Am 01.09.2023 um 16:00 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
jetzt ist es ein Kampfbegriff — wie schon der Kapitalismus. Der wird auch Marktwirtschaft
genannt, aber was ändert sich dadurch an den tatsächlichen Ungerechtigkeiten,
Wirtschaftskrisen und Naturzerstörungen? Und was ändert sich an den Energiekrisen, Kriegen
und Naturzerstörungen, wenn ich das fossile Imperium fossile Energiewirtschaft nenne? An
der Sache nichts, wohl aber wird die allgegenwärtige strukturelle Gewalt verschleiert und
von der Machtpolitik abgelenkt. Wer könnte wohl ein Interesse daran haben, die Dinge eher
zu verschleiern als sie zu benennen? Philosophie jedenfalls sollte aufklären und nicht
verdunkeln.
Imperium als Innbegriff von Herrschaftsbereichen, die es seit jeher zu verteidigen
wie aber auch anzugreifen galt und gilt, was unausweichlich mit Kampf verbunden ist. So
liegt es auf der Hand, dass jene, die gegen die Klimakrise ankämpfen, ihren Widerstand
vornehmlich gegen die fossile Energiewirtschaft richten. Dieser „Kampf“ ist legitim,
sollte m.E. jedoch mit angemessenen Mitteln und nicht um jeden Preis, etwa mit Nötigung
und Sachbeschädigung geführt werden.
Wir sollten uns jedoch einig sein, dass dieser Kampf dem des Don Quijote gleicht –
ehrenhaft und dennoch aussichtslos, wenngleich nicht ohne Chance, dadurch Aufmerksamkeit
für das Problem des Klimawandels zu schaffen.
Wer wollte denn am Beispiel Russlands, dessen ökonomische Basis auf eben seinem fossilen
Energieimperium fusst, eine Handlungsoption sehen, dieses wirtschaftspolitisch essentielle
Instrument einer autokratisch regierten Großmacht außer Kraft zu setzen. Hier finden sich
dann wirklich die von Dir benannten Machenschaften, wie sie durch die Verflechtung von
politischem Machtapparat und Energiewirtschaft betrieben werden. Die Liste dieser
Verflechtungen ist lang und deren Protagonisten scheren sich einen Dreck um ein paar
Klimakleber auf deutschen Straßen. Ebenso Ölmagnaten des Arabischen Raums oder sonstigen
Fördergebieten. Der Kampf gegen dieses international verflochtene Imperium scheint
aussichtslos.
Mit dieser Darlegung bestätige ich ja geradewegs Deinen „Kampfbegriff“ von einem fossilen
Imperium und dessen Existenz. Meine Gegenrede bezog sich daher auch nicht auf die Leugnung
dieses Imperiums schlechthin, sondern darauf, dass es kein Reich ohne Bürger gibt.
Philosophie soll erhellen, forderst Du und ich beziehe mich auf Nitzsche:
„Du großes Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht die hättest, welchen du
leuchtest!“
Fossile Energie war und ist immer noch das „leuchtende Glück“ einer Epoche des weltweit
wirtschaftlichen Wachstums, das Milliarden Menschen hinreichenden Wohlstand brachte und
immer noch bringt. Auch für Dich und mich. Allein darauf will ich hinaus. Wir können nicht
so tun, als hätten wir keinen Anteil am fossilen Imperium, als seien wir nicht „Bürger“
dieses Herrschaftsbereichs gewesen und dies immer noch sind. Oder bist Du etwa seit
Kindesbeinen nur zu Fuß oder mit dem Lastenrad unterwegs?
Es steht doch gänzlich außer Frage, dass das Ende des fossilen Zeitalters kommen muss und
dass man diesen Prozess, wo immer möglich, zu beschleunigen hat.
Wir hatten hier die Rockefellers erwähnt und so zeigt sich hier ein Beispiel für eine
konkrete Maßnahme zum Ausstieg aus dem Geschäftssektor von Öl- und Kohle. Diese
Rockefeller-Family, die über Jahrzehnte einen gigantischen Gewinn aus diesem Geschäft
gezogen hat (ca. 900 Mio Dollar Vermögen – sofern die Angabe zutrifft), verkauft Anteile
aus dem fossilen Energiebereich, um mit diesem „Divestment“ Mittel aus dem Markt fossiler
Brennstoffe abzuziehen. Auch andere Öl-Magnaten werden diesem Beispiel folgen (müssen) und
damit das Ende des Öl- und Kohlezeitalters beschleunigen.
Was mich in diesem Zusammenhang irritiert ist, dass diese unsere Ampelregierung, obgleich
Wahl zwischen Teufel und Beelzebub, die Entscheidung der ehem. BKin zur Abschaltung von
Kernkraftwerken nicht außer Kraft gesetzt hat und statt dessen den Weiterbetrieb
ausgerechnet von Kohlekraftwerken billigt.
Letztlich liegt es in der Verantwortung nicht nur der Regierenden, sondern jedes einzelnen
Bewohners dieser Erde, die Pflicht auf sich zu nehmen, dem Anstieg der Erderwärmung durch
entsprechendes Handeln entgegen zu wirken. Doch, wie gesagt, dass setzt entsprechende
Bildung voraus und da sehe ich kaum Möglichkeiten, diese in jenen Ländern voranzubringen,
die jetzt gerade im Begriff sind, nach Wohlstand und geopolitischem Einfluss zu streben.
Es gilt also nicht vordergründig den „Kampf“ gegen ein fossiles Imperium zu führen,
sondern gegen Ignoranz und Bildungsarmut in der Welt und vor allem gegen das exorbitante
Bevölkerungswachstum. Würde dieser gewonnen, wäre das Ende des fossilen
Herrschaftsbereichs besiegelt. Unbenommen dessen kommt dieses Ende ohnehin, denn es sind
längst alternative Energieformen ante portas.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl