzeit zurück wünschen. Derartige Einlassungen kenne ich hier von Leuten, die
weder beruflich noch aus sonstigen Gründen auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sind und ihre
Besorgungen mit einem Lasten-Fahrrad erledigen können.
Du sprichst hier immer von Unterstellungen meinerseits; etwa meine Annahme, dass Neubauers
Großmutter offensichtlich nicht zu jener Gesellschaftsschicht zählt, wo die Investition in
eine PVA oder die Anschaffung eines E-Autos kaum möglich ist. Was ist daran Unterstellung?
Über die finanziellen Verhältnisse dieser Familie (Stichwort Reemtsma) brauchen wir hier
nicht schreiben und deren Beteiligung an Schifffahrtsgesellschaften ebenso nicht. Was
werden all diese Schiffe wohl weltweit befördern? Wie werden diese angetrieben? Diese
Fragen müssen erlaubt sein, wenn Luisa Neubauer androht, Pipelines in die Luft zu jagen.
Da passt etwas nicht zusammen und exakt daran störe ich mich!
Daher sehe ich keinen Grund, mich über ggf. erfolgte Investitionen dieser Familie in
Umweltprojekte zu freuen; derartiges setze ich schlichtweg voraus, zumal ich als
Privatperson ebenso PVAs installiert und ein E-Auto aus Umweltgründen angeschafft habe.
Eigentlich frage ich mich schon, warum Du mir gegenüber Deine Umweltschutz-Attacken
auffährst. Überliest Du willentlich, was ich zu diesem Thema schreibe? Es steht doch außer
Zweifel, dass mittlerweile allen Menschen deutlich vor Augen stehen sollte, in welche
Krise die Menschheit da hinein schlittern wird und dass es daher dringend erforderlich
ist, auf die Dringlichkeit eines sofortigen Gegensteuerns hinzuweisen; dieses durchaus
auch mit drastischen Mitteln, wie sie ja auch durch Straßenkleber und mittlerweile
Reifen-Plattmacher gewählt werden. Doch diese Art Proteste finden eine Grenze dort, wo
damit Gefährdung von Menschleben (wie hier bereits beschrieben) einhergehen.
Beispielsweise hat ein SUV-Fahrer nicht bemerkt, dass Klimaaktivisten Luft aus den Reifen
seines Fahrzeugs entfernt haben; er konnte sein Fahrzeug nicht mehr lenken und hat deshalb
einen Fußgänger angefahren und verletzt. Da kann sich nun jeder hier seine Gedanken
machen, was derartig hinterhältige Aktionen künftig für die Sicherheit des Straßenverkehrs
(einschließlich von Fußgängern) bedeuten können.
Mein Widerwillen gegen derartige Protestaktionen hat nichts mit persönlicher
Diskreditierung dieser Akteure zu tun, es ist schlichtweg Missbilligung von Protesten, die
in dieser Form – etwa nach dem Motto: Der Zweck heiligt jedes Mittel - nicht zu
rechtfertigen sind.
Bester Gruß! - Karl
Am 18.12.2022 um 12:43 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 16.12.2022 um 21:28 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at <mailto:philweb@lists.philo.at>>:
Was mich an dieser ganzen Debatte extrem stört, ist die Doppelzüngigkeit der
Protagonisten! Nicht mehr – nicht weniger. Wenn ich als Großstädter schlichtweg kein Auto
benötige, zudem es eh keinen Parkplatz dafür gibt, kann ich mich gut über Mitbürger
aufregen, die abends wie morgens an meiner Stadtwohnung vorbei mit dem Auto zur Arbeit
bzw. zur Erledigung sonstiger Termine fahren. Solange der ÖPNV nicht für eine wesentlich
höhere Auslastung ausgebaut sein wird, ist nicht mit einer Veränderung dieser misslichen
Verhältnisse zu rechnen. Und so weiter und so fort … Das naiv schmollende Ankleben auf
Fahrbahnen bringt hier keine Abhilfe; man könnte auch sagen, ideologische Träumereien
führen nicht weiter, sondern das Erstellen von tragfähigen Konzepten. Letzteres ist
Aufgabe von interdisziplinär aufgestellten Expertenteams, die es mittlerweile längst in
den Baureferaten der meisten Städte gibt. Doch es bleibt dabei: das von mir benannte
Beispiel der nicht spontan umsteuerbaren Ozeandampfer trägt auch hier im kommunalen
Bereich. Es sind nicht nur reaktionäre Unionswähler, die dann Protest erheben, wenn in
ihrem Stadtviertel massive Umbaumaßnahmen geplant und umgesetzt werden. Da ist viel
Heuchelei dabei, ob Du das hören willst oder nicht. Hier konnte man das deutlich am
Beispiel des Brenner-Nordzulaufs sehen. Güter auf die Schiene ja, natürlich – aber nicht
an unserem Or, nicht an meinem Grundstück vorbei!
