Am 19.05.2025 um 04:06 schrieb Claus Zimmermann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Dass ein Satz nicht gleichzeitig im gleichen Sinn wahr und falsch sein darf, entspricht
unserer Definition der Verneinung. Ausgedacht! Was nicht heissen soll, dass das Gegenteil
richtiger wäre, denn es handelt sich ähnlich wie beim Zählen um ein Zeichen, eine Form,
mit der nichts behauptet wird.
Ausgedacht und sehr gut passend zu einer Welt, in der sich die Wahrheit oder Falschheit
von Aussagen eindeutig feststellen lässt. Mir ist gerüchteweise zu Ohren gekommen, dass
das in der Quantenwelt vielleicht anders ist, keine Ahnung.
Moin Claus,
Widerspruchsfreiheit wird auch in der Physik gefordert, was über das Rechnen mit den
natürlichen Zahlen hinaus geht, ist bspw. die Vertauschbarkeit, d.h. dass a + b = b + a
für die Addition natürlicher Zahlen gilt. Grundlage des Zählens ist die Handgreiflichkeit,
aber schon die Umkehrung der Addition sprengt den Zahlenbereich, wenn bspw. b = a oder b
> a ist in a - b. Zudem sind schon Alltagshandlungen hinsichtlich ihrer Reihenfolge
nicht vertauschbar.
Die Null als Ergebnis von b = a in a - b ist ja von Indern eingeführt worden, womit sie
dann das geniale Stellenwertsystem entwickelten. Dabei mag ihnen das hinduistische
Philosophieren geholfen haben. So steht es in Lehrbüchern und auch ChatGPT schreibt dazu:
„Die Null wurde in Indien erfunden, weil dort:
1. Sprachlich und philosophisch das Konzept des Leeren (śūnya) integriert und fruchtbar
gedacht wurde,
2. der religiöse Kontext eine positive oder neutrale Auffassung des Nichts ermöglichte
(nicht dämonisiert wie im Westen),
3. mathematische Abstraktion kulturell unterstützt statt gebremst wurde.
In westlichen Kulturen (z. B. im Christentum) war das „Nichts“ oft angstbesetzt – als
Leere, Tod oder Abwesenheit Gottes –, was die Akzeptanz der Null dort verzögerte.“
Gerüchteweise wird immer wieder Arabern das Einführen des Rechnens mit der Null
zugesprochen, so auch in der populären Serie „Prime Finder“. Ein talentierter Mathematiker
findet darin eine Formel zur Primfaktorzerlegung, die das Überwinden von
Sicherheitsverfahren ermöglichte. Im Gegensatz zur Addition ist die Multiplikation
hinsichtlich ihrer Umkehrung durch die Null nicht abschließbar, vielmehr zeigt sie das
Unendliche. Lässt sich damit die Wahrheit oder Falschheit von Aussagen noch eindeutig
feststellen? Für Formalisten ja, für Konstruktivisten nein. Ebenso wie die klass. in die
konstr. Logik kann auch die klass. in die Quantenlogik eingebettet werden.
Alltagsbezogen kann entsprechend die Ding- in die Handlungs- und philosophisch die Seins-
in die Prozesslogik eingebettet werden. Die mathematischen Strukturen zur Quantenwelt
werden seit von Neumanns Algebra untersucht, um sie mit den vagen Komplementaritäts- und
Korrespondenz-Dogmen Bohrs in Einklang zu bringen. Klaas Landsman stellt die Bohrifikation
in seinen „Foundations of Quantum Theory“ zusammen: "Killing two birds with one
stone, we implement the doctrine of classical concepts in the language of operator
algebras, as follows: 'The physically relevant aspects of the noncommutative operator
algebras of quantum-mechanical observables are only accessible through commutative
algebras.‘ Our Bohrification program, then, splits into two parts, which are distinguished
by the precise relationship between a given noncommutative operator algebra A
(representing the observables of some quantum system, as detailed below) and the
commutative operator algebras (i.e. classical contexts) that give physical access to A.“
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-319-51777-3
<https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-319-51777-3>
So wie Dinge und Handlungen alltäglich rechnend und sprechend in Einklang gebracht werden
können, so auch in den mathematischen Strukturen der Quantenwelt. Landsman behandelt
abschließend ebenso die Quantentoposophie, auf die Joachim seinerzeit mit HoTT hingewiesen
hatte. Meiner Ahnung nach, könnten mathematische Strukturen auch zur Klärung und Synthese
allgemein philosophischer Probleme beitragen. Zahlreiche Ansätze haben wir hier ja schon
behandelt. Sollten die so nebeneinander stehen bleiben? Ist auch im Alltag die
nichtkommutative Handlungs- nur durch die kommutative Dinglogik zugänglich?
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