Am 10.11.2024 um 11:23 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich
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Unsere kleinste Einheit ist kohärentes, Ordnung-stiftendes Zusammenarbeiten. Die zu
Grunde liegenden Ermöglicher von Kohärenz verwirklichen in Form kohärenter
Interaktionsdynamik. Ihre gestaltende Wirkung beschränkt sich auf dieses Interagieren als
das „Innen“ des von ihnen verwirklichten Gestaltungsraums. Ob die Interaktionspartner
überhaupt zusammenkommen, liegt nicht mehr in der Macht derer, die die bereits zustande
gekommene Interaktion prägen: das liegt in deren Jenseits, Außen.
Moin Thomas,
eine „kohärente Interaktionsdynamik“, die sich ihren eigenen Gestaltungsraum als ihrem
„Innen" gegenüber dem „Außen" schafft, scheint mir dem Interaktionismus wie der
Kommunikationstheorie verwandt zu sein. Dort integrieren sich die Interaktionspartner in
die systematischen Handlungszusammenhänge, während sie bei Dir im semantischen System
kohärieren.
Ich hatte ja vergleichend auf die Ur-Theorie von Weizsäckers, den AR (agential realism)
Barads und die PTI (possibilist transactional interpretation) Kastners verwiesen. Barads
"intraactions“ und Kastners "handshakes“ sehe ich ebenfalls im Kontext des
Interaktionismus, allerdings bemühen die sich um eine Begründung von Interaktionen und
Kohärenzen, indem sie sich auf die Quantentheorie beziehen. Und von Weizsäcker denkt noch
weiter, indem er die Quantentheorie informatorisch auf qbits bezieht und mittels
mathematischer Transformationen wie von selbst zum 3d-Raum unserer Anschauung gelangt.
Barad und Kastner bemühen sich um Realismus, Du gehst wie von Weizsäcker idealistisch vor.
Aber wie qbits sich in ihrem Gestaltungsraum verwirklichen, ist im Detail nachvollziehbar,
während Du bloß metaphorisch bleibst. Informations- und kommunikationtheoretisch sollten
gleichwohl Wege aus der Ur-Theorie in die semantische Systemtheorie führen und
umgekehrt;— ist doch der Zusammenhang zwischen alltäglichen Entscheidungen und
mathematischen qbits offensichtlich.
Symmetrien und Erhaltungssätze gelten nur für das
jeweilige Innen, und Mathematik leistet dessen Auffassung in absoluter Reinheit. Deshalb
bezeichnet sie sich selber auch nicht als empirische Wissenschaft, und sie wird nicht zu
den Naturwissenschaften gezählt - ihre Gegenstände sind vom „Schmutz“ des Unwägbaren
befreit, sie charakterisieren Kohärieren in Reinform.
Mathematik als „Kohärieren in Reinform“? Die Vieldeutigkeit des Wortes „Kohärenz“ bei Dir
scheint mir unbegrenzt. Ist schon das Zählen und Folgern, aus dem sich Mathematik
entwickeln lässt, jeweils ein „Kohärieren“, weil es auf Stimmigkeit ankommt? Und wird es
beim Messen und Experimentieren nicht vom „Innen“ auf das „Außen“ übertragen? „Symmetrien
und Erhaltungssätze gelten nur für das jeweilige Innen“, aber näherungsweise auch für das
jeweilige Außen. Dabei sind die Konvergenzbeweise der Näherungsverfahren noch Teil der
(numerischen) Mathematik.
IT