Moin Karl,
was Du beim Anprangern der angeblichen Doppelzüngigkeit und Heuchelei vergisst, ist, dass
die Krisensituation, in die uns das fossile Imperium gebracht hat, mit niederträchtigem
Vorsatz und rücksichtslosem Eigennutz herbeigeführt wurde — und weiter befeuert wird. Wie
viele grausame Kriege wurden nicht schon darum geführt und wie viele überflüssige
Verbrennungsmotoren für Autos und Transportfahrzeuge produziert. Die profitgierige und
umweltzerstörerische Kompanei zwischen Auto- und Ölindustrie begann 1908 mit der
Massenproduktion des Ford-Modells T. Darauf hatte ich wiederholt hingewiesen, aber immer
und immer und immer wieder werden die gegenwärtigen Verhältnisse dargestellt, als ob es
sich um Naturnotwendigkeiten handelte. Die Misere ist menschengemacht und wenn schon
damals der elektrifizierte Schienenverkehr konsequent ausgebaut worden wäre, gäbe es heute
nichts zu jammern über die absurden Pendlerprobleme und Staus auf den Straßen. In
autofreie Städte muss nicht gependelt werden, da sich in ihnen leben lässt und hinreichend
ausgebauter Schienenverkehr ist nicht auf Autobahnen angewiesen. Eine an Menschen und
nicht an Autos angepasste Stadt- und Siedlungspolitik wäre schon vor hundert Jahren
möglich gewesen.
Warum sollte ich gegen Paechs Lehre einer
vernünftigen Wachstumsökonomie sein? Ich hatte hier doch geschrieben, dass meine
Diplomarbeit zum Thema der Technikfolgeabschätzung angelegt war und darin war damals schon
Recycling ein zentraler Bestandteil dieser Arbeit. Es geht also um sinnvollen (nicht nur)
technologischen Kreislauf, anstatt eines aberwitzigen Wachstums. Auch hier trittst Du
offene Türen bei mir ein!
Ich hatte nach Deinen Unterstellungen den Klima-Klebenden gegenüber den Eindruck
gewonnen, dass es Dir mehr um die persönliche Diskreditierung als um die Sache gehe.
Ähnlich schienst Du mir auch Neubauers Großmutter gegenüber hinsichtlich ihrer PV-Anlage
auf dem Dach bereits vor 30 Jahren reserviert zu sein, anstatt Freude darüber zu zeigen,
dass es wohlhabende Menschen gibt, die ihr Geld sinnvoll einsetzen und nicht bloß
verprassen oder vermehren.
Aus Deiner Sicht mag es Unterstellung sein und
für einige Fälle wird das auch zutreffen. Ist man ehrlich gegen sich selbst, wird man
nicht wenige Fälle von Heuchelei und Doppelmoral auf diesem Gebiet erlebt haben und bei
genauem Hinsehen täglich erkennen. Damit meine ich nicht vornehmlich die Kleber, sondern
die von mir erwähnten SUV-Grünlinge. Was die Klebeaktionen angelangt, bleibe ich dabei: es
handelt sich um Aktionen, die mehr Unmut als Zustimmung befördern und damit erachte ich
sie als sinnlos bzw, kontraproduktiv. Damit habe ich hier keinen dieser Aktivisten
persönlich diskreditiert, sondern äußere meine Meinung genau auf jener gesetzlichen
Grundlage, auf die sich diese Protestaktionen stützen.
Na ja, ich freue mich jedenfalls darüber, dass es Menschen gibt, die sich noch für eine
bessere Zukunft für alle einsetzen,- ohne gleich persönliche Motive zu unterstellen. Und
Proteste sind natürlich nicht immer legal, wichtig ist nur, dass sie friedfertig bleiben.
Über die konkreten Formen lässt sich stets streiten, aber um überhaupt in dem ganzen
sonstigen Medienschwachsinn aufzufallen, sind halt störende und ununorthodoxe Aktionen
nötig.
IT
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