Nehmen wir an, ein Gesetz lautet: das und das ist verboten. Das ist auf den ersten Blick
vielleicht nicht einleuchtend, klingt wie ein Machtwort, dem man sich nicht ohne Grund
unterwerfen möchte und man fragt deshalb, wie ich finde, mit Recht: warum eigentlich? Die
Antwort könnte lauten: weil dadurch andere geschädigt werden könnten, denn...Wenn dann
gefragt wird "Ja und? Was ist denn dabei?", hat man es vielleicht mit jemandem
zu tun, dem beigebracht wurde oder der von sich aus findet, daß auf andere oder bestimmte
andere keine Rücksicht genommen werden muss. Darüber könnte man mit ihm reden, aber
eigentlich weniger, indem man selbst Gründe angibt (Was für welche sollten das
sein? Volkswirtschaftliche? Fände man das wichtiger als das Gebot der Rücksichtnahme?),
sondern dadurch, daß man ihn nach seinen Gründen fragt. Dabei könnte dann vielleicht
herauskommen, daß er meint, daß auf bestimmte Menschen keine Rücksicht genommen werden
müsse, weil sie ganz anders als wir und eigentlich gar keine Menschen wären. Auch darüber
könnte man vielleicht noch reden und ihn vielleicht davon überzeugen, daß das nicht der
Fall ist. Das wäre dann der seltene Sonderfall, daß er einen Grund für seinen Grund hatte
und man ihm den ausreden konnte.Er könnte auch von einem Recht des Stärkeren überzeugt
sein, das zu einer Auslese der Besten und einer besseren Welt führen würde. Natürlich
könnte man darüber reden, wie diese Welt denn aussehen würde und ob das wirklich ein
Fortschritt wäre. Vielleicht ist er nicht dumm, hat sich das alles schon ausgemalt und
beharrt darauf, daß das besser wäre. Dann hätte er seine Karten aufgedeckt, sie wären
andere als meine und wir könnten uns nicht einigen.Oder er versteht überhaupt nicht, was
mit Recht und Unrecht gemeint sein könnte und kennt nur Stärke und Schwäche. Auch dann
könnten wir uns nicht dadurch einigen, daß wir auf einen Grund verweisen, der uns beide
überzeugt.Wenn ich dich richtig verstehe, müsste man aber auch fragen, warum die Welt denn
verbessert und nicht vielmehr verschlechtert werden sollte. Und den Grund dafür auch
wieder hinterfragen. Usw. usw. Und das führt natürlich nie zu einem Ende. Deshalb könnte
man nichts begründen und sollte gar nicht erst damit anfangen, wenn man meint, alles
begründen zu müssen. Wenn man aber meint, soweit Begründungen zu schulden, bis man seine
Karten aufgedeckt hat, impliziert das nicht schon eine Präferenz für demokratische
Verfahren, herrschaftsfreien Diskurs und gegen den Holzhammer?Grüße, Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 19.05.19 09:55 (GMT+01:00) An: philweb
<Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: Re: [Philweb] Die Luecke am Anfang jeder
Demokratie [Philweb]Am Mi., 15. Mai 2019 um 17:15 Uhr schrieb Claus:> Die Begründung
könnte etwa in der Entscheidung für> bestimmte Werte und Ziele bestehen.Bleiben wir an
dem Punkt bitte einmal kurz stehen. Ist das okay?Das war eigentlich der Ausgangspunkt
meiner persönlichen Überlegung.Sofern man diese Werte und Ziele oder "Normen"
begründet, ist dieBegründung ja erst mal individuell. Man kann jetzt den Ansprucherheben,
dass diese Normen eine universelle Gültigkeit haben, dabeilandet man aber bei dem Problem,
Normen für Leute in Kraft setzen zuwollen, die diese selbst vielleicht gar nicht wollen.Es
bleibt uns also die Alternative:Die Demokratie versucht hier eben zu vermitteln, indem die
Normennicht "von Oben", sondern "aus der Mitte" abgeleitet werden.Das
scheint auf den ersten Moment erst Mal naheliegend und dann habenwir das von mir genannte
Problem. Selbst eine demokratische Abstimmungerfordert Vorfeldentscheidungen.> Der
"kollektive Wille" - wobei mir der Ausdruck nicht gefällt, sag z.B.>
"Volkswille" und du weißt, worauf es hinausläuft - wird durch Wahlen und>
Abstimmungen festgestellt und sollte zumindest nach meiner> Wertentscheidung unbedingt
Minderheitenrechte respektieren.Es geht ja darum, dass die Wünsche der Mehrheit auch
umgesetzt werden._______________________________________________Philweb mailing
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