Am 18.11.2022 um 19:19 schrieb Karl Janssen über PhilWeb 
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
  Man kann sagen, dass Wissen erst durch Wissenschaft
erzeugt wird. 
Das habe ich aber noch nie gehört!
1. Weil ich sozusagen die Person und ihr Denken als Primat nehme, kann 
ich nur sekundär das Gelernte bei ihr denken, und am Schluss erst 
Wissen. Wissen ist dann sekundär und abstrakt zu denken und doch nur als 
Teil des Gelernten. Zum Gelernten gehören auch viele andere Sachen, 
Erlebnisse, Unwahrheiten, Überzeugungen, obwohl behauptet wird, die 
Person würde sich diese selbst bilden. Von Kind auf wird gelernt, sogar 
von Tierkind auf, zuerst ein Wissen-Wie. Ich schreibe das ungenau, denn 
ich gehe nicht immer von dieser Trennung Wissen-wie und Wissen-dass aus. 
Hier wäre das Wissen am Ende aber in etwa ein subjektives, es wäre nur 
ein geringer Teil des Gesamtwissens, oder gar des Ideals des Wissens, 
wie in folgendem Punkt gedacht.
2. Eine zweite Frage ist mir aufgetaucht, die ich nicht los werde. Ist 
Wissenschaft zu Wissen nicht so denkbar wie positives zu natürlichem 
Recht? Positives Recht wird als geschriebenes immer wieder 
umgeschrieben, natürliches soll sozusagen als unerreichbares Ideal 
vorliegen, und es soll als Vorlage für das positive Recht dienen. Analog 
dazu wäre Wissenschaft wegen des Fallibilismus ebenso, auch dort wird 
ständig umgeschrieben. Und Wissen wäre das nie erreichbare Ideal. Hier 
könnte an Platos Ideenlehre gedacht werden. Ich vermute, dass diese 
Analogie bei den Formalwissenschaften nicht vorliegt, weil diese mit 
idealen Bausteinen fortschreiten.
3. Dass nicht nur der Wissenschaftsbetrieb immer neues Wissen erzeugt, 
sondern auch die Realwissenschaften, gerade in Verbindung mit dem 
Wissenschaftsbetrieb, scheint zu stimmen. Ein wenig ungenau gesagt, wie 
Karl schrieb: "Wissen durch Wissenschaft erzeugt", aber ohne das Wort 
"erst". Ein Beispiel: Ein neues Medikament kann aus der Kombination von 
Wissenschaft und Wissenschaftsbetrieb "erzeugt" werden.
4. Wie ist es jedoch mit der Vielwisserei? Sokrates hob sich von den 
Sophisten in der Hinsicht ab. Und Heraklit verabscheute diese schon 
gemäß folgendem Absatz von Wikipedia 
(
https://de.wikipedia.org/wiki/Heraklit):
"Bei seiner Kritik falsch verstandener Weisheit wendet sich Heraklit 
auch gegen bekannte Persönlichkeiten; so wirft er Hesiod, Pythagoras, 
Xenophanes und Hekataios vor, ohne Verstand lediglich „Vielwisserei“ 
(πολυμαθίη polymathíē) betrieben zu haben, statt zu wahrem Wissen 
vorzudringen.[118] Zwar bescheinigt er seinem Zeitgenossen Pythagoras, 
mehr Studien betrieben zu haben als irgendein anderer Mensch;[119] 
jedoch beschuldigt er ihn der „Künstelei“ und nennt ihn spöttisch einen 
„Oberschwindler“ (kopídōn archēgós).[120]"
5. Ich nutze nicht zusätzlich zum Wissen das Wort Weisheit, nur nebenbei 
bemerkt. Zudem kann nichts gegen das folgende Prinzip gesagt werden: Dem 
komplexen Gegenstand gebührt auch das komplexe Wissen, dem einfachen das 
einfache. Aber das wusste auch schon Sokrates, denn er ging schließlich 
davon aus, dass er als Philosoph nichts von den Künsten, z.B. der 
Medizin verstehen musste.
6. Hier oben kommt das Wort Wissen einmal als kleines Wissen vor, ein 
andermal als "unbegrenztes" Idealwissen. Wissenschaft kann den Anspruch, 
Ideal zu sein, nicht haben, wegen des Fallibilismus.
JH