Am 06.11.2023 um 19:54 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ich bin ja als Mann von der Straße bekannt, der einfache Sachen vor mir haben will. Schon
mit dem Wort „Geschichte“ kann ich nicht viel anfangen, und mit dem Wort
"Schöpfung" kann ich nur auch einen Schöpfer mit denken, und dann will ich, dass
derjenige mir sagt, wer das war, und wo die Fabrik war. Eine Zeitumkehr zwischen einem
Mutterhuhn und ihrem Ei ist mir nicht verständlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
aus dem Ei die entsprechende Mutterhenne wird, die das Ei legte, für Münchhausen war das
möglich.
Hi JH,
Du spielst hier gerne den Naiven, den angeblichen Mann von der Straße. Rollenspiele sind
harmlos, ansonsten ist mir der Mann von Straße, auch Lieschen Müller genannt, verdächtig,
wenn nicht gefährlich. Ist er noch zumeist leicht manipulierbar und häufiger Mitläufer.
Was er nicht versteht oder sich nicht vorstellen kann, ignoriert oder bemängelt er bloß.
Verstehensbeschränkungen des Alltags lassen sich aufbrechen und das Vorstellungsvermögen
erweitern. Über beides hatten wir hier schon wiederholt geschrieben. Und solange Du bspw.
nicht gewillt bist, das Henne-Ei-Problem bis zur RNA zurückzuverfolgen, die sich ja
bekanntlich selbst zu reproduzieren vermag, bleibst Du als Mann von der Straße bloß ein
nörgelnder Ignorant.
Auch die Unzufriedenheit mit Worten kann überwunden werden. Fangen wir doch gleich mit
Geschichte und Schöpfung im Alltag an und denken an Erd- und Papierschichten sowie an das
Schöpfen von Wasser auf getrockneten Böden zur Beförderung von Pflanzenwachstum.
Geschichtetes im Erdreich und in Büchern sowie Geschöpftes zur Bewässerung beim Ackerbau
könnten vielerlei Zählungen und Erzählungen zur Folge haben. Ich denke dabei gerade an die
jährlichen Überschwemmungen des Niltals und an die Bibliothek von Alexandria. Die Natur
selbst ist es, die zu schöpfen durch Überschwemmen vermag und in Alexandria waren die
Papiere noch gerollt und nicht geschichtet, was mathematisch allerdings keinen Unterschied
macht.
Und mathematisch ist es aufgrund der konformen Invarianz des Phasenraumvolumens sogar
möglich, ein sich endlos ausdehnendes Äon in ein sich endlos zusammenziehendes zu
überführen. Penrose schreibt dazu lautmalerisch von stretching and squashing. Und wie kann
Lieschen Müller sich das vorstellen? Indem sie in einem Physiklehrbuch oder bei Wikipedia
nachliest, was ein physikalischer Phasenraum ist. Je kleiner die Abstände, desto größer
können die Impulse werden und umgekehrt.
Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ war ein Bestseller, Penrosens „Cycles of Time“
ist keiner geworden. Hawking erzählt nur, Penrose zählt auch. Es kommt bspw. nicht nur
darauf an, von periodischen Äonenfolgen zu schreiben, sondern auch den Nachweis einer
periodischen Lösung der CCC-Gleichungen zu führen. Warum sollte das nicht auch Lieschen
Müller interessieren und sie sich neben der literarischen auch in die mathematische
Philosophie einarbeiten? In der literarisch-mathematischen Naturgeschichte werden
Schöpfungen und Schichtungen aus sich selbst heraus gleichermaßen verständlich.
Naturgeschichte halte ich für einen neutraleren Ausdruck als Schöpfungsgeschichte.
Zwischen mir und Karl verhält es sich ähnlich wie zwischen Einstein und Heisenberg. Ich
befreite mich von der religiösen Bevormundung während meiner Kindheit und verschrieb mich
dem Freidenkertum. So auch Einstein, der dem bayrischen Schuldrill in die liberale Schweiz
entfloh. Karl ist bis heute dem Katholizismus treu geblieben, so auch Heisenberg, der
problemlos den bayrischen Schuldrill überstand und sein Leben lang Christ blieb. Was die
beiden wohl zur CCC gedacht hätten?
Jedenfalls vermisse ich eine Naturgeschichte, die Alltag und Kosmologie nicht vor 3000
Jahren mit einem Wüstenvolk in der Levante beginnen lässt, sondern vor 7000 Jahren mit
einem Sonnenobservatorium im norddeutschen Tiefland. Der nicht nur metaphorische Übergang
von der Sonne und dem Licht zur CCC wäre ein Selbstläufer.
IT