Am 19. März 2024 13:13:05 MEZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 18.03.2024 um 20:21 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ich hatte nicht bestritten, dass mit Hilfe von Prinzipien und Konstanten, auf die man
dann vertraut wie der Normalo auf den Zusammenhang zwischen Blitz und Donner, und mit
Hilfe von Mathematik, die man selbst erfindet, allgemeinere und genauere Berechnungen
möglich sind. Und deinen Ausführungen hatte ich entnommen, dass der Schluss von der
Bewegungsänderung auf die Kraft als "Ursache" deduktiv ist, also nicht der auf
einen vorher unbekannten Drahtzieher.
Ich möchte mir nur nicht dss eine als das andere verkaufen lassen. Die Absurdität dieses
Unternehmens hat Exupery ja schön auf den Punkt gebracht.
Moin Claus,
Du störst Dich an der Kraftdefinition, wenn sie logisch zirkulär als Schluss von der
Bewegungsänderung auf die Kraft als ihre Ursache angesehen wird. Es geht aber nicht um die
Kraft im Allgemeinen, sondern um die Gravitationskraft im Besonderen, d.h. geschlossen
wird von einer in den Keplerschen Gesetzen beschriebenen Bewegungsform auf ein
Zentralkraftgesetz, lax ausgedrückt von der Bewegungsänderung auf die Kraft.
Es wird also von der Bewegungsänderung auf ein Zentralkraftgesetz geschlossen. Und wie
macht man das?
Mathematisch kann von einem Abstandsgesetz auf einen Kegelschnitt geschlossen werden und
umgekehrt. Für den mathematischen Zusammenhang spielt es keine Rolle, wie ich die Symbole
interpretiere, das Abstandsgesetz Gravitationspotential und den Kegelschnitt Planetenbahn
nenne.
Ich hatte in der Mail an Karl vom 18.3. schon erwähnt, dass sich Newton und Coulomb in der
Potentialtheorie gemeinsam behandeln lassen. D.h. aus der Existenzannahme eines zu 1/r mit
dem Abstand abnehmenden Energiepotentials einer Masse M oder Ladung Q folgen für Testmasse
m oder Testladung q unter Hinzunahme der jeweiligen Feldkonstanten k die beiden Gesetze
für die Kraftfelder durch Gradientenbildung aus den Potentialen. Ebenso wie die Energie
sind die Kräfte nur an ihren Wirkungen erkennbar, so dass sie auch als Ursachen angesehen
werden.
Das könnte man so verstehen, dass Ursache und Wirkung hier eins sind, es sich also um
austauschbare Ausdrücke handelt Aber es wird ja auf das Gesetz geschlossen, das die
Bewegung einigermassen (abgesehen von dieser Perihelabweichung z.B.) mit Hilfe einiger
variabler Grössen beschreibt und das Gesetz wird dann Ursache genannt. Das Wort entstammt
der Alltagssprache, in der es etwas anderes bedeutet.
Für die Bewegung einer Testmasse m im Gravitationspotential - k M / r folgt dann in
Verbindung mit der allgemeinen Kraftdefinition bzw. dem Aktionsprinzip als Lösung für die
Bewegungsform der Testmasse ein Kegelschnitt. Dieses einfache Zentralkraftproblem lässt
sich auf die Erdbewegung im Zentralkraftfeld der Sonne übertragen, da die kleine Erde
gegenüber der riesigen Sonne als bloße Testmasse angesehen werden kann. Als Testmassen im
Schwerefeld der Erde können auch herumfliegende Steine behandelt werden, die aber zumeist
einfach wieder linear oder parabolisch auf die Erde zurückfallen.
Die Ableitung ist ohne Kenntnisse der Mathematik und Physik nicht nachvollziehbar.
Claus
Im Gegensatz zur Wortspielerei Exupéry’s verstehe ich unter Erdanziehung also nicht bloß
Fallen, sondern Bewegung im Schwerefeld der Erde gemäß einer Lösung des
Zentralkraftproblems, die Richtung und Beschleunigung verständlich macht. Feynman bemerkte
dazu "I learned very early the difference between knowing the name of something and
knowing something.“ Die Umgangssprache liefert doch nur eine triviale Oberflächensicht des
Geschehens um uns herum. So ist es ja auch hinsichtlich der umgangssprachlich ignorierten
Erdrotation, wonach angeblich die Sonne auf- oder untergeht. Dabei sinkt oder hebt sich
jeweils nur der Erdhorizont. Du scheinst Dich stets auf die Umgangssprache beschränken zu
wollen, während ich die Mathematik für ebenso wesentlich halte.
Nach Newton’schem Programm werden alle realen Abweichungen von den idealen Bewegungen
durch Kräfte erklärt. Das ist die Auffassung Lorenzens in seiner meth. konstr. Begründung
technischen Wissens. Newton selbst äußerte sich im Vorwort seiner Principia: „Aus den
Erscheinungen der Bewegung, die Kräfte der Natur zu erforschen und hierauf durch die
Kräfte der übrigen Erscheinungen zu erklären.“ Und woher rühren die Kräfte? Im Scholium
generale der Principia erklärt Newton: „Ich habe noch nicht dahin gelangen können, aus den
Erscheinungen den Grund dieser Eigenschaften der Schwere abzuleiten, und Hypothesen
erdenke ich nicht . . . Es genügt, daß die Schwere existiere, daß sie nach den von uns
dargelegten Gesetzen wirke und daB sie alle Bewegungen der Himmelkörper und des Meeres zu
erklären imstande sei.“ Einstein verknüpfte die Gravitation mit der Raumzeit und Feynman
sah sie als Austausch-WW mittels Gravitonen. Eins Sonderstellung unter den WW nimmt sie
noch immer ein.
Eren Simsek hat Newton in seiner Diplomarbeit im philosophisch-historischen Kontext
behandelt: „Die Prinzipien der Philosophie. Die mathematischen Prinzipien der Philosophie
der Natur“
https://utheses.univie.ac.at/detail/30654
<https://utheses.univie.ac.at/detail/30654>
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