Am Di., 11. Juni 2019 um 16:10 Uhr schrieb Claus Zimmermann
<Zimmermann.Claus(a)t-online.de>de>:
Von einer Theorie der Gerechtigkeit oder einer
Definition des Begriffs
erhoffen wir Orientierungshilfe bei der im Einzelfall nicht immer
leichten und eindeutigen Beurteilung von Gerechtigkeitsfragen.
"Von einer Theorie der Wahrheit oder einer Definition des Begriffs erhoffen
wir uns Orientierungshilfe bei der im Einzelfall nicht immer leichten und
eindeutigen Beurteilung von Wahrheitsfragen."
Frage: Es ist wahrscheinlich eine Wahrheitsfrage, ob auf der Rückseite
des Mondes Mondkäse ist, hilft z. B. Tarskis Theorie der Wahrheit oder
Quines Ausführungen dazu uns, diese Frage besser zu beantworten?
Ich glaube nicht. Die Frage ist, ob man eine Analogie zur Gerechigkeit
ziehen will. Was mich auf einen anderen Gedanken bringt:
Die Analogie zwischen Gerechtigkeitstheorie und Ethik und Gesetzgebung.
Der Gedanke, den ich jetzt vorstellen will, wirkt auf den ersten,
oberflächlichen Blick komplett absurd und vielleicht ist er das auch
tatsächlich, aber ich versuche ihn ein wenig gründlicher unter die
Lupe zu nehmen:
Betrachten wir den Fall, dass jemand Extremsport treibt und sich dabei
wissentlich und willentlich selbst in Gefahr bringt. Er sagt zu einem
Freund, er wird heute aus der oberen Atmosphärenschicht auf die Erde
springen und tut dies auch. Dabei stirbt er leider.
Ist der Freund der unterlassenen Hilfeleistung schuldig? Er hätte ihn
ja aufhalten können.
Es hilft uns nichts, zu wissen, dass es z. B. moralisch gut ist, wenn
jemand anderen Menschen hilft. Wir brauchen eine allgemeine, abstrakte
Regel für die Situation. Also nicht "Laura hat grüne Augen", sondern
"Jedes X hat grüne Augen".
Ist es nicht spätestens seit Kant so, dass wir die selbe Regel in der
Ethik suchen?
„Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen
Gesetze machen kann.“
Das ist schon die Aufforderung ein allgemeines Gesetz vorzulegen, dass
für möglichst viele Fälle bereits entscheidet, wie richtig vorzugehen
ist.
Wir können Worte durch Worte erklären oder durch
Beispiele, die dem
entsprechen, das die Worte beschreiben. Am Ende der Erklärung muss aber
ein Beispiel stehen, das nicht durch Worte erklärt oder beschrieben,
sondern nur präsentiert werden kann. Sonst müssten wir immer
weiterfragen, was denn die erklärenden Worte bedeuten und wüssten daher
nie, was das zu Erklärende bedeutet. Falls es sich bei "gerecht" um
einen Ausdruck dieser Kategorie handeln sollte - wie sollte dann eine
Definition oder Theorie möglich sein?
Wir landen bei einem komplizierten Fall von Induktion. Wenn ich weiß,
dass es gerecht ist, wenn jemand für etwas bezahlt wird, wie kann ich
dann z. B. eine Regel finden für Ehescheidungen, Kränkungen usw?
Es geht hier darum von den Einzelfällen auf eine allgemeine Regel zu folgern.
Wenn wir dagegen überlegen, ob die Erklärung in allen
Konsequenzen
unserem Gerechtigkeitsempfinden entspricht, ist das eher so, als ob wir
einen Gegenstand betrachten, um festzustellen, ob er auch wirklich rot
ist, nachdem uns das Zeichen anhand eines ähnlichen Beispiels erklärt
wurde. Wir würden damit zeigen, daß wir sie nicht wirklich als Maßstab
akzeptieren, sondern einen anderen Maßstab an sie anlegen, selbst wenn
wir sie nicht durch Gegenbeispiele entkräften könnten.
Der Gerechtigkeitssinn ist, wenn vorhanden, formbar und umkämpft, da es
um Interessen geht.
Hier in der Liste haben wir also drei (3) mögliche Sichtweisen präsent:
1. Gerechtigkeit als letztendlich willkürliche Entscheidung. Wir
können uns austauschen und diskutieren, aber wenn jemand ernsthaft bei
der Überzeugung bleibt, etwas sei eben Gerecht, dann können wir da
nichts ändern.
2. Gerechtigkeit als etwas, auf das Bezug genommen wird. "Du sollst
nicht stehlen" ist demnach eine Art Wegweiser, ein Zeichen.
3. Gerechtigkeit als etwas zu erkennendes, das durch "Interessen"
verzerrt wird. Demnach könnten wir in Gerechtigkeitsfragen eigentlich
alle übereinstimmen, aber dummerweise haben wir verschiedene
Interessen, die sich entgegenstehen.