Von meinem iPhone gesendet
Am 29.05.2021 um 14:20 schrieb Joseph Hipp via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
[Philweb]
Hallo Karl,
ich konnte gut lachen, nach dem Satz, der folgt, bedenke du auch mal: Fortgeschrittene
Epiktetisten bzw. Stoiker können nicht beleidigt werden, und wahre Christen drehen den
Kopf zur Seite.
"Von einer „Obrigkeit von Spezialisten“ zu schreiben, halte ich für plumpe
Intellektuellenschelte, wenn nicht für finstere reaktionäre Ideologie."
Logik, ungenau angewandt, ergibt:
Zugehörigkeit zu
den Plumpen,
den Ideologen,
den finsteren Ideologen,
den reaktionären Ideologen,
Teilnahme an
der Plumpheit,
der Finsterkeit,
dem Reaktionären,
der Ideologie,
"So einer" kann an den Pranger gestellt werden wegen aktuellen, vergangenen und
zukünftigen Taten von Personen und Gruppen, die so gekennzeichnet werden können.
In anderen Fällen der mentalen oder sonstwie gearteten Umweltverschmutzung.
Ein Moderner und XY-Zuschauer kann die Logik ungenau anwenden und sagen:
Die entsprechende Volksgruppe wurde verhetzt, beleidigt, noch besser: gefühlsverletzt.
Weiter: "sollte als Verbrecher verurteilt werden!"
Beißt da der .. sich nicht in den Schwanz? .. sonst bin ich in der Zwickmühle, Mensch und
Hund, ich kann niemandem es recht machen. Also ein neuer Grund, Kyniker zu werden oder
...ker. Rätsel nach Rätsel.
Epiktet würde wohl sagen: "Lass doch deine verletzten Gefühle beiseite, sie sind
außerhalb deiner selbst und außerhalb deines freien Willens. Und wenn du meinst, sie wären
auf der inneren Seite, dann hast du sie in den Griff zu bekommen."
Ja, ich schätze schon die Vorstellungen der Stoiker, insbes. die von Mark Aurel in seinen
Selbstbetrachtungen angeführten Grundsätze.
Was ich jedoch hier zum wiederholten Male klarstellen sollte ist, dass ich mich
keinesfalls in meinen Gefühlen und schon gar nicht in religiösen Gefühlen verletzt fühle -
denn ich habe diese nicht!
Weder glaube ich an einen persönlichen Gott noch halte ich es mit dem von Waldemar zurecht
kritisierten „Pfaffentum“ zudem glaube ich nicht an die religiös angelegten Erzählungen
von „Himmel und Hölle“ oder derartigen Jenseitsvorstellungen. Weiterhin glaube ich nicht
an Vorstellungen von Jungfrauengeburt und Irgendwelchen Auferstehungen und Himmelfahrten
als quasi faktisch gegebene resp. historisch gesicherte Ereignisse. Vielmehr handelt es
sich dabei um mythische Erzählungen, die ihren Ursprung weit vor deren Vereinnahmung durch
entsprechende christliche Abfassungen haben.
Ebenso befremdlich wie absurd kommen mir Waldemars Erklärungen von
„Residual animistisch-magischen Abfällen“ vor, die er mit Religion assoziiert.
Was Waldemar mir zudem da immer wieder andichten will, leitet er von seinen (durchaus
fundierten) kirchengeschichtlichen Kenntnissen ab, ohne jedoch meine ureigene Einstellung
hierzu zu kennen; einfach nur lächerlich, wenn er mich in die Kategorie naiv an einen Gott
oder irgendwelche Gottesmütter Glaubende einzureihen versucht!
Natürlich glauben viele Christen an diese Mythen, wogegen deshalb nichts einzuwenden ist,
weil es diesen Menschen nicht gegeben ist, sich beizeiten davon zu emanzipieren. Kirche
bzw. Religion ist jedoch bei weitem nicht ausschließlich von naiv Gläubigen, sondern
durchaus auch von Mitgliedern getragen, die sehr wohl ein differenziert-religiöses Welt-
und Gottesbild haben und dieses dementsprechend leben.
Erst- wie Letztgenannte als „geistige Umweltverschmutzer“ oder Verbrecher (bzw. an
Verbrechen indirekt durch ihre Kirchenmitgliedschaft Beteiligte) zu kategorisieren, nur
weil sie an einen Gott glauben und diesen Glauben gemeinschaftlich teilen resp. diesen in
den üblichen Traditionen christlicher Gemeinschaften praktizieren, ist eine unhaltbare
Zuweisung, gleichermaßen unverschämt wie zutiefst diskriminierend!
Diese abartige Zuweisung dann zu relativieren, indem man (zum endlos wiederholten Male)
auf vermögende Kirchen und sonstige Verfehlungen klerikaler Cliquen verweist, zeigt
deutlich die Schieflache dieser radikalen Fundamentalkritik auf.
Missbrauch ist eine offensichtlich unausweichliche menschliche Veranlagung, unabhängig von
der Zugehörigkeit zu jedweder Institution oder sonstig gesellschaftlichen Gruppierung.
Man kleide Menschen in purpurne Gewänder und kröne sie mit Kränzen, Kronen oder Mitras;
mit diesen Attributen und damit verbundener Machtfülle ausgestattet, wird deren Erhalt
jede Moral geopfert, gleichermaßen, ob es sich um klerikale oder säkulare Machtstrukturen
handelt.
DIe Insignien der Macht wandeln sich, nicht jedoch deren Mechanismen. Mit von Menschen
tief empfundener Spiritualität resp. Religiosität hat das nichts zu tun!
Damit beende ich meine diesbezüglich hier eingebrachte Argumentation.
Was würde Kant zu alledem sagen? Dachte er wirklich, dass jeder für die Folgen aller
seiner Wörter und Sätze später mal von ihm zur Verantwortung gezogen werden könnte, wenn
er noch leben würde, oder wenn ein Kantist die Obrigkeit stellen würde, und nicht eine
Physikerin?
Ein Richter in diesem Jahrhundert sagte in einem Gerichtsverfahren: "Er ist eben so,
wir müssen mit solchen Menschen leben", und die beleidigten Frauen brauchten nicht
einmal als Zeugen in den Gerichtssaal, obwohl sie die Sache angezeigt hatten. Was die sich
dabei dachten? Der Angeklagte wurde in einem anderen Zusammenhang nur noch als "alter
Mann" von einer Zeitung dargestellt.
Also mehrere Mott..: "Nicht so ernst sein!", "Spaß beiseite!" oder
eher "Nicht alles so genau nehmen"?
Gruß
JH
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