Am 03.07.2024 um 08:27 schrieb ingo_mack über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Hallo Joseph, werte Mitstreiter
Zitat:
"Im Übrigen bin der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss".
Zitat Ende.
wäre dieser Spruch heute auch auf der Liste der verbotenen Äusserungen?
nur kurz zum "tod der Wahrheit"
und ja, Karthago ist gefallen. 3. (?) punischer Krieg.
Hier ist der signifikante Unterschied zwischen Meinung und Aufforderung zu beachten.
Letzteres war für mich Auslöser des Disputs zwischen Waldemar und mir, nachdem er
forderte, das Christentum müsse bekämpft werden, wo immer es sich zeigt.
Diese Aufforderung würde für mich nicht unbedingt Auslöser meiner heftigen Gegenreaktion
gewesen sein, würde Waldemar hier nicht schon in vielen „Posts“ vorher das Christentum -
insbesondere die katholische Konfession - beschuldigt haben, „ihre dreckigen Finger“ in
sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen zu haben.
Ich hatte zuletzt hier einige Beispiele angeführt, wie „Kirche von unten“ als real
gelebtes und praktiziertes Christentum funktioniert und hier dürfte für jeden, der dieses
soziale Engagement aus direkter eigener Erfahrung oder etwa durch lokale Presseberichte
wahrnimmt, was Christsein eben auch ist, bzw. sein kann.
Ich schreibe das hier nicht aus dem isolierten Arbeitszimmer heraus, sondern aus eigener
Erfahrung meiner Familie, die sich über Jahrzehnte ehrenamtlich in diesem Betätigungsfeld
engagiert hat.
„Christliche Nächstenliebe“, was für ein nobler Anspruch an sozialem Engagement!
Er ist nichts als ein hohles tönendes Gefäß (Paulus), wenn es bei Lippenbekenntnissen oder
Fürbitten oder sonstigen Ritualen bleibt.
Nächstenliebe setzt die Sorge für den Mitmenschen, das Mitfühlen mit ihm voraus. Man denkt
dabei nicht nur an christlich motiviertes Mitgefühl, sondern - wir als Philosophen - vor
allem auch an Schopenhauers Mitleidsethik.
Es ist also eine Frage der Ethik, in der Sorge um den Mitmenschen, die sich eben nicht nur
„virtuell“, sondern in dessen unmittelbarer Nähe, im tätigen Handeln ausdrücken muss.
Und dieses praktische Handeln im genannten Sinne findet tagtäglich in gelebter
christlicher Nächstenliebe statt. Und daher macht es mich ärgerlich, wenn dieses
tausendfach praktizierte Engagement pauschal diskreditiert wird.
Es sind keine „dreckigen Finger“, sondern gebende, helfende Hände, die wirkliches
Christsein das sein lassen, was dieser Christus mit Nächstenliebe gemeint haben wird:
„Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir
zu trinken gegeben, ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“. Dieser
u.a. von Matthias wiedergegebene Ausspruch sollte nicht nur christlicher, sondern
jeglicher humanen Einstellung zum Mitmenschen Grundlage ethischen Handelns sein.
Um hier nicht wieder den Prediger zu geben: Es ist selbstredend keine Frage des
Christseins, sich in der Sorge, dem Kümmern um den Mitmenschen dementsprechend zu
engagieren. Es sind aber Christen, die dieses Engagement konkret aufbringen und die
Ermunterung dazu, vielmehr aber die Aufforderung dazu, findet sich in den überlieferten
Schriften des NT.
Nun kann sich jede hier im Forum teilnehmende Person ihre eigenen Gedanken dazu anstellen,
welche Art der Aufforderung der menschlichen Gemeinschaft dienlich ist:
„Das Christentum bekämpfen, wo und in welchem Gesicht es sich zeigt“
vs. dem christlichen Postulat:
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern
getan habt, das habt ihr für mich getan“.
Dabei spielt die Historizität im Kontext der Annahme der Existenz dieses Jesus von
Nazareth (die wh in Frage stellt) gar keine Rolle, denn es geht um eine grundsätzliche
Aussage, die sich das Christentum zu eigen gemacht hat, selbstredend im Glauben an diesen
Christus, jedoch in lebenspraktischer Auswirkung einer davon unabhängigen, der
menschlichen Gemeinschaft nützlichen Weise.
Man (sic! Joseph) muss wahrhaftig kein Christ sein, um für Mitmenschen Sorge und
Verantwortung zu übernehmen. Christen, sofern sie es nicht nur „auf dem Papier“ sind,
stehen jedoch insbes. für dieses Engagement und daher ist es zumindest unredlich, sie in
kollektiver Einvernahme mit dem durchaus - unter dem Deckmantel des Christentums -
erfolgten und weiterhin stattfindenden Missbrauch und Verbrechen in Verbindung zu
bringen.
Und anschließend vielleicht noch ein Gedanke, der zwischen institutionellem und praktisch
gelebten Christentum unterscheiden lässt: Pompöser Aufzug christlicher Religion, also
insbes. der römischen Konfessionellen steht im krassen Widerspruch zum Anspruch (sic!) der
zentralen Botschaft dieses Christus. Ein amerikanischer Theologe und Philosoph rückte mir
dieses Missverhältnis zurecht: „Ad maiorem Dei gloriam“.
KJ