Am 23.04.2023 um 19:32 schrieb Rat Frag über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Kurzer Einwurf:
Mein Kenntnisstand (bitte um Korrekt, falls ich falsch liege) sind die
Emotionen angeboren. Selbst Darwin hat ein ganzes Buch über dieses
Thema geschrieben.
Hi RF,
die Basisemotionen mögen angeboren und schon den Primaten eigen sein, aber beim
Kulturwesen Mensch kommt es darüber hinaus wesentlich auf Empathie an. In der „Theory of
Mind“ (ToM) geht es um „die Fähigkeit bzw. den Versuch eines Individuums, sich in andere
hineinzuversetzen, um deren Wahrnehmungen, Gedanken und Absichten zu verstehen. Das
Verständnis insbesondere der Basisemotionen Freude, Trauer, Ekel, Wut, Angst und
Überraschung stellt eine wesentliche Komponente der ToM dar und ist für ein intaktes
Sozialverhalten unabdingbar.“ Fazit: „Ontogenetische Untersuchungen zeigen, dass die
Fähigkeiten, die mit der ToM verbunden sind, in mehreren Jahresabschnitten heranwachsen
und erst mit ungefähr fünfeinhalb Jahren abgeschlossen sind. Schließlich scheint dieses
System nur dem Menschen eigen zu sein. Umfangreiche Untersuchungen an Schimpansen haben
ergeben, dass die ToM — wenn überhaupt — nur in rudimentärer Form nachzuweisen ist.“
Quelle: Hans Förstl (Hrsg.), Theory of Mind, Neurobiologie und Psychologie sozialen
Verhaltens.
Im Unterschied zu den konkurrierenden Schimpansen könnte die Empathie bei den
kooperierenden Bonobos etwas weniger rudimentär ausgeprägt sein: „Our finding of no
consolatory asymmetry related to rank fits perfectly into the overall scenario on the
dominance style of bonobos: in a condition where the social structure is flexible,
tolerant and loose, consolation is probably not offered up in the hierarchy as an
appeasement gesture, e.g. to a high-ranking victim, but instead is more likely driven by
other complex mechanisms such as empathy.“ Quelle: THE BONOBOS, BEHAVIOR, ECOLOGY, AND
CONSERVATION, Edited by Takeshi Furuichi and Jo Thompson.
Nach Izard werden gemäß Myer's Psychologie zehn Basisemotionen unterschieden: „Freude,
Interesse/Aufregung, Überraschung, Traurigkeit, Wut, Ekel, Verachtung, Furcht, Scham und
Schuldgefühl. Die zwei Dimensionen der Emotion sind positive versus negative Valenz und
niedrige versus hohe Erregung.“ In seiner Seminararbeit zur Kritik an den Basisemotionen
schreibt Harald Mayer 2002 abschließend: „Zusammenfassend kann man behaupten, dass es
bislang keine überzeugenden und empirisch nachprüfbaren Belege für das Existieren von
biologischen oder physiologischen Basischaraktere der Basisemotionen von Plutchik, Mc
Dougall, Ekman und Izard gibt.“
Wir alle sind halt Mischcharaktere, die je nach Erfahrung und Situation aus einer
Überlagerung vieler Emotionen und Kognitionen hervorgehen. Rainer Reisenzein von der Uni
Greifswald wird grundsätzlich mit seiner Frage: WORUM GEHT ES IN DER DEBATTE UM DIE
BASISEMOTIONEN? Nach ihm sprechen Daten gegen diskrete Basisemotionstheorien. Insofern
scheinen auch die Sekundäremotionen stets an den vielfältigen Mischformen beteiligt zu
ein. Die Stochastik wahrscheinlichkeitsgewichteter Ausprägungen jeweiliger emotionaler
Misch-Zustände dürfte mathematisch der Unterscheidung reiner und gemischter Zustände in
der Quantenmechanik nahekommen.
IT