Am 25.10.2025 um 17:04 schrieb Rat Frag über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Meine Motivation sollte so klar sein wie irgendmöglich: Ich möchte eine Theorie
entwickeln, wieso Menschen unterschiedliche Meinungen haben.
Mir war das nicht klar; denn Meinungen sind Sache der Politik, doch nicht der
Philosophie!?
Nicht, dass ich damit ein Problem hätte oder sowas. Es
scheint mir nur eine legitime Frage zu sein. Ich denke, ein Grund warum das so ist, könnte
sein, dass bei der Übertragung des selben Begriffes quasi "Fehler" unterlaufen.
Dass also der Schüler manchmal den Begriff anders versteht als der Lehrer es gemeint hat.
So kann es dazu kommen, dass zwei Leute zwar verbal das selbe sagen, aber
"mental" etwas anderes vorstellen. Wobei ich mir bewusst bin, dass die
Verbindung zwischen mentaler Vorstellung und Bedeutung wiederum zu Problemen führt.
Meinungsvielfalt durch Missverständnis halte ich für einen Nebenschauplatz. Schließlich
handelt es sich bei Meinungen um sprachlich-subjektiv-situative Lebensäußerungen. Die sind
so vielfältig wie die Subjekte und Situationen. Ideologiekritisch betrachtet dürften
übereinstimmende Meinungen hauptsächlich durch Manipulation herbeigeführt werden.
Sozialforschende haben über Meinungen, ihre Entstehung und Verteilung viele Untersuchen
durchgeführt. Warum befasst Du Dich nicht mit ihnen?
Entschuldige, wenn ich hier widersprechen muss. Deine
Darstellung drängt Lorenzens Sichtweise als unmittelbar einleuchtend vorher. Man mag nun
der Überzeugung sein, dass er die Wahrheit entdeckt habe, dennoch ist diese Darstellung
doch nicht unproblematisch. Aus Fairnessgründen sollte man immer beiden Seiten gehör
verschaffen.
Lorenzens Metamathematik ist eine konstruktive Fortsetzung des von Hilbert begründeten
Programms. Sie ist auch Axiomatizisten zugänglich, wenn sie sich dafür interessieren
sollten. Mir geht es um Nachvollziehbarkeit. Die axiomatische Mathematik findest Du in
gängigen Lehrbüchern. Um fair verteilte Meinungen kommt es im Journalismus an. Darum geht
es mir nicht.
Die meisten praktizierende Mathematiker interessieren
sich überhaupt nicht für die Grundlagen der Mathematik. Völlig egal ob logisch,
konstruktiv, historisch oder sonst wie. Ihr eigenes Fachgebiet, das wird schon untersucht,
aber sich z.B. Gedanken darüber zu machen, wieso mathematische Beweise funktionieren, das
ist nicht ihre Aufgabe. Hierin gleichen sie den Naturwissenschaftlern. Hinter der Hand
sind die meisten Naturwissenschaftler eiskalte Instrumentalisten. Die Theorien der Physik,
Chemie, der theoretischen Biologie usw. sind nützlich zur Lösung von Problemen, darin
liegt ihr Wert. Ob sie eine unabhängige Realität abbilden ist ihnen im Kern egal. Genauso
kann man natürlich auch z. B. Aussagenlogik nur als eine weitere Form der Algebra
betrachten. Ein Philosoph sollte sich der Herausforderung stellen.
Die meisten Mathematiker und Naturwissenschaftler gehen halt ihrer Arbeit nach. Freuen wir
uns darüber, dass einige, wie Mach, Whitehead, Russell, Wittgenstein, von Weizsäcker,
Lorenzen oder Janich, später als Philosophen über ihre Arbeit nachgedacht haben.
IT