Hier noch mal meine mail von 22:35 in lesbarer Form:
Ich sehe, daß du dich mit Kant besser auskennst als ich. Vielleicht
hätte ich ihn mangels gründlicher Kenntnisse nicht erwähnen sollen. Es
schien mir zum Thema zu passen. Und jetzt ist es eine Gelegenheit, dazu
zu lernen.
Am 12.07.2021 um 21:10 schrieb Rat Frag via Philweb:
[Philweb]
Da der Mailverteiler sich klugerweise dazu entschieden hat, mir die
E-Mail gleich gar nicht zuzustellen, muss ich mal aus dem
Online-Archiv copy-pasten:
Was ist das für ein äusserer Sinn als Eigenschaft
unseres
Gemüts, dessen Existenz hier behauptet wird?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der alte Kant damit unsere
Sinneserfahrungen (und nicht viel mehr) meinte.
Die Sinneserfahrungen sind eine Eigenschaft unseres Gemüts? In normaler
Sprache wären sie doch das, was der Mensch sieht, hört, tastet und
riecht. Das Gemüt hat in heutiger Ausdrucksweise nichts mit
Sinneserfahrung zu tun. Als Gemütsmenschen würde man einen herzlichen
Menschen bezeichnen im Gegensatz zu einem kühlen. Zu Kants Zeiten hatte
der Ausdruck offenbar eine allgemeinere Bedeutung und konnte auch mit
Sinneserfahrung in Verbindung gebracht werden. Aber tatsächlich auch in
der Weise, daß er bezeichnet, was dem Gemüt zustösst?
Ergänzung: Geht es hier nicht eher um die Bedingung der Möglichkeit in
Kantscher Ausdrucksweise als um Erfahrungsinhalte?
während eine Grenze begrifflich jedem bestimmten
Raum oder Zeitraum immanent ist.
Bei Kant gibt es eigentlich nur einen Raum. Die verschiedenen Räume
sind nur abgegrenzte Regionen ("Mannigfaltigkeiten") innerhalb des
einen Raums.
Ich hatte das folgende Zitat so verstanden, daß der Raum ein Produkt des
menschlichen Geistes, Unterabteilung "äusserer Sinn", ist.
"Vermittelst des äußeren Sinnes, (einer Eigenschaft unseres Gemüts),
stellen wir uns Gegenstände als außer uns, und diese insgesamt im
Raume." (Kant)
Dann ist er doch nicht so etwas wie das ganz grosse Zimmer, in dem
sich alle kleineren Zimmer oder Körper befinden.
Wie schon geschrieben, bei Kant glaube ich das Motiv
zu erkennen, dass
die unbedingte Gültigkeit der Mathematik gegen die Irrtumsmöglichkeit
der empirischen Anschauung und experimentellen Tests gerettet werden
soll.
Das ist auch mein Eindruck. Sagt er nicht irgendwo in Bezug auf Hume so
etwas wie: Wenn wir nicht wissen wie die Dinge zusammenhängen, was
bleibt dann noch von der Wissenschaft. Aber wir haben eine Wissenschaft,
die wirklich eine ist, weil sie einerseits nicht mit der Erfahrung steht
und fällt und andererseits nicht bloss "analytisch" von
Zeichenbeziehungen handelt, nämlich die Mathematik. Die Frage ist also
nicht, ob Wissenschaft möglich ist, sondern nur, wie sie möglich ist.
Heutige "Kantisten" argumentieren meiner
Kenntnis nach wesentlich
naturwissenschaftlicher, wenn sie die "Apriorien" auf
evolutionsbiologische Ursachen zurückführen. Die Kant freilich noch
nicht kennen konnte aber rein durch Beobachtung bereits gut beschrieb.
Kant also als Vorläufer -- und Vollender? -- evolutionärer Erkenntnistheorien.
Die meisten Kantisten sollen, so hat man mir zugetragen, historisch
orientiert sein. Kant als Vorläufer des deutschen Idealismus, der
durch einen gewissen Marx "vom Kopf auf die Füße" gestellt wurde, oder
als früher Vordenker des Neopositivismus.
Die meisten "Kantisten", die die Lehre wirklich weiterentwickeln, sind
Ethiker, die die Denontik des kategorischen Imperativs pflegen.
Die Erkenntnistheorie Kants ist heute quasi abgelegt.
(Bitte korrigieren Sie mich.)
Sie mich auch :)
Thomas Müller, Fußballgott, Verfasser des Buchs
"Mein
Weg zum Fussballprofi". Hat im Achtelfinale leider den Ausgleich
versemmelt.
Ups. :-o
